Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Elisabeth Barrett-Browning scheitern. Man kann es also Robert Browning nicht verübeln, wenn er 1857 Unsre Dichterin stammte aus wohlhabenden, wenn nicht reichen Ver¬ Elisabeth Barrett-Browning scheitern. Man kann es also Robert Browning nicht verübeln, wenn er 1857 Unsre Dichterin stammte aus wohlhabenden, wenn nicht reichen Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0659" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299700"/> <fw type="header" place="top"> Elisabeth Barrett-Browning</fw><lb/> <p xml:id="ID_2857" prev="#ID_2856"> scheitern. Man kann es also Robert Browning nicht verübeln, wenn er 1857<lb/> mit seiner charakteristischen behutsamen Zartheit in Familienangelegenheiten<lb/> über seinen Schwiegervater den brieflichen Ausspruch riskierte: I^ero runst<lb/> ttÄVs höhlt somstbins in tuo orMnisation, or eänoatiov. g.t least, that poulet<lb/> »evount lor Ma extsnuats tuis.</p><lb/> <p xml:id="ID_2858" next="#ID_2859"> Unsre Dichterin stammte aus wohlhabenden, wenn nicht reichen Ver¬<lb/> hältnissen. Angesichts der Malvern Hills, die von englischem Dichtermunde<lb/> mit nie erlöschender Glorie umgeben worden sind, hat sie in schöner, fast<lb/> schloßartiger Besitzung die erste idyllische Jugendzeit verbracht. Mit dem Tode<lb/> der Mutter (1828) fand dieser friedliche Lebensabschnitt freilich ein jähes Ende.<lb/> Pekuniäre Schwierigkeiten nötigten zur Aufgabe des stattlichen Landsitzes.<lb/> Während eines zweijährigen Aufenthalts in Sidmouth bot der Anblick des<lb/> Meeres und der grünen Sammetfluren der Küste einigermaßen Ersatz für die<lb/> Verlorne friedliche Stätte der Kindheit. Später siedelte die Familie definitiv<lb/> nach London über. In der ungesunden Luft der Hauptstadt wurde die immer<lb/> kränkelnde älteste Tochter zur Kranken. Sogar ein Zwischenaufenthalt in<lb/> Torquay (an der Südküste Englands) hatte nicht die gehoffte Wirkung, da<lb/> der heilsame Einfluß der milden Seeluft unter dem erschütternden Eindruck<lb/> einer Todesbotschaft versiechte. Der Lieblingsbruder Edward war unerwartet<lb/> in der Babbicombe Bay ertrunken. Eine schwere Krankheit, die Folge der<lb/> heftigen Nervenerschütterung, verzögerte die Rückkehr Elisabeths nach London,<lb/> um ein volles Jahr. Doch blieb sie auch nach der dauernden Wiederver¬<lb/> einigung mit Vater und Geschwistern an das Krankenzimmer gefesselt. Nur<lb/> intensive geistige Regsamkeit söhnte sie mit ihrer einförmigen Lebensweise aus.<lb/> Es galt schließlich für eine unabänderliche Tatsache, daß die älteste Tochter<lb/> invalid bleiben werde. Sinnreiche Vorkehrungen hatten das Krankenzimmer<lb/> zu einem recht traulichen Raum umgestaltet. Blumen schmückten die Fenster,<lb/> fremdländische Tauben gurrten im Käfig, ein treues Hündchen umschmeichelte<lb/> die kranke Herrin. Die Büsten Homers und Chaucers zierten ans besondern<lb/> Wunsch die Wände. Geschwister- und Freundesliebe war geschäftig, melan¬<lb/> cholische Stimmungen soviel als möglich fernzuhalten. Den besten Halt fand<lb/> Elisabeth freilich in der eignen Brust. Die Jahre verfrühter ernster Beschaulich¬<lb/> keit verschönte die seltne Gabe, auch den geringfügigsten Dingen und Begeben¬<lb/> heiten einen poetischen, zarten und doch tiefen Reiz abzugewinnen. Ihre ersten<lb/> kleinen Dichtungen dringen in die Öffentlichkeit, ihre zaghafte Bescheidenheit<lb/> durchweht schon ein Hauch von Selbstvertrauen, als ihr Vetter und Mäcen.<lb/> John Kenyon, ihre Scheu gegen Unbekannte überwindet und den Dichter<lb/> Robert Browning bei ihr einführt. Wie innig sich bald das neue Freund¬<lb/> schaftsverhältnis gestaltete, erfährt jeder am besten aus dem Munde der<lb/> Dichterin selbst, die am 20. Oktober 1846 einer alten Freundin ihrer Familie<lb/> lMrs. Martin) in einem ausführlichen Briefe ihr übervolles Herz ausschüttete.<lb/> schlicht und innig geschrieben, bildet dieser Brief ein unentbehrliches Dokument,<lb/> da er den klarsten Einblick in das Seelenleben des hochsinnigen Paares ge¬<lb/> währt. Die heimliche Eheschließung sticht seltsam von diesem sonst so wahr¬<lb/> haften Leben ab. Doch trieb erst völlig grundlose Härte und Teilnahmlosig-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0659]
Elisabeth Barrett-Browning
scheitern. Man kann es also Robert Browning nicht verübeln, wenn er 1857
mit seiner charakteristischen behutsamen Zartheit in Familienangelegenheiten
über seinen Schwiegervater den brieflichen Ausspruch riskierte: I^ero runst
ttÄVs höhlt somstbins in tuo orMnisation, or eänoatiov. g.t least, that poulet
»evount lor Ma extsnuats tuis.
Unsre Dichterin stammte aus wohlhabenden, wenn nicht reichen Ver¬
hältnissen. Angesichts der Malvern Hills, die von englischem Dichtermunde
mit nie erlöschender Glorie umgeben worden sind, hat sie in schöner, fast
schloßartiger Besitzung die erste idyllische Jugendzeit verbracht. Mit dem Tode
der Mutter (1828) fand dieser friedliche Lebensabschnitt freilich ein jähes Ende.
Pekuniäre Schwierigkeiten nötigten zur Aufgabe des stattlichen Landsitzes.
Während eines zweijährigen Aufenthalts in Sidmouth bot der Anblick des
Meeres und der grünen Sammetfluren der Küste einigermaßen Ersatz für die
Verlorne friedliche Stätte der Kindheit. Später siedelte die Familie definitiv
nach London über. In der ungesunden Luft der Hauptstadt wurde die immer
kränkelnde älteste Tochter zur Kranken. Sogar ein Zwischenaufenthalt in
Torquay (an der Südküste Englands) hatte nicht die gehoffte Wirkung, da
der heilsame Einfluß der milden Seeluft unter dem erschütternden Eindruck
einer Todesbotschaft versiechte. Der Lieblingsbruder Edward war unerwartet
in der Babbicombe Bay ertrunken. Eine schwere Krankheit, die Folge der
heftigen Nervenerschütterung, verzögerte die Rückkehr Elisabeths nach London,
um ein volles Jahr. Doch blieb sie auch nach der dauernden Wiederver¬
einigung mit Vater und Geschwistern an das Krankenzimmer gefesselt. Nur
intensive geistige Regsamkeit söhnte sie mit ihrer einförmigen Lebensweise aus.
Es galt schließlich für eine unabänderliche Tatsache, daß die älteste Tochter
invalid bleiben werde. Sinnreiche Vorkehrungen hatten das Krankenzimmer
zu einem recht traulichen Raum umgestaltet. Blumen schmückten die Fenster,
fremdländische Tauben gurrten im Käfig, ein treues Hündchen umschmeichelte
die kranke Herrin. Die Büsten Homers und Chaucers zierten ans besondern
Wunsch die Wände. Geschwister- und Freundesliebe war geschäftig, melan¬
cholische Stimmungen soviel als möglich fernzuhalten. Den besten Halt fand
Elisabeth freilich in der eignen Brust. Die Jahre verfrühter ernster Beschaulich¬
keit verschönte die seltne Gabe, auch den geringfügigsten Dingen und Begeben¬
heiten einen poetischen, zarten und doch tiefen Reiz abzugewinnen. Ihre ersten
kleinen Dichtungen dringen in die Öffentlichkeit, ihre zaghafte Bescheidenheit
durchweht schon ein Hauch von Selbstvertrauen, als ihr Vetter und Mäcen.
John Kenyon, ihre Scheu gegen Unbekannte überwindet und den Dichter
Robert Browning bei ihr einführt. Wie innig sich bald das neue Freund¬
schaftsverhältnis gestaltete, erfährt jeder am besten aus dem Munde der
Dichterin selbst, die am 20. Oktober 1846 einer alten Freundin ihrer Familie
lMrs. Martin) in einem ausführlichen Briefe ihr übervolles Herz ausschüttete.
schlicht und innig geschrieben, bildet dieser Brief ein unentbehrliches Dokument,
da er den klarsten Einblick in das Seelenleben des hochsinnigen Paares ge¬
währt. Die heimliche Eheschließung sticht seltsam von diesem sonst so wahr¬
haften Leben ab. Doch trieb erst völlig grundlose Härte und Teilnahmlosig-
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