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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Der Bopparder Krieg

Der Kesselflicker warf ihm einen unwilligen Blick zu.

Danke Gott, ihr Herren, fuhr er fort, daß des Reiters Blechhaube so schwer
war, denn ohne die schwere Haube wär ich jetzt nicht klüger als ihr. Als wir
auf der Pfaffeudorfer Seite waren, stieg der Reiter auf und ritt auf dem Lein¬
pfad weiter -- rheinaufwärts. Da ließ ich meinen Gaul laufen, bis ich mit dem
Wagelein neben ihm war. Ist ein heißer Tag heut, Landsmann, sagte ich. Ihr
braucht nicht zu klagen, sagte er, Ihr sitzt unter Euerm Plandach und habt noch
dazu ein Fäßlein Weins auf dem Wagen. Könnt auch gemächlich fahren, aber
ich -- ich muß vor Nacht in Se. Goarshausen sein. Ihr wollt wohl morgen noch
weiter? fragt ich, habt Ihr noch weit zu reisen? Nach Mannheim und noch weiter,
sagte er. Weshalb reitet Ihr nicht auf dem audern Ufer? fragte ich wieder, da
habt Ihr doch Schatten? Wenns nach mir ging, sagte er, blieb ich überhaupt
daheim, aber ich habe strenge Ordres. Versteh schon, sagte ich, Ihr steht in kur¬
fürstlichem Dienst und reitet in einer wichtigen Sache. Er sah mich verwundert
an und fragte: Woher könnt Ihr das wissen? Man siehts Euch an, sagte ich,
seht aus wie ein Ambassadeur. Nun nun, sagte er, das bin ich gerade nicht,
aber Ihr habt nicht weit dran vorbei geraten. Wußt ichs doch, antwortete ich,
wenn Ihr auch deu Titul nicht habt, so seid Jhrs doch. Nun wußt ich auch,
wohin des Reiters Reise ging, denn wenn einer so im Lande umher kommt wie
ich, dann merkt er fein auf alles, was er sieht und hört. Und weil ich schon in
Koblenz allerlei hatte munkeln hören, konnt ich mir auch einen Vers drauf machen,
was es mit dem Reiter auf sich hatte. Ich hatte ein Fäßlein Wein im Wagen,
das hatte ich in Koblenz für verrichtete Arbeit in Zahlung nehmen müssen. Davon
zapfte ich jetzt einen tüchtigen Napf voll und bot ihn dem Reiter dar. Der ließ
sich nicht lange nötigen, tranks ans einen Zug und meinte, die liebe Sonne hätte
ihn schon so ausgedörrt, daß er leichtlich wie ein Stockfisch zu Heidelberg ankommen
würde. Daß er nach Heidelberg wolle, das sollte er freilich niemand wissen lassen,
und er bäte mich, es wieder zu vergessen, was ich auch treulich versprach. Als
wir über die Lahn waren, gab ich ihm den zweiten Napf. Da sagte er, seine
Blechhaube drücke ihm den Schädel ein, und an alledem sei kein andrer schuld als
die Bopparder. Aber sein Herr würde ihnen schon zeigen, daß er nicht mit sich
spaßen lasse, und würde einen Auszug wider sie tun mit großer Heeresmacht, und
dürfe zu Boppard nicht ein Stein auf dem andern bleiben. Was alles wiederum
ein großes Geheimnis sei, weshalb ichs ihm zuliebe vergessen möchte. Ich sagte
ihm, da täte der Kurfürst klug daran, denn die Bopparder seien schon lange reif
für den Galgen, und je eher kurfürstliche Gnaden wider ihre Stadt zöge, desto
besser wäre es. Der Kurfürst müsse aber brav HilfsVölker anwerben, denn die
Stadt sei wohlbewehrt und würde sich wohl nicht leichtlich ergeben. Da sagte der
Reiter, gerade deshalb reite er ja auf Heidelberg, denn sein Herr habe mit dem
dasigen Kurfürsten, dem Pfalzgrafen Philipp, ein Bündnis gemacht, daß er ihm
zweihundert reisige Pferde und dreihundert wohlgerüstete Fußknechte sende, die
allesamt am Tag vor Sankt Johannes Baptista vor Boppard liegen müßten. Aber
das sei das allergrößte Geheimnis, und kein Mensch dürfe davon erfahren, weshalb
ichs wiederum alsbald vergessen solle. Bei Spay haben wir uns dann getrennt,
weil er über das Gebirge reiten mußte, zuvor aber hat er mich noch schwören
lassen, daß ich alles, so er mir anvertraut, auch wirklich und wahrhaftig vergessen
wollte. Das hab ich denn auch treulich getan, als ich aber zu Boppard unter dem
Tor gewesen bin, da ist mir alles wieder eingefallen, und ich hab zu mir gesagt:
Jetzt gehst du auf die Ratsstuben und meldest, was du gehört hast.

Daran habt Ihr wohl getan, Thoas, sagte der Schultheiß, und ob Ihr
zwar ein vorwitziges Maul habt, so sollt Ihr doch eine Liebnis in Wein und
drei Gulden als xrasmium erhalten. Geht einstweilen auf die Trinkstuben und
erwartet uns.

Unter dem Beifallsgemurmel der Versammlung zog sich der Kesselflicker zurück.


Der Bopparder Krieg

Der Kesselflicker warf ihm einen unwilligen Blick zu.

Danke Gott, ihr Herren, fuhr er fort, daß des Reiters Blechhaube so schwer
war, denn ohne die schwere Haube wär ich jetzt nicht klüger als ihr. Als wir
auf der Pfaffeudorfer Seite waren, stieg der Reiter auf und ritt auf dem Lein¬
pfad weiter — rheinaufwärts. Da ließ ich meinen Gaul laufen, bis ich mit dem
Wagelein neben ihm war. Ist ein heißer Tag heut, Landsmann, sagte ich. Ihr
braucht nicht zu klagen, sagte er, Ihr sitzt unter Euerm Plandach und habt noch
dazu ein Fäßlein Weins auf dem Wagen. Könnt auch gemächlich fahren, aber
ich — ich muß vor Nacht in Se. Goarshausen sein. Ihr wollt wohl morgen noch
weiter? fragt ich, habt Ihr noch weit zu reisen? Nach Mannheim und noch weiter,
sagte er. Weshalb reitet Ihr nicht auf dem audern Ufer? fragte ich wieder, da
habt Ihr doch Schatten? Wenns nach mir ging, sagte er, blieb ich überhaupt
daheim, aber ich habe strenge Ordres. Versteh schon, sagte ich, Ihr steht in kur¬
fürstlichem Dienst und reitet in einer wichtigen Sache. Er sah mich verwundert
an und fragte: Woher könnt Ihr das wissen? Man siehts Euch an, sagte ich,
seht aus wie ein Ambassadeur. Nun nun, sagte er, das bin ich gerade nicht,
aber Ihr habt nicht weit dran vorbei geraten. Wußt ichs doch, antwortete ich,
wenn Ihr auch deu Titul nicht habt, so seid Jhrs doch. Nun wußt ich auch,
wohin des Reiters Reise ging, denn wenn einer so im Lande umher kommt wie
ich, dann merkt er fein auf alles, was er sieht und hört. Und weil ich schon in
Koblenz allerlei hatte munkeln hören, konnt ich mir auch einen Vers drauf machen,
was es mit dem Reiter auf sich hatte. Ich hatte ein Fäßlein Wein im Wagen,
das hatte ich in Koblenz für verrichtete Arbeit in Zahlung nehmen müssen. Davon
zapfte ich jetzt einen tüchtigen Napf voll und bot ihn dem Reiter dar. Der ließ
sich nicht lange nötigen, tranks ans einen Zug und meinte, die liebe Sonne hätte
ihn schon so ausgedörrt, daß er leichtlich wie ein Stockfisch zu Heidelberg ankommen
würde. Daß er nach Heidelberg wolle, das sollte er freilich niemand wissen lassen,
und er bäte mich, es wieder zu vergessen, was ich auch treulich versprach. Als
wir über die Lahn waren, gab ich ihm den zweiten Napf. Da sagte er, seine
Blechhaube drücke ihm den Schädel ein, und an alledem sei kein andrer schuld als
die Bopparder. Aber sein Herr würde ihnen schon zeigen, daß er nicht mit sich
spaßen lasse, und würde einen Auszug wider sie tun mit großer Heeresmacht, und
dürfe zu Boppard nicht ein Stein auf dem andern bleiben. Was alles wiederum
ein großes Geheimnis sei, weshalb ichs ihm zuliebe vergessen möchte. Ich sagte
ihm, da täte der Kurfürst klug daran, denn die Bopparder seien schon lange reif
für den Galgen, und je eher kurfürstliche Gnaden wider ihre Stadt zöge, desto
besser wäre es. Der Kurfürst müsse aber brav HilfsVölker anwerben, denn die
Stadt sei wohlbewehrt und würde sich wohl nicht leichtlich ergeben. Da sagte der
Reiter, gerade deshalb reite er ja auf Heidelberg, denn sein Herr habe mit dem
dasigen Kurfürsten, dem Pfalzgrafen Philipp, ein Bündnis gemacht, daß er ihm
zweihundert reisige Pferde und dreihundert wohlgerüstete Fußknechte sende, die
allesamt am Tag vor Sankt Johannes Baptista vor Boppard liegen müßten. Aber
das sei das allergrößte Geheimnis, und kein Mensch dürfe davon erfahren, weshalb
ichs wiederum alsbald vergessen solle. Bei Spay haben wir uns dann getrennt,
weil er über das Gebirge reiten mußte, zuvor aber hat er mich noch schwören
lassen, daß ich alles, so er mir anvertraut, auch wirklich und wahrhaftig vergessen
wollte. Das hab ich denn auch treulich getan, als ich aber zu Boppard unter dem
Tor gewesen bin, da ist mir alles wieder eingefallen, und ich hab zu mir gesagt:
Jetzt gehst du auf die Ratsstuben und meldest, was du gehört hast.

Daran habt Ihr wohl getan, Thoas, sagte der Schultheiß, und ob Ihr
zwar ein vorwitziges Maul habt, so sollt Ihr doch eine Liebnis in Wein und
drei Gulden als xrasmium erhalten. Geht einstweilen auf die Trinkstuben und
erwartet uns.

Unter dem Beifallsgemurmel der Versammlung zog sich der Kesselflicker zurück.


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[0612] Der Bopparder Krieg Der Kesselflicker warf ihm einen unwilligen Blick zu. Danke Gott, ihr Herren, fuhr er fort, daß des Reiters Blechhaube so schwer war, denn ohne die schwere Haube wär ich jetzt nicht klüger als ihr. Als wir auf der Pfaffeudorfer Seite waren, stieg der Reiter auf und ritt auf dem Lein¬ pfad weiter — rheinaufwärts. Da ließ ich meinen Gaul laufen, bis ich mit dem Wagelein neben ihm war. Ist ein heißer Tag heut, Landsmann, sagte ich. Ihr braucht nicht zu klagen, sagte er, Ihr sitzt unter Euerm Plandach und habt noch dazu ein Fäßlein Weins auf dem Wagen. Könnt auch gemächlich fahren, aber ich — ich muß vor Nacht in Se. Goarshausen sein. Ihr wollt wohl morgen noch weiter? fragt ich, habt Ihr noch weit zu reisen? Nach Mannheim und noch weiter, sagte er. Weshalb reitet Ihr nicht auf dem audern Ufer? fragte ich wieder, da habt Ihr doch Schatten? Wenns nach mir ging, sagte er, blieb ich überhaupt daheim, aber ich habe strenge Ordres. Versteh schon, sagte ich, Ihr steht in kur¬ fürstlichem Dienst und reitet in einer wichtigen Sache. Er sah mich verwundert an und fragte: Woher könnt Ihr das wissen? Man siehts Euch an, sagte ich, seht aus wie ein Ambassadeur. Nun nun, sagte er, das bin ich gerade nicht, aber Ihr habt nicht weit dran vorbei geraten. Wußt ichs doch, antwortete ich, wenn Ihr auch deu Titul nicht habt, so seid Jhrs doch. Nun wußt ich auch, wohin des Reiters Reise ging, denn wenn einer so im Lande umher kommt wie ich, dann merkt er fein auf alles, was er sieht und hört. Und weil ich schon in Koblenz allerlei hatte munkeln hören, konnt ich mir auch einen Vers drauf machen, was es mit dem Reiter auf sich hatte. Ich hatte ein Fäßlein Wein im Wagen, das hatte ich in Koblenz für verrichtete Arbeit in Zahlung nehmen müssen. Davon zapfte ich jetzt einen tüchtigen Napf voll und bot ihn dem Reiter dar. Der ließ sich nicht lange nötigen, tranks ans einen Zug und meinte, die liebe Sonne hätte ihn schon so ausgedörrt, daß er leichtlich wie ein Stockfisch zu Heidelberg ankommen würde. Daß er nach Heidelberg wolle, das sollte er freilich niemand wissen lassen, und er bäte mich, es wieder zu vergessen, was ich auch treulich versprach. Als wir über die Lahn waren, gab ich ihm den zweiten Napf. Da sagte er, seine Blechhaube drücke ihm den Schädel ein, und an alledem sei kein andrer schuld als die Bopparder. Aber sein Herr würde ihnen schon zeigen, daß er nicht mit sich spaßen lasse, und würde einen Auszug wider sie tun mit großer Heeresmacht, und dürfe zu Boppard nicht ein Stein auf dem andern bleiben. Was alles wiederum ein großes Geheimnis sei, weshalb ichs ihm zuliebe vergessen möchte. Ich sagte ihm, da täte der Kurfürst klug daran, denn die Bopparder seien schon lange reif für den Galgen, und je eher kurfürstliche Gnaden wider ihre Stadt zöge, desto besser wäre es. Der Kurfürst müsse aber brav HilfsVölker anwerben, denn die Stadt sei wohlbewehrt und würde sich wohl nicht leichtlich ergeben. Da sagte der Reiter, gerade deshalb reite er ja auf Heidelberg, denn sein Herr habe mit dem dasigen Kurfürsten, dem Pfalzgrafen Philipp, ein Bündnis gemacht, daß er ihm zweihundert reisige Pferde und dreihundert wohlgerüstete Fußknechte sende, die allesamt am Tag vor Sankt Johannes Baptista vor Boppard liegen müßten. Aber das sei das allergrößte Geheimnis, und kein Mensch dürfe davon erfahren, weshalb ichs wiederum alsbald vergessen solle. Bei Spay haben wir uns dann getrennt, weil er über das Gebirge reiten mußte, zuvor aber hat er mich noch schwören lassen, daß ich alles, so er mir anvertraut, auch wirklich und wahrhaftig vergessen wollte. Das hab ich denn auch treulich getan, als ich aber zu Boppard unter dem Tor gewesen bin, da ist mir alles wieder eingefallen, und ich hab zu mir gesagt: Jetzt gehst du auf die Ratsstuben und meldest, was du gehört hast. Daran habt Ihr wohl getan, Thoas, sagte der Schultheiß, und ob Ihr zwar ein vorwitziges Maul habt, so sollt Ihr doch eine Liebnis in Wein und drei Gulden als xrasmium erhalten. Geht einstweilen auf die Trinkstuben und erwartet uns. Unter dem Beifallsgemurmel der Versammlung zog sich der Kesselflicker zurück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/612>, abgerufen am 28.12.2024.