Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgobnches "Verfassungsmäßig" ist es ganz außer jedem Zweifel, daß der Kaiser zur Verteidigung Das zweite Stücklein der Germania ist die abermalige Aufwärmung der Maßgebliches und Unmaßgobnches „Verfassungsmäßig" ist es ganz außer jedem Zweifel, daß der Kaiser zur Verteidigung Das zweite Stücklein der Germania ist die abermalige Aufwärmung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300069"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgobnches</fw><lb/> <p xml:id="ID_998" prev="#ID_997"> „Verfassungsmäßig" ist es ganz außer jedem Zweifel, daß der Kaiser zur Verteidigung<lb/> der Ehre, der Würde und der Interessen Deutschlands Truppen überallhin zu ent¬<lb/> senden berechtigt ist, wo er sie für notwendig HM. Es gibt keine Silbe in der<lb/> ganzen Reichsverfassung, die diese Bestimmung einschränkt; Kaiser Wilhelm der Erste<lb/> würde sie auch niemals angenommen haben, der jetzige Kaiser ebensowenig. Ist<lb/> bisher aus Rücksicht auf den allgemeinen Mobilmachungsplan anders Verfahren worden,<lb/> so bedeutet das keine Berührung der verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers.</p><lb/> <p xml:id="ID_999" next="#ID_1000"> Das zweite Stücklein der Germania ist die abermalige Aufwärmung der<lb/> Gerüchte von einer neuen Flottenvorlage. Das Bemerkenswerteste hierbei ist<lb/> nicht etwa der Unsinn, daß „gewisse einflußreiche Kreise, die auch auf der Nord¬<lb/> landreise ihre Vertreter haben, mit aller Macht arbeiten, für eine neue Flotten¬<lb/> vorlage die Zustimmung zu erlangen", sondern daß die Germania diese angebliche<lb/> neue Flottenvorlage schon jetzt im voraus mit der Ausdehnung der Reichserbschafts¬<lb/> steuer auf Kinder und Ehegatten bewilligt. Im Ernstfalle würde sie es wohl ohne<lb/> diese Ausdehnung der Erbschaftssteuer tun müssen, in die Preußen schwerlich jemals<lb/> willigen dürfte. Das Zentrum wird sich auch wohl hüten, den Bogen so zu über¬<lb/> spannen. Außerdem werden aber Flottenvorlagen nicht auf der Nordlandreise aus¬<lb/> geheckt, darüber mag die Germania ganz beruhigt sein. Dazu gehören doch noch<lb/> eine Reihe andrer Leute als diese „einflußreichen Kreise". In altdeutsche,: Blättern<lb/> ist ja sogar neuerdings behauptet worden, daß der Reichskanzler die vom Staats¬<lb/> sekretär der Marine beabsichtigte Erweiterung der letzten Vorlage verhindert habe.<lb/> Das ist vollständig unwahr. Der Reichskanzler hat seineu Standpunkt wiederholt<lb/> dahin festgelegt, daß er sich verpflichtet halte, für alle die Forderungen mit voller<lb/> Entschiedenheit einzutreten, die von den für die militärische Sicherheit des Reiches<lb/> Verantwortlicher Stellen als unbedingt nötig erachtet werden. Das hat er ja auch<lb/> bei den beiden ersten Flottengesetzen bewiesen, die wesentlich durch seine Mitwirkung<lb/> zustande gekommen sind. Wie könnte auch der Verantwortliche Träger der Reichspolitik<lb/> gegen die Erweiterung der Mittel sein, die seiner Politik den Rückhalt geben! In<lb/> dieser Hinsicht werden auch die englischen Bemühungen, den maritimen Rüstungsstand<lb/> Englands gleichsam international sanktionieren zu lassen, den andern Staaten aber durch<lb/> Haager Beschlüsse zu untersagen, ihre Rüstung dem englischen großen Übergewicht<lb/> anzupassen — bei Deutschland wenig Eindruck machen, um so weniger, als sich der<lb/> französische Verbündete Englands positiv ablehnend verhält. Der Figaro spottet<lb/> darüber, und die demokratische Berliner Volkszeitung sagt sehr treffend: Mumpitz!<lb/> Die einzig richtige Antwort. Die Diplomatie wird natürlich höflicher sein, sich aber<lb/> doch gegenwärtig halten, daß die reichen Küchenzettel der Bewirtung der inter¬<lb/> parlamentarischen Konferenz in London zu den Spesen gehören, die sich England im<lb/> Interesse eines guten Geschäfts mit Noblesse aufzuerlegen versteht. Man kommt<lb/> unwillkürlich auf die Vermutung, daß die Einladung an die deutsche Presse und<lb/> die interparlamentarische Konferenz Glieder derselben Kette sind, die England durch<lb/> Einfluß auf die öffentliche Stimmung — uns um den Hals zu legen gedenkt. Der<lb/> englische Premier hat ja kein Hehl daraus gemacht, daß er den deutschen Reichstag<lb/> dabei ganz besonders ins Auge gefaßt habe, den man gegen die Flottenpolitik des<lb/> Kaisers aufbieten möchte. Göschens jüngste Rede im Oberhause verrät den gleichen<lb/> Gedanken. Deutschland wird gegen den Abrüstungsschwindel, dem eine Verstärkung<lb/> der englischen Rüstung zur See und zu Lande parallel läuft, während der fran¬<lb/> zösische Marineminister erklärt, daß sich Frankreich „nicht auf Stunden" auf eine<lb/> Verminderung seiner Rüstungen einlassen könne, sehr auf der Hut sein. Der Figaro<lb/> sagt in bezug auf Frankreich von den Ideen des englischen Premierministers: Miss<lb/> us xourront kairs nu og.1 Hus eus? nous se 5, nous. Genau dasselbe wollen wir</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Maßgebliches und Unmaßgobnches
„Verfassungsmäßig" ist es ganz außer jedem Zweifel, daß der Kaiser zur Verteidigung
der Ehre, der Würde und der Interessen Deutschlands Truppen überallhin zu ent¬
senden berechtigt ist, wo er sie für notwendig HM. Es gibt keine Silbe in der
ganzen Reichsverfassung, die diese Bestimmung einschränkt; Kaiser Wilhelm der Erste
würde sie auch niemals angenommen haben, der jetzige Kaiser ebensowenig. Ist
bisher aus Rücksicht auf den allgemeinen Mobilmachungsplan anders Verfahren worden,
so bedeutet das keine Berührung der verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers.
Das zweite Stücklein der Germania ist die abermalige Aufwärmung der
Gerüchte von einer neuen Flottenvorlage. Das Bemerkenswerteste hierbei ist
nicht etwa der Unsinn, daß „gewisse einflußreiche Kreise, die auch auf der Nord¬
landreise ihre Vertreter haben, mit aller Macht arbeiten, für eine neue Flotten¬
vorlage die Zustimmung zu erlangen", sondern daß die Germania diese angebliche
neue Flottenvorlage schon jetzt im voraus mit der Ausdehnung der Reichserbschafts¬
steuer auf Kinder und Ehegatten bewilligt. Im Ernstfalle würde sie es wohl ohne
diese Ausdehnung der Erbschaftssteuer tun müssen, in die Preußen schwerlich jemals
willigen dürfte. Das Zentrum wird sich auch wohl hüten, den Bogen so zu über¬
spannen. Außerdem werden aber Flottenvorlagen nicht auf der Nordlandreise aus¬
geheckt, darüber mag die Germania ganz beruhigt sein. Dazu gehören doch noch
eine Reihe andrer Leute als diese „einflußreichen Kreise". In altdeutsche,: Blättern
ist ja sogar neuerdings behauptet worden, daß der Reichskanzler die vom Staats¬
sekretär der Marine beabsichtigte Erweiterung der letzten Vorlage verhindert habe.
Das ist vollständig unwahr. Der Reichskanzler hat seineu Standpunkt wiederholt
dahin festgelegt, daß er sich verpflichtet halte, für alle die Forderungen mit voller
Entschiedenheit einzutreten, die von den für die militärische Sicherheit des Reiches
Verantwortlicher Stellen als unbedingt nötig erachtet werden. Das hat er ja auch
bei den beiden ersten Flottengesetzen bewiesen, die wesentlich durch seine Mitwirkung
zustande gekommen sind. Wie könnte auch der Verantwortliche Träger der Reichspolitik
gegen die Erweiterung der Mittel sein, die seiner Politik den Rückhalt geben! In
dieser Hinsicht werden auch die englischen Bemühungen, den maritimen Rüstungsstand
Englands gleichsam international sanktionieren zu lassen, den andern Staaten aber durch
Haager Beschlüsse zu untersagen, ihre Rüstung dem englischen großen Übergewicht
anzupassen — bei Deutschland wenig Eindruck machen, um so weniger, als sich der
französische Verbündete Englands positiv ablehnend verhält. Der Figaro spottet
darüber, und die demokratische Berliner Volkszeitung sagt sehr treffend: Mumpitz!
Die einzig richtige Antwort. Die Diplomatie wird natürlich höflicher sein, sich aber
doch gegenwärtig halten, daß die reichen Küchenzettel der Bewirtung der inter¬
parlamentarischen Konferenz in London zu den Spesen gehören, die sich England im
Interesse eines guten Geschäfts mit Noblesse aufzuerlegen versteht. Man kommt
unwillkürlich auf die Vermutung, daß die Einladung an die deutsche Presse und
die interparlamentarische Konferenz Glieder derselben Kette sind, die England durch
Einfluß auf die öffentliche Stimmung — uns um den Hals zu legen gedenkt. Der
englische Premier hat ja kein Hehl daraus gemacht, daß er den deutschen Reichstag
dabei ganz besonders ins Auge gefaßt habe, den man gegen die Flottenpolitik des
Kaisers aufbieten möchte. Göschens jüngste Rede im Oberhause verrät den gleichen
Gedanken. Deutschland wird gegen den Abrüstungsschwindel, dem eine Verstärkung
der englischen Rüstung zur See und zu Lande parallel läuft, während der fran¬
zösische Marineminister erklärt, daß sich Frankreich „nicht auf Stunden" auf eine
Verminderung seiner Rüstungen einlassen könne, sehr auf der Hut sein. Der Figaro
sagt in bezug auf Frankreich von den Ideen des englischen Premierministers: Miss
us xourront kairs nu og.1 Hus eus? nous se 5, nous. Genau dasselbe wollen wir
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