Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit Das Ganze des Strafrechts soll, wie er bemerkt, "Allen und Jeden, mit Wie ist der Verfasser dazu gekommen, dieses von großem Fleiße zeugende Auch darüber erhalten wir zuverlässige Auskunft durch die an den geneigten Der Verfasser ist zwar "anfangs ob diesem gnädigen Befehle erstaunt" Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit Das Ganze des Strafrechts soll, wie er bemerkt, „Allen und Jeden, mit Wie ist der Verfasser dazu gekommen, dieses von großem Fleiße zeugende Auch darüber erhalten wir zuverlässige Auskunft durch die an den geneigten Der Verfasser ist zwar „anfangs ob diesem gnädigen Befehle erstaunt" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300096"/> <fw type="header" place="top"> Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1063"> Das Ganze des Strafrechts soll, wie er bemerkt, „Allen und Jeden, mit<lb/> Erörterung der Criminal-Sachen beladenen Obrigkeiten zu Erleuchterung dero<lb/> Mühe und rechtmäßiger förderlicher Verfahrung, denen armen Gefangenen aber<lb/> zu Schutz und Schirmung gantz nützlich und gedeulich" sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1064"> Wie ist der Verfasser dazu gekommen, dieses von großem Fleiße zeugende<lb/> Buch zu schreiben, worin 343 Seiten dem Strafprozeß und 402 Seiten dem<lb/> materiellen Strafrecht gewidmet sind?</p><lb/> <p xml:id="ID_1065"> Auch darüber erhalten wir zuverlässige Auskunft durch die an den geneigten<lb/> Leser gerichtete Vorrede. „Eine wunderwürdige Wesenheit besitzt die Tugend<lb/> des Gehorsambs, irdene daß dem Gehorsam Laistenden nicht gezimmet, auf die<lb/> Wag-Schaalen seines vorwitzigen Verstands zu legen die Beweg-Ursachen deß<lb/> Oberen und Besuchenden, noch minder auszuegglen oder zu fragen sich gebühre,<lb/> worumben mir, warum nicht diesem?" Des weitern hören wir vom Verfasser,<lb/> daß es dem „hoch- und wohlgeborenen Herrn, Herrn Adrian von Deyring zu<lb/> Pitzenhofen und Mittel-Wayrburg, Freyherr» zu Heylsperg, Tyrolischen Land-<lb/> Mann der Rom. Kahserl. Majestät Rath und Ober-Östreichischen Regiments-<lb/> Vice-Cantzlern u. s. w." beliebt habe, seiner „Wenigkeit anzubefelchen", die von<lb/> ihm „zu Behufs eines Privat-Bedientens verteutschten ^ormulas des Italiänischen<lb/> Kriminalisten ^mdrosini SörloZ-ÄllieiiÄs in offenen Truck zu befördern".</p><lb/> <p xml:id="ID_1066"> Der Verfasser ist zwar „anfangs ob diesem gnädigen Befehle erstaunt"<lb/> gewesen, allein „der Gehorsamb Ware blind," er „untersuchte nit die Undichtig¬<lb/> keit, sondern gäbe mit Freuden das gehorscnnbe Ja-Wort von sich". Er hat sich<lb/> „auf das Äußerste bemüht, einen Weg zu bahnen", „wie doch eine ungestudirte,<lb/> oder in dem unermeßlichen Meer der Rechtlichen Wissenschaft nur in etwas<lb/> genetzte Gerichts-Obrigkeit ohne sondere Beschwerde den mit vielfältigen Sorgen,<lb/> Bemühe- und Angelegenheiten überhäufften und seiner Art nach sehr haigglen<lb/> (heikeln), auch dessentwegen verhaßten, ja unerkannten Inquisitions-Prozeß zur<lb/> Vermehrung der Ehre Gottes, Abstrafung des Übels, Rott- und Beschirmung<lb/> des Unschuldigen, Vermeidung der Nullitäten, Abkürzung der Ätzungskosten u. s. w.<lb/> löblich vollenden" könne. Es liegt dem Verfasser fern, sich mit fremden Federn<lb/> Zu schmücken. „Das unermühte Immen-Völckel pflegt auch das süsse aus<lb/> frembden Blumen mit unschuldigem Raube in ordentliche Behaltnussen zu ent¬<lb/> sagen, dero nutzbare Bemühung jedoch Lobens würdig." Also habe auch er<lb/> »den wahren Saft zusammen gezogen, der verhoffentlich die Obrigkeitliche Arbeit<lb/> versüssen" werde, bei strittigen Meinungen „die sicherste mit einem Sternlein<lb/> versehen, die Doctores sparsam kandirt, damit den Teutschen Praktikanten kein<lb/> Eggl oder Abscheuhen vor vielen lateinischen Wörtern angeworfen werde". „Ein<lb/> hocherlehreneter Jurist und Praktikus" solle „in Durchlesung dieser Unter¬<lb/> weisung ihre kostbare Zeit nicht verspätten:", da sie für ihn nicht geschrieben<lb/> sei. er möge das denen überlassen, „die sich hieran erlustigen und erfreuen<lb/> könnten". Der Ungelehrte solle sich aber nicht einbilden, hierdurch „eine voll¬<lb/> kommene Wissenschaft in Criminal - Sachen zu erlangen". Dazu gehöre eine<lb/> "langjährige Trillung".</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit
Das Ganze des Strafrechts soll, wie er bemerkt, „Allen und Jeden, mit
Erörterung der Criminal-Sachen beladenen Obrigkeiten zu Erleuchterung dero
Mühe und rechtmäßiger förderlicher Verfahrung, denen armen Gefangenen aber
zu Schutz und Schirmung gantz nützlich und gedeulich" sein.
Wie ist der Verfasser dazu gekommen, dieses von großem Fleiße zeugende
Buch zu schreiben, worin 343 Seiten dem Strafprozeß und 402 Seiten dem
materiellen Strafrecht gewidmet sind?
Auch darüber erhalten wir zuverlässige Auskunft durch die an den geneigten
Leser gerichtete Vorrede. „Eine wunderwürdige Wesenheit besitzt die Tugend
des Gehorsambs, irdene daß dem Gehorsam Laistenden nicht gezimmet, auf die
Wag-Schaalen seines vorwitzigen Verstands zu legen die Beweg-Ursachen deß
Oberen und Besuchenden, noch minder auszuegglen oder zu fragen sich gebühre,
worumben mir, warum nicht diesem?" Des weitern hören wir vom Verfasser,
daß es dem „hoch- und wohlgeborenen Herrn, Herrn Adrian von Deyring zu
Pitzenhofen und Mittel-Wayrburg, Freyherr» zu Heylsperg, Tyrolischen Land-
Mann der Rom. Kahserl. Majestät Rath und Ober-Östreichischen Regiments-
Vice-Cantzlern u. s. w." beliebt habe, seiner „Wenigkeit anzubefelchen", die von
ihm „zu Behufs eines Privat-Bedientens verteutschten ^ormulas des Italiänischen
Kriminalisten ^mdrosini SörloZ-ÄllieiiÄs in offenen Truck zu befördern".
Der Verfasser ist zwar „anfangs ob diesem gnädigen Befehle erstaunt"
gewesen, allein „der Gehorsamb Ware blind," er „untersuchte nit die Undichtig¬
keit, sondern gäbe mit Freuden das gehorscnnbe Ja-Wort von sich". Er hat sich
„auf das Äußerste bemüht, einen Weg zu bahnen", „wie doch eine ungestudirte,
oder in dem unermeßlichen Meer der Rechtlichen Wissenschaft nur in etwas
genetzte Gerichts-Obrigkeit ohne sondere Beschwerde den mit vielfältigen Sorgen,
Bemühe- und Angelegenheiten überhäufften und seiner Art nach sehr haigglen
(heikeln), auch dessentwegen verhaßten, ja unerkannten Inquisitions-Prozeß zur
Vermehrung der Ehre Gottes, Abstrafung des Übels, Rott- und Beschirmung
des Unschuldigen, Vermeidung der Nullitäten, Abkürzung der Ätzungskosten u. s. w.
löblich vollenden" könne. Es liegt dem Verfasser fern, sich mit fremden Federn
Zu schmücken. „Das unermühte Immen-Völckel pflegt auch das süsse aus
frembden Blumen mit unschuldigem Raube in ordentliche Behaltnussen zu ent¬
sagen, dero nutzbare Bemühung jedoch Lobens würdig." Also habe auch er
»den wahren Saft zusammen gezogen, der verhoffentlich die Obrigkeitliche Arbeit
versüssen" werde, bei strittigen Meinungen „die sicherste mit einem Sternlein
versehen, die Doctores sparsam kandirt, damit den Teutschen Praktikanten kein
Eggl oder Abscheuhen vor vielen lateinischen Wörtern angeworfen werde". „Ein
hocherlehreneter Jurist und Praktikus" solle „in Durchlesung dieser Unter¬
weisung ihre kostbare Zeit nicht verspätten:", da sie für ihn nicht geschrieben
sei. er möge das denen überlassen, „die sich hieran erlustigen und erfreuen
könnten". Der Ungelehrte solle sich aber nicht einbilden, hierdurch „eine voll¬
kommene Wissenschaft in Criminal - Sachen zu erlangen". Dazu gehöre eine
"langjährige Trillung".
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