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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Anastasius Grün
Am Altar weht ein Flämmchen, die Flamme wächst zur Glut,
Zur riesgen Feuersäule, rotlovernd fast wie Blut!
O fürchte nicht die Flamme, hellprasselnd himmelan!
Ein himmlisch Feuer zündet kein irdisch Haus euch an.
Geläutert schwebt aus Gluten dann der Gebaut ans Licht
Und schwingt sich zu den Sternen! O seinen im Flug ihn nicht!
Frei wie der Sonnenadler muß der Gedanke sein.
Dann fliegt er auch wie jener zu Licht und Sonn allein.

Wie ein neuer Posa rief der Dichter diese Worte im Jahre der Julirevolution
dem Österreich zu, das wie ein andres Spanien von Gedankenfreiheit nichts
wissen wollte. Zwar genügte der "Letzte Ritter" noch nicht den höchsten An¬
forderungen, die man an ein Kunstepos stellen muß; denn noch war die Kom¬
position zu lose, und die epische Plastik litt unter der zu starken Neigung für
das Allegorisieren. Mit Recht forderte darum schon sein Kritiker, Ent von
der Burg, der Benediktiner von Moll, in den Wiener Jahrbüchern für die
historische Romanze epische Genauigkeit, erkannte aber doch auch an, daß
Anastasius Grün das, was er geben wollte, so gegeben habe, daß er die
höchste Anerkennung verdiene. Viele der einzelnen Romanzen zeigen in der
Tat eine wohltuende Wärme der Schilderung, und diese selbst verrät schon die
Vorliebe für das später so vollendet ausgebildete humoristische Capriccio, das
dem Dichter so vortrefflich "lag." Und vor allem weht in diesen Dichtungen
ein Geist der Wahrheitsliebe, schwillt ein ernster Freiheitsdrang. Eine solche
Sprache war in Österreich zu jener Zeit, zumal bei einem Gliede des deutschen
Hochadels, etwas ganz neues und erregte deshalb ein nicht geringes Aufsehen.
Wenn der Erfolg trotzdem nicht durchschlagend und bleibend war, so lag das
vornehmlich in der Wahl des Stoffes; denn Kaiser Maximilian ist zwar eine
ritterliche Erscheinung, entbehrt aber die kaiserliche Hoheit; er ist trotz der
Martinswand und manchen andern Zügen nicht volkstümlich, sondern wirkt als
Sonderling. Wegen der Metteruichschen Zensurscherereien erschien das Werk
bei Cotta in Stuttgart (in 9. Auflage 1881).

Wesentlich unpolitisch sind auch noch die "Gedichte der Periode von
1830/31." Auch hier ist noch nichts von politischer Anspielung zu merken.
Der Dichter besingt Gottes erhabne Schöpfung; er preist das Gebirge, die
Bäume und die Büsche, das lichte Wiesengrün, verherrlicht den Sturm auf
dem See und erzählt uns, wie er der Hypochondrie ledig geworden sei, und
was die Elfen leiden -- kurz, er behandelt tausenderlei Dinge, die mit der
Politik gar nichts zu tun haben. Nur der Freiheit widmet er einmal
einige Verse:

Guten Abend, schöne Dirne,
El, und bringst du Röslein mir?
Eine Maid mit heitrer Stirne
Ist die Freiheit auch, gleich dir.
Ach, wann wird sie Rosen pflücken
Aller Welt, so wie du mir?
Wann die Welt ins Aug ihr blicken,
Ach, so gerne, wie ich dir?

Anastasius Grün
Am Altar weht ein Flämmchen, die Flamme wächst zur Glut,
Zur riesgen Feuersäule, rotlovernd fast wie Blut!
O fürchte nicht die Flamme, hellprasselnd himmelan!
Ein himmlisch Feuer zündet kein irdisch Haus euch an.
Geläutert schwebt aus Gluten dann der Gebaut ans Licht
Und schwingt sich zu den Sternen! O seinen im Flug ihn nicht!
Frei wie der Sonnenadler muß der Gedanke sein.
Dann fliegt er auch wie jener zu Licht und Sonn allein.

Wie ein neuer Posa rief der Dichter diese Worte im Jahre der Julirevolution
dem Österreich zu, das wie ein andres Spanien von Gedankenfreiheit nichts
wissen wollte. Zwar genügte der „Letzte Ritter" noch nicht den höchsten An¬
forderungen, die man an ein Kunstepos stellen muß; denn noch war die Kom¬
position zu lose, und die epische Plastik litt unter der zu starken Neigung für
das Allegorisieren. Mit Recht forderte darum schon sein Kritiker, Ent von
der Burg, der Benediktiner von Moll, in den Wiener Jahrbüchern für die
historische Romanze epische Genauigkeit, erkannte aber doch auch an, daß
Anastasius Grün das, was er geben wollte, so gegeben habe, daß er die
höchste Anerkennung verdiene. Viele der einzelnen Romanzen zeigen in der
Tat eine wohltuende Wärme der Schilderung, und diese selbst verrät schon die
Vorliebe für das später so vollendet ausgebildete humoristische Capriccio, das
dem Dichter so vortrefflich „lag." Und vor allem weht in diesen Dichtungen
ein Geist der Wahrheitsliebe, schwillt ein ernster Freiheitsdrang. Eine solche
Sprache war in Österreich zu jener Zeit, zumal bei einem Gliede des deutschen
Hochadels, etwas ganz neues und erregte deshalb ein nicht geringes Aufsehen.
Wenn der Erfolg trotzdem nicht durchschlagend und bleibend war, so lag das
vornehmlich in der Wahl des Stoffes; denn Kaiser Maximilian ist zwar eine
ritterliche Erscheinung, entbehrt aber die kaiserliche Hoheit; er ist trotz der
Martinswand und manchen andern Zügen nicht volkstümlich, sondern wirkt als
Sonderling. Wegen der Metteruichschen Zensurscherereien erschien das Werk
bei Cotta in Stuttgart (in 9. Auflage 1881).

Wesentlich unpolitisch sind auch noch die „Gedichte der Periode von
1830/31." Auch hier ist noch nichts von politischer Anspielung zu merken.
Der Dichter besingt Gottes erhabne Schöpfung; er preist das Gebirge, die
Bäume und die Büsche, das lichte Wiesengrün, verherrlicht den Sturm auf
dem See und erzählt uns, wie er der Hypochondrie ledig geworden sei, und
was die Elfen leiden — kurz, er behandelt tausenderlei Dinge, die mit der
Politik gar nichts zu tun haben. Nur der Freiheit widmet er einmal
einige Verse:

Guten Abend, schöne Dirne,
El, und bringst du Röslein mir?
Eine Maid mit heitrer Stirne
Ist die Freiheit auch, gleich dir.
Ach, wann wird sie Rosen pflücken
Aller Welt, so wie du mir?
Wann die Welt ins Aug ihr blicken,
Ach, so gerne, wie ich dir?

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[0097] Anastasius Grün Am Altar weht ein Flämmchen, die Flamme wächst zur Glut, Zur riesgen Feuersäule, rotlovernd fast wie Blut! O fürchte nicht die Flamme, hellprasselnd himmelan! Ein himmlisch Feuer zündet kein irdisch Haus euch an. Geläutert schwebt aus Gluten dann der Gebaut ans Licht Und schwingt sich zu den Sternen! O seinen im Flug ihn nicht! Frei wie der Sonnenadler muß der Gedanke sein. Dann fliegt er auch wie jener zu Licht und Sonn allein. Wie ein neuer Posa rief der Dichter diese Worte im Jahre der Julirevolution dem Österreich zu, das wie ein andres Spanien von Gedankenfreiheit nichts wissen wollte. Zwar genügte der „Letzte Ritter" noch nicht den höchsten An¬ forderungen, die man an ein Kunstepos stellen muß; denn noch war die Kom¬ position zu lose, und die epische Plastik litt unter der zu starken Neigung für das Allegorisieren. Mit Recht forderte darum schon sein Kritiker, Ent von der Burg, der Benediktiner von Moll, in den Wiener Jahrbüchern für die historische Romanze epische Genauigkeit, erkannte aber doch auch an, daß Anastasius Grün das, was er geben wollte, so gegeben habe, daß er die höchste Anerkennung verdiene. Viele der einzelnen Romanzen zeigen in der Tat eine wohltuende Wärme der Schilderung, und diese selbst verrät schon die Vorliebe für das später so vollendet ausgebildete humoristische Capriccio, das dem Dichter so vortrefflich „lag." Und vor allem weht in diesen Dichtungen ein Geist der Wahrheitsliebe, schwillt ein ernster Freiheitsdrang. Eine solche Sprache war in Österreich zu jener Zeit, zumal bei einem Gliede des deutschen Hochadels, etwas ganz neues und erregte deshalb ein nicht geringes Aufsehen. Wenn der Erfolg trotzdem nicht durchschlagend und bleibend war, so lag das vornehmlich in der Wahl des Stoffes; denn Kaiser Maximilian ist zwar eine ritterliche Erscheinung, entbehrt aber die kaiserliche Hoheit; er ist trotz der Martinswand und manchen andern Zügen nicht volkstümlich, sondern wirkt als Sonderling. Wegen der Metteruichschen Zensurscherereien erschien das Werk bei Cotta in Stuttgart (in 9. Auflage 1881). Wesentlich unpolitisch sind auch noch die „Gedichte der Periode von 1830/31." Auch hier ist noch nichts von politischer Anspielung zu merken. Der Dichter besingt Gottes erhabne Schöpfung; er preist das Gebirge, die Bäume und die Büsche, das lichte Wiesengrün, verherrlicht den Sturm auf dem See und erzählt uns, wie er der Hypochondrie ledig geworden sei, und was die Elfen leiden — kurz, er behandelt tausenderlei Dinge, die mit der Politik gar nichts zu tun haben. Nur der Freiheit widmet er einmal einige Verse: Guten Abend, schöne Dirne, El, und bringst du Röslein mir? Eine Maid mit heitrer Stirne Ist die Freiheit auch, gleich dir. Ach, wann wird sie Rosen pflücken Aller Welt, so wie du mir? Wann die Welt ins Aug ihr blicken, Ach, so gerne, wie ich dir?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/97>, abgerufen am 24.07.2024.