Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789 des Königs, der ihn zur Unterwerfung der Parlamente und zur Nichtachtung Von seinem Nachfolger Jacques Necker erklärte aber die eigne Tochter, Grenzboten III 1906 39
Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789 des Königs, der ihn zur Unterwerfung der Parlamente und zur Nichtachtung Von seinem Nachfolger Jacques Necker erklärte aber die eigne Tochter, Grenzboten III 1906 39
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300092"/> <fw type="header" place="top"> Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789</fw><lb/> <p xml:id="ID_1052" prev="#ID_1051"> des Königs, der ihn zur Unterwerfung der Parlamente und zur Nichtachtung<lb/> des wechselnden Geschreis der öffentlichen Meinung hätte veranlassen können."<lb/> Schon der folgende Finanzminister Clugny, der nach fünf Monaten starb, lenkte<lb/> kräftig wieder in die alten Bahnen ein, wonach die Parlamente und die öffent¬<lb/> liche Meinung für die Regierung allein maßgebend sein sollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Von seinem Nachfolger Jacques Necker erklärte aber die eigne Tochter,<lb/> Frau von Stael, geradezu: er „betrachtete die öffentliche Meinung als die<lb/> Magnetnadel, nach der er seine Maßnahmen einzurichten habe". Er ist es<lb/> deshalb gewesen, der nächst dem Könige den Zusammenbruch herbeigeführt hat.<lb/> In Genf als Sohn eines protestantischen Professors von deutscher Abkunft<lb/> geboren, ging er als armer Kaufmannslehrling nach Paris, erwarb hier in<lb/> kurzer Zeit, es ist ungewiß, ob immer auf redliche Weise, ein ungeheures Ver¬<lb/> mögen und wurde 1768 Gesandter seiner Vaterstadt in Paris. Er war von<lb/> einem brennenden Ehrgeiz beseelt, aber von einem solchen, der nur auf seine<lb/> eigne Person Rücksicht nimmt: raffinierte Schlauheit und Geschmeidigkeit, äußer¬<lb/> liche Sittsamkeit, dabei Unselbständigkeit des Denkens und Unentschlossenheit des<lb/> Handelns kennzeichnen ihn hauptsächlich. Um von sich reden zu machen, ging<lb/> er unter die Schriftsteller, und seine Veröffentlichungen errangen den höchsten<lb/> Beifall der Menge, der er sich ja immer und immer zu fügen wußte. Im<lb/> Juni 1777 wurde er Generaldirektor der Finanzen. Als solcher hat er es<lb/> meisterhaft verstanden, die Lage der Finanzen während seines Ministeriums zu<lb/> verschleiern; aber es ist ganz unzweifelhaft, daß das Defizit unter ihm zuge¬<lb/> nommen hat, und das kann nicht wundernehmen, da er es fertig brachte, den<lb/> kostspieligen amerikanischen Krieg ohne Erhöhung der Steuern nur durch An¬<lb/> leihen, noch dazu finanziell ungeschickt aufgenommne Anleihen, zu führen; die<lb/> wirkliche Finanzlage des Staates hat er eben in dem 1731 veröffentlichten,<lb/> durch und durch verlognen Lomxts rcmäu vollkommen verschleiert. Dagegen<lb/> sind seine Reformen vielfach unterschätzt worden, wenn er auch, um die Oppo¬<lb/> sition der Parlamente zu vermeiden, äußerst vorsichtig und ohne die Genialität<lb/> Turgots ans Werk ging. Er richtete zunächst versuchsweise in den Generalitäten<lb/> Berri und Heute-Guyenne neue Provinzialversammlungen ein mit dem Rechte,<lb/> die Taille, den Zwanzigster, die Kopfsteuer und die Fron, und zwar gerechter<lb/> als bisher zu verteilen und auf andern Gebieten wie Wegebau, Wohlfahrts¬<lb/> pflege, Armenpolizei dem Könige wenigstens beratend zur Seite zu stehn- Es<lb/> zeigte sich bald, daß diese Provinzialversammlungen immer mehr Freiheiten für<lb/> sich beanspruchten, aber es wurde doch auch manches gute durch sie angeregt<lb/> und namentlich unter manchem Opfer der privilegierten Vertreter durchgesetzt.<lb/> Immerhin gab es der Reibungen in den Versammlungen selbst und mit den<lb/> Intendanten, die sich in ihren Befugnissen beeinträchtigt sahen, genug, und so<lb/> wagte es der vorsichtige Necker nicht, die Einrichtung auf die andern Provinzen<lb/> des Reichs auszudehnen. Andre Reformen des Ministers wirkten ebenfalls<lb/> recht segensreich, so die Festlegung der Taille und des Zwanzigster auf eine</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1906 39</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789
des Königs, der ihn zur Unterwerfung der Parlamente und zur Nichtachtung
des wechselnden Geschreis der öffentlichen Meinung hätte veranlassen können."
Schon der folgende Finanzminister Clugny, der nach fünf Monaten starb, lenkte
kräftig wieder in die alten Bahnen ein, wonach die Parlamente und die öffent¬
liche Meinung für die Regierung allein maßgebend sein sollten.
Von seinem Nachfolger Jacques Necker erklärte aber die eigne Tochter,
Frau von Stael, geradezu: er „betrachtete die öffentliche Meinung als die
Magnetnadel, nach der er seine Maßnahmen einzurichten habe". Er ist es
deshalb gewesen, der nächst dem Könige den Zusammenbruch herbeigeführt hat.
In Genf als Sohn eines protestantischen Professors von deutscher Abkunft
geboren, ging er als armer Kaufmannslehrling nach Paris, erwarb hier in
kurzer Zeit, es ist ungewiß, ob immer auf redliche Weise, ein ungeheures Ver¬
mögen und wurde 1768 Gesandter seiner Vaterstadt in Paris. Er war von
einem brennenden Ehrgeiz beseelt, aber von einem solchen, der nur auf seine
eigne Person Rücksicht nimmt: raffinierte Schlauheit und Geschmeidigkeit, äußer¬
liche Sittsamkeit, dabei Unselbständigkeit des Denkens und Unentschlossenheit des
Handelns kennzeichnen ihn hauptsächlich. Um von sich reden zu machen, ging
er unter die Schriftsteller, und seine Veröffentlichungen errangen den höchsten
Beifall der Menge, der er sich ja immer und immer zu fügen wußte. Im
Juni 1777 wurde er Generaldirektor der Finanzen. Als solcher hat er es
meisterhaft verstanden, die Lage der Finanzen während seines Ministeriums zu
verschleiern; aber es ist ganz unzweifelhaft, daß das Defizit unter ihm zuge¬
nommen hat, und das kann nicht wundernehmen, da er es fertig brachte, den
kostspieligen amerikanischen Krieg ohne Erhöhung der Steuern nur durch An¬
leihen, noch dazu finanziell ungeschickt aufgenommne Anleihen, zu führen; die
wirkliche Finanzlage des Staates hat er eben in dem 1731 veröffentlichten,
durch und durch verlognen Lomxts rcmäu vollkommen verschleiert. Dagegen
sind seine Reformen vielfach unterschätzt worden, wenn er auch, um die Oppo¬
sition der Parlamente zu vermeiden, äußerst vorsichtig und ohne die Genialität
Turgots ans Werk ging. Er richtete zunächst versuchsweise in den Generalitäten
Berri und Heute-Guyenne neue Provinzialversammlungen ein mit dem Rechte,
die Taille, den Zwanzigster, die Kopfsteuer und die Fron, und zwar gerechter
als bisher zu verteilen und auf andern Gebieten wie Wegebau, Wohlfahrts¬
pflege, Armenpolizei dem Könige wenigstens beratend zur Seite zu stehn- Es
zeigte sich bald, daß diese Provinzialversammlungen immer mehr Freiheiten für
sich beanspruchten, aber es wurde doch auch manches gute durch sie angeregt
und namentlich unter manchem Opfer der privilegierten Vertreter durchgesetzt.
Immerhin gab es der Reibungen in den Versammlungen selbst und mit den
Intendanten, die sich in ihren Befugnissen beeinträchtigt sahen, genug, und so
wagte es der vorsichtige Necker nicht, die Einrichtung auf die andern Provinzen
des Reichs auszudehnen. Andre Reformen des Ministers wirkten ebenfalls
recht segensreich, so die Festlegung der Taille und des Zwanzigster auf eine
Grenzboten III 1906 39
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