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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Koloniale Lisenbahnpolitik

beträgt für die Tonne 260 Mark. Auf der Südbahn würde er nach der Be¬
rechnung von Hans Meyer von Kilwa bis Wiedhafen (60 Millionen Bau¬
kosten für etwa 700 Kilometer und einen Frachtsatz von 10 Pfennig für den
Tonnenkilometer zugrunde gelegt) nur etwa 70 Mark betragen. Noch günstiger
stellt sich das Verhältnis im Personenverkehr, besonders wenn man die Reise
von Europa aus in Berechnung zieht. Jetzt braucht man von Southampton
über Kapstadt-Durham-Chirbe-Sambesi-Schire nach Wiedhafen mindestens
50 Tage, nach Bau der Südbahn über Neapel-Kilwa höchstens 25 bis 30 Tage.
Zudem wird die Reise etwa 400 Mark billiger.*) Diese Angaben dürften ge¬
nügen, unzweifelhaft darzutun, daß nach dem Bau der Südbahn der gesamte
wertvolle Verkehr des Nyassa- und des südlichen Tanganjikagebiets vom Schire-
Sambesi auf die Südbahn übergehn und dieser unbedingte Rentabilität sichern
würde. Die einsichtsvollen Kolonialkreise werden gut daran tun, ihre Be¬
mühungen zur baldigen Verwirklichung dieses Projekts zu vereinigen. Eile
tut not, denn wenn uns die portugiesische Bahn zuvorkommt, so wäre zum
mindesten ein jahrelanger schwerer Konkurrenzkampf nötig, bis es der Süd¬
bahn gelingen würde, die etwa 100 Kilometer längere Konkurrenzbahn aus
dem Sattel zu heben. Einen Teil des Nyassaverkehrs würde diese der Süd¬
bahn auch dann noch wegnehmen. Wenn wir aber zuvorkommen, so wird
vermutlich das portugiesische Projekt aufgegeben werden.

Ungeachtet dieses günstigen Prognostikons der "Südbahn" spukt wieder
einmal das Zentralbahnprojekt. Nach dem Bericht über die letzten Verhand¬
lungen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees sollen demnächst zwei Expeditionen
zur "Erkundung für den Eisenbahnbau im mittlern Deutschostafrika", also der
',Zentralbahn", und zur Erkundung der "Nordbahn" hinausgehn. Der
Kolonialrat hat bei seiner kürzlichen Sitzung dieses Vorhaben gebilligt, und
die Deutsche Kolonialzeitung hat sich infolgedessen in einer der letzten Nummern
veranlaßt gesehen, auf den Busch zu klopfen. In Verbindung damit wurde
die Idee eines groß angelegten Eisenbahnplanes für die Kolonien entwickelt,
die auch in einem bei der neulichen Hauptversammlung der Deutschen Kolonial¬
gesellschaft eingebrachten Antrage zum Ausdruck kam. Und zwar sollte die
^dee in der Weise durchgeführt werden, daß den Kolonien eine große Anleihe
von mehreren hundert Millionen ermöglicht wird. Damit sollen die Kon¬
cessionen der Eisenbahngesellschaften ausgeschaltet werden und deren Gewinn
den Kolonien selbst zugute kommen.

Diese Idee ist an sich sehr schön, aber nicht durchführbar und außerdem un¬
praktisch. Denn erstens haben unsre Kolonien -- von Togo abgesehen -- noch
"icht den hierzu nötigen Grad von wirtschaftlicher Selbständigkeit erreicht und
nicht die Einnahmen, daß sie die Zinsen für so hohe Anleihen bezahlen könnten.



Näheres über diese Konkurrenzverhältnisse findet man bei Hans Meyer und in der
Kolonialen Zeitschrift/ Jahrgang III.
Koloniale Lisenbahnpolitik

beträgt für die Tonne 260 Mark. Auf der Südbahn würde er nach der Be¬
rechnung von Hans Meyer von Kilwa bis Wiedhafen (60 Millionen Bau¬
kosten für etwa 700 Kilometer und einen Frachtsatz von 10 Pfennig für den
Tonnenkilometer zugrunde gelegt) nur etwa 70 Mark betragen. Noch günstiger
stellt sich das Verhältnis im Personenverkehr, besonders wenn man die Reise
von Europa aus in Berechnung zieht. Jetzt braucht man von Southampton
über Kapstadt-Durham-Chirbe-Sambesi-Schire nach Wiedhafen mindestens
50 Tage, nach Bau der Südbahn über Neapel-Kilwa höchstens 25 bis 30 Tage.
Zudem wird die Reise etwa 400 Mark billiger.*) Diese Angaben dürften ge¬
nügen, unzweifelhaft darzutun, daß nach dem Bau der Südbahn der gesamte
wertvolle Verkehr des Nyassa- und des südlichen Tanganjikagebiets vom Schire-
Sambesi auf die Südbahn übergehn und dieser unbedingte Rentabilität sichern
würde. Die einsichtsvollen Kolonialkreise werden gut daran tun, ihre Be¬
mühungen zur baldigen Verwirklichung dieses Projekts zu vereinigen. Eile
tut not, denn wenn uns die portugiesische Bahn zuvorkommt, so wäre zum
mindesten ein jahrelanger schwerer Konkurrenzkampf nötig, bis es der Süd¬
bahn gelingen würde, die etwa 100 Kilometer längere Konkurrenzbahn aus
dem Sattel zu heben. Einen Teil des Nyassaverkehrs würde diese der Süd¬
bahn auch dann noch wegnehmen. Wenn wir aber zuvorkommen, so wird
vermutlich das portugiesische Projekt aufgegeben werden.

Ungeachtet dieses günstigen Prognostikons der „Südbahn" spukt wieder
einmal das Zentralbahnprojekt. Nach dem Bericht über die letzten Verhand¬
lungen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees sollen demnächst zwei Expeditionen
zur „Erkundung für den Eisenbahnbau im mittlern Deutschostafrika", also der
',Zentralbahn", und zur Erkundung der „Nordbahn" hinausgehn. Der
Kolonialrat hat bei seiner kürzlichen Sitzung dieses Vorhaben gebilligt, und
die Deutsche Kolonialzeitung hat sich infolgedessen in einer der letzten Nummern
veranlaßt gesehen, auf den Busch zu klopfen. In Verbindung damit wurde
die Idee eines groß angelegten Eisenbahnplanes für die Kolonien entwickelt,
die auch in einem bei der neulichen Hauptversammlung der Deutschen Kolonial¬
gesellschaft eingebrachten Antrage zum Ausdruck kam. Und zwar sollte die
^dee in der Weise durchgeführt werden, daß den Kolonien eine große Anleihe
von mehreren hundert Millionen ermöglicht wird. Damit sollen die Kon¬
cessionen der Eisenbahngesellschaften ausgeschaltet werden und deren Gewinn
den Kolonien selbst zugute kommen.

Diese Idee ist an sich sehr schön, aber nicht durchführbar und außerdem un¬
praktisch. Denn erstens haben unsre Kolonien — von Togo abgesehen — noch
"icht den hierzu nötigen Grad von wirtschaftlicher Selbständigkeit erreicht und
nicht die Einnahmen, daß sie die Zinsen für so hohe Anleihen bezahlen könnten.



Näheres über diese Konkurrenzverhältnisse findet man bei Hans Meyer und in der
Kolonialen Zeitschrift/ Jahrgang III.
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[0243] Koloniale Lisenbahnpolitik beträgt für die Tonne 260 Mark. Auf der Südbahn würde er nach der Be¬ rechnung von Hans Meyer von Kilwa bis Wiedhafen (60 Millionen Bau¬ kosten für etwa 700 Kilometer und einen Frachtsatz von 10 Pfennig für den Tonnenkilometer zugrunde gelegt) nur etwa 70 Mark betragen. Noch günstiger stellt sich das Verhältnis im Personenverkehr, besonders wenn man die Reise von Europa aus in Berechnung zieht. Jetzt braucht man von Southampton über Kapstadt-Durham-Chirbe-Sambesi-Schire nach Wiedhafen mindestens 50 Tage, nach Bau der Südbahn über Neapel-Kilwa höchstens 25 bis 30 Tage. Zudem wird die Reise etwa 400 Mark billiger.*) Diese Angaben dürften ge¬ nügen, unzweifelhaft darzutun, daß nach dem Bau der Südbahn der gesamte wertvolle Verkehr des Nyassa- und des südlichen Tanganjikagebiets vom Schire- Sambesi auf die Südbahn übergehn und dieser unbedingte Rentabilität sichern würde. Die einsichtsvollen Kolonialkreise werden gut daran tun, ihre Be¬ mühungen zur baldigen Verwirklichung dieses Projekts zu vereinigen. Eile tut not, denn wenn uns die portugiesische Bahn zuvorkommt, so wäre zum mindesten ein jahrelanger schwerer Konkurrenzkampf nötig, bis es der Süd¬ bahn gelingen würde, die etwa 100 Kilometer längere Konkurrenzbahn aus dem Sattel zu heben. Einen Teil des Nyassaverkehrs würde diese der Süd¬ bahn auch dann noch wegnehmen. Wenn wir aber zuvorkommen, so wird vermutlich das portugiesische Projekt aufgegeben werden. Ungeachtet dieses günstigen Prognostikons der „Südbahn" spukt wieder einmal das Zentralbahnprojekt. Nach dem Bericht über die letzten Verhand¬ lungen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees sollen demnächst zwei Expeditionen zur „Erkundung für den Eisenbahnbau im mittlern Deutschostafrika", also der ',Zentralbahn", und zur Erkundung der „Nordbahn" hinausgehn. Der Kolonialrat hat bei seiner kürzlichen Sitzung dieses Vorhaben gebilligt, und die Deutsche Kolonialzeitung hat sich infolgedessen in einer der letzten Nummern veranlaßt gesehen, auf den Busch zu klopfen. In Verbindung damit wurde die Idee eines groß angelegten Eisenbahnplanes für die Kolonien entwickelt, die auch in einem bei der neulichen Hauptversammlung der Deutschen Kolonial¬ gesellschaft eingebrachten Antrage zum Ausdruck kam. Und zwar sollte die ^dee in der Weise durchgeführt werden, daß den Kolonien eine große Anleihe von mehreren hundert Millionen ermöglicht wird. Damit sollen die Kon¬ cessionen der Eisenbahngesellschaften ausgeschaltet werden und deren Gewinn den Kolonien selbst zugute kommen. Diese Idee ist an sich sehr schön, aber nicht durchführbar und außerdem un¬ praktisch. Denn erstens haben unsre Kolonien — von Togo abgesehen — noch "icht den hierzu nötigen Grad von wirtschaftlicher Selbständigkeit erreicht und nicht die Einnahmen, daß sie die Zinsen für so hohe Anleihen bezahlen könnten. Näheres über diese Konkurrenzverhältnisse findet man bei Hans Meyer und in der Kolonialen Zeitschrift/ Jahrgang III.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/243>, abgerufen am 23.07.2024.