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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Entwicklung der Luftschiffahrt

ein Luftschiff konstruiert, das schon bei seiner ersten Fahrt im Jahre 1902 alle
andern bei weitem übertraf. Seitdem ist es gelungen, diesen "Lenkbaren" durch
ständige Verbesserungen bedeutend zu vervollkommnen. Und was noch mehr
sagen will, er ist auch praktisch so brauchbar, daß sich die französische Regierung
entschlossen hat, mehrere Ballons dieses Typs herzustellen, nachdem eine Rund¬
fahrt über einen Teil der Festungswerke von Toul Ende des vorigen Jahres
glänzend ausgefallen war. Der sich an Bord befindende damalige Kriegs¬
minister Berteaux überzeugte sich davon, daß dieser Ballon, sich in beliebiger
Höhe bewegend, Kurven beschreibend, mit dem Winde eine Geschwindigkeit von
50 Kilometern, gegen den Wind eine solche von 24 Kilometern in der
Stunde erreichte. Die Fahrt konnte auch so verlangsamt werden, daß man
eine mit Sand gefüllte Granate in eine Batterie warf, und endlich ging auch
die Landung glatt vonstatten. Man hat dieses durch Privatnachrichten er¬
fahren, denn selbstverständlich lassen die Franzosen über Konstruktion und Er¬
folge dieses Ballons wenig oder nichts verlauten. Im allgemeinen wird er
aber wohl seinem Vorgänger vom vergangnen Jahre gleichen, dessen Konstruktion
folgende ist:

Der Typ ist eine Vereinigung des prallen und des starren Systems. Der
namentlich vorn scharf zugespitzte Ballon nähert sich in der Form am meisten
dem Torpedo, er ist 2600 Kubikmeter groß und enthält ein Ballonet von
500 Kubikmetern (größte Ausdehnung), die Länge betrügt 58 Meter, der größte
Querschnitt fast 10 Meter. Der Ballon ist unterhalb mit dem starren Gerippe
einer elliptischen Gleitfläche fest verbunden, die zur bessern Überwindung des
Luftwiderstandes mit Ballonstoff überzogen ist. Etwa 4 Meter darunter ist die
vorn und hinten spitz zulaufende Gondel, die mit der Gleitfläche ebenfalls fest
verbunden ist. Ein vierzigpferdiger Motor treibt zwei 2 Meter lange Schrauben,
die sich, seitlich an der Gondel angebracht, nach Art der Schiffsschrauben be¬
wegen und bis zu 1200 Umdrehungen in der Minute machen können. Zum
Betrieb des Motors werden 220 Liter Petrolessenz mitgeführt, außerdem der
Zur Regelung der Fahrthöhe und zum Landen nötige Ballast. Zur Erhaltung
der Stabilität und für die Steuerung sind feste und bewegliche, horizontale
und vertikale Flächen vorhanden.

Zunächst sorgt die vorhin erwähnte elliptische Gleitfläche für die Aufrecht¬
erhaltung der Stabilität, die durch den an? hintern Ende angebrachten "Tauben¬
schwanz" noch erhöht wird. (Dem Fehlen dieses Taubenschwanzes am Zeppe-
Unschen Luftschiff wird zum Teil auch das Mißlingen der letzten Fahrt zu¬
geschrieben.) Unter der Gleitflüche ist eine schmale, ebenfalls feste vertikale
Flüche, an die sich eine ebensolche, unter dem hintern Teil des Ballons ange¬
brachte anschließt. An dieser wiederum sind zwei bewegliche dreieckige Horizontal-
Mchen angebracht. An diese schließt sich ein 12 Quadratmeter großes vier¬
eckiges Vertikalsteuer an, das von der Gondel aus ebenso wie die beiden
dreieckigen Horizontalflächen bewegt werden kann. Endlich wäre noch eine


Die Entwicklung der Luftschiffahrt

ein Luftschiff konstruiert, das schon bei seiner ersten Fahrt im Jahre 1902 alle
andern bei weitem übertraf. Seitdem ist es gelungen, diesen „Lenkbaren" durch
ständige Verbesserungen bedeutend zu vervollkommnen. Und was noch mehr
sagen will, er ist auch praktisch so brauchbar, daß sich die französische Regierung
entschlossen hat, mehrere Ballons dieses Typs herzustellen, nachdem eine Rund¬
fahrt über einen Teil der Festungswerke von Toul Ende des vorigen Jahres
glänzend ausgefallen war. Der sich an Bord befindende damalige Kriegs¬
minister Berteaux überzeugte sich davon, daß dieser Ballon, sich in beliebiger
Höhe bewegend, Kurven beschreibend, mit dem Winde eine Geschwindigkeit von
50 Kilometern, gegen den Wind eine solche von 24 Kilometern in der
Stunde erreichte. Die Fahrt konnte auch so verlangsamt werden, daß man
eine mit Sand gefüllte Granate in eine Batterie warf, und endlich ging auch
die Landung glatt vonstatten. Man hat dieses durch Privatnachrichten er¬
fahren, denn selbstverständlich lassen die Franzosen über Konstruktion und Er¬
folge dieses Ballons wenig oder nichts verlauten. Im allgemeinen wird er
aber wohl seinem Vorgänger vom vergangnen Jahre gleichen, dessen Konstruktion
folgende ist:

Der Typ ist eine Vereinigung des prallen und des starren Systems. Der
namentlich vorn scharf zugespitzte Ballon nähert sich in der Form am meisten
dem Torpedo, er ist 2600 Kubikmeter groß und enthält ein Ballonet von
500 Kubikmetern (größte Ausdehnung), die Länge betrügt 58 Meter, der größte
Querschnitt fast 10 Meter. Der Ballon ist unterhalb mit dem starren Gerippe
einer elliptischen Gleitfläche fest verbunden, die zur bessern Überwindung des
Luftwiderstandes mit Ballonstoff überzogen ist. Etwa 4 Meter darunter ist die
vorn und hinten spitz zulaufende Gondel, die mit der Gleitfläche ebenfalls fest
verbunden ist. Ein vierzigpferdiger Motor treibt zwei 2 Meter lange Schrauben,
die sich, seitlich an der Gondel angebracht, nach Art der Schiffsschrauben be¬
wegen und bis zu 1200 Umdrehungen in der Minute machen können. Zum
Betrieb des Motors werden 220 Liter Petrolessenz mitgeführt, außerdem der
Zur Regelung der Fahrthöhe und zum Landen nötige Ballast. Zur Erhaltung
der Stabilität und für die Steuerung sind feste und bewegliche, horizontale
und vertikale Flächen vorhanden.

Zunächst sorgt die vorhin erwähnte elliptische Gleitfläche für die Aufrecht¬
erhaltung der Stabilität, die durch den an? hintern Ende angebrachten „Tauben¬
schwanz" noch erhöht wird. (Dem Fehlen dieses Taubenschwanzes am Zeppe-
Unschen Luftschiff wird zum Teil auch das Mißlingen der letzten Fahrt zu¬
geschrieben.) Unter der Gleitflüche ist eine schmale, ebenfalls feste vertikale
Flüche, an die sich eine ebensolche, unter dem hintern Teil des Ballons ange¬
brachte anschließt. An dieser wiederum sind zwei bewegliche dreieckige Horizontal-
Mchen angebracht. An diese schließt sich ein 12 Quadratmeter großes vier¬
eckiges Vertikalsteuer an, das von der Gondel aus ebenso wie die beiden
dreieckigen Horizontalflächen bewegt werden kann. Endlich wäre noch eine


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[0325] Die Entwicklung der Luftschiffahrt ein Luftschiff konstruiert, das schon bei seiner ersten Fahrt im Jahre 1902 alle andern bei weitem übertraf. Seitdem ist es gelungen, diesen „Lenkbaren" durch ständige Verbesserungen bedeutend zu vervollkommnen. Und was noch mehr sagen will, er ist auch praktisch so brauchbar, daß sich die französische Regierung entschlossen hat, mehrere Ballons dieses Typs herzustellen, nachdem eine Rund¬ fahrt über einen Teil der Festungswerke von Toul Ende des vorigen Jahres glänzend ausgefallen war. Der sich an Bord befindende damalige Kriegs¬ minister Berteaux überzeugte sich davon, daß dieser Ballon, sich in beliebiger Höhe bewegend, Kurven beschreibend, mit dem Winde eine Geschwindigkeit von 50 Kilometern, gegen den Wind eine solche von 24 Kilometern in der Stunde erreichte. Die Fahrt konnte auch so verlangsamt werden, daß man eine mit Sand gefüllte Granate in eine Batterie warf, und endlich ging auch die Landung glatt vonstatten. Man hat dieses durch Privatnachrichten er¬ fahren, denn selbstverständlich lassen die Franzosen über Konstruktion und Er¬ folge dieses Ballons wenig oder nichts verlauten. Im allgemeinen wird er aber wohl seinem Vorgänger vom vergangnen Jahre gleichen, dessen Konstruktion folgende ist: Der Typ ist eine Vereinigung des prallen und des starren Systems. Der namentlich vorn scharf zugespitzte Ballon nähert sich in der Form am meisten dem Torpedo, er ist 2600 Kubikmeter groß und enthält ein Ballonet von 500 Kubikmetern (größte Ausdehnung), die Länge betrügt 58 Meter, der größte Querschnitt fast 10 Meter. Der Ballon ist unterhalb mit dem starren Gerippe einer elliptischen Gleitfläche fest verbunden, die zur bessern Überwindung des Luftwiderstandes mit Ballonstoff überzogen ist. Etwa 4 Meter darunter ist die vorn und hinten spitz zulaufende Gondel, die mit der Gleitfläche ebenfalls fest verbunden ist. Ein vierzigpferdiger Motor treibt zwei 2 Meter lange Schrauben, die sich, seitlich an der Gondel angebracht, nach Art der Schiffsschrauben be¬ wegen und bis zu 1200 Umdrehungen in der Minute machen können. Zum Betrieb des Motors werden 220 Liter Petrolessenz mitgeführt, außerdem der Zur Regelung der Fahrthöhe und zum Landen nötige Ballast. Zur Erhaltung der Stabilität und für die Steuerung sind feste und bewegliche, horizontale und vertikale Flächen vorhanden. Zunächst sorgt die vorhin erwähnte elliptische Gleitfläche für die Aufrecht¬ erhaltung der Stabilität, die durch den an? hintern Ende angebrachten „Tauben¬ schwanz" noch erhöht wird. (Dem Fehlen dieses Taubenschwanzes am Zeppe- Unschen Luftschiff wird zum Teil auch das Mißlingen der letzten Fahrt zu¬ geschrieben.) Unter der Gleitflüche ist eine schmale, ebenfalls feste vertikale Flüche, an die sich eine ebensolche, unter dem hintern Teil des Ballons ange¬ brachte anschließt. An dieser wiederum sind zwei bewegliche dreieckige Horizontal- Mchen angebracht. An diese schließt sich ein 12 Quadratmeter großes vier¬ eckiges Vertikalsteuer an, das von der Gondel aus ebenso wie die beiden dreieckigen Horizontalflächen bewegt werden kann. Endlich wäre noch eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/325>, abgerufen am 23.07.2024.