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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Von Vukurescht zum Goldner Horn
H. Toepfer Reiseerinnermigen") von

! nsre Hoffnung bei der Durchfahrt durch den Fortgürtel etwas von
den Bukureschter Befestigungen zu sehen, war leider vergebens.
Hier hat der verstorbne Major Schumann für das Grusonwerk
in Konkurrenz mit Schneider in Creuzot gewirkt und eine moderne
! Lagerfestung im Panzerstil geschaffen. Ist die Bahn absichtlich
so geführt, daß man nichts sieht, verdeckte der Schnee das Wenige, was sonst
von dem niedrigen Aufzug der Werke zu bemerken ist -- wir sahen nichts.
Und so fuhren wir, ein bißchen müde, ein wenig plaudernd, durch die ebenso
fruchtbare wie reizlose Walachische Tiefebne der Donau zu. Noch war meine
Amtsdauer als Rechnungsführer nicht abgelaufen. Da es mir nirgends ge¬
glückt war, Geld zu wechseln, denn am Sonntag waren alle Banken und
Wechselgeschäfte geschlossen, so mußte ich mich als Reisemarschall im Speise¬
wagen versichern, ob unser deutsches Geld Anklang finden würde. Leider wurde
diese Frage mit Nein beantwortet und uns damit die Aussicht eröffnet, bis zur
Einschiffung auf dem Dampfer in Konstanza um elf Uhr Abends hungern und
dursten zu müssen, denn das Kleingeld war knapp geworden und mußte doch
wenigstens teilweise für die unvermeidlichen Trink- und sonstigen Gelder auf¬
gespart werden. Da erbarmte sich unsrer ein würdiger Herr, der in unserm
Abteil Platz genommen hatte, und bot aus der Fülle seines rumänischen Geldes
das Nötige. Das brach das Eis. Wir hatten ihn für einen rumänischen
höhern Beamten oder eine Art Diplomaten gehalten. Es war aber ein ein¬
facher Herr Fischer aus Wien -- der Name sagt nicht viel --, der in Ge¬
schäften nach Konstantinopel und nach Alexandrien reiste und sich als viel¬
gewandter, auch recht sprachkundiger, übrigens ganz angenehmer und bescheidner
Herr erwies. Auch er wußte manches zu erzählen und gute Ratschläge für
Konstantinopel zu erteilen.

Unser Zug hielt einige Zeit in Slobodzia, einem der ersten Marschziele
der Heeresavantgardendivisivn Skobeleff I. im Jahre 1877 und gelangte
schon bei Dunkelheit -- leider! -- bei Fetescht an die Donau. Deshalb waren
wir nicht imstande, die Überbrückung des Stroms so eingehend zu studieren, wie
es dieses großartige Bauwerk verdient. Bekanntlich durchströmt die Donau von
Silistria abwärts eine breite Niederung zwischen dem Hauptarm und der Borcea,
die bei Hochwasser immer überflutet ist. Hierüber führt die Eisenbahn in einer



Dieser Artikel schließt sich an die Reiseerinnerungen Von Budapest nach Bukurescht in
Heft 22 an. In spätern Heften werden noch andre abgeschlossene Reisebilder folgen.


Von Vukurescht zum Goldner Horn
H. Toepfer Reiseerinnermigen") von

! nsre Hoffnung bei der Durchfahrt durch den Fortgürtel etwas von
den Bukureschter Befestigungen zu sehen, war leider vergebens.
Hier hat der verstorbne Major Schumann für das Grusonwerk
in Konkurrenz mit Schneider in Creuzot gewirkt und eine moderne
! Lagerfestung im Panzerstil geschaffen. Ist die Bahn absichtlich
so geführt, daß man nichts sieht, verdeckte der Schnee das Wenige, was sonst
von dem niedrigen Aufzug der Werke zu bemerken ist — wir sahen nichts.
Und so fuhren wir, ein bißchen müde, ein wenig plaudernd, durch die ebenso
fruchtbare wie reizlose Walachische Tiefebne der Donau zu. Noch war meine
Amtsdauer als Rechnungsführer nicht abgelaufen. Da es mir nirgends ge¬
glückt war, Geld zu wechseln, denn am Sonntag waren alle Banken und
Wechselgeschäfte geschlossen, so mußte ich mich als Reisemarschall im Speise¬
wagen versichern, ob unser deutsches Geld Anklang finden würde. Leider wurde
diese Frage mit Nein beantwortet und uns damit die Aussicht eröffnet, bis zur
Einschiffung auf dem Dampfer in Konstanza um elf Uhr Abends hungern und
dursten zu müssen, denn das Kleingeld war knapp geworden und mußte doch
wenigstens teilweise für die unvermeidlichen Trink- und sonstigen Gelder auf¬
gespart werden. Da erbarmte sich unsrer ein würdiger Herr, der in unserm
Abteil Platz genommen hatte, und bot aus der Fülle seines rumänischen Geldes
das Nötige. Das brach das Eis. Wir hatten ihn für einen rumänischen
höhern Beamten oder eine Art Diplomaten gehalten. Es war aber ein ein¬
facher Herr Fischer aus Wien — der Name sagt nicht viel —, der in Ge¬
schäften nach Konstantinopel und nach Alexandrien reiste und sich als viel¬
gewandter, auch recht sprachkundiger, übrigens ganz angenehmer und bescheidner
Herr erwies. Auch er wußte manches zu erzählen und gute Ratschläge für
Konstantinopel zu erteilen.

Unser Zug hielt einige Zeit in Slobodzia, einem der ersten Marschziele
der Heeresavantgardendivisivn Skobeleff I. im Jahre 1877 und gelangte
schon bei Dunkelheit — leider! — bei Fetescht an die Donau. Deshalb waren
wir nicht imstande, die Überbrückung des Stroms so eingehend zu studieren, wie
es dieses großartige Bauwerk verdient. Bekanntlich durchströmt die Donau von
Silistria abwärts eine breite Niederung zwischen dem Hauptarm und der Borcea,
die bei Hochwasser immer überflutet ist. Hierüber führt die Eisenbahn in einer



Dieser Artikel schließt sich an die Reiseerinnerungen Von Budapest nach Bukurescht in
Heft 22 an. In spätern Heften werden noch andre abgeschlossene Reisebilder folgen.
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[0598] [Abbildung] Von Vukurescht zum Goldner Horn H. Toepfer Reiseerinnermigen") von ! nsre Hoffnung bei der Durchfahrt durch den Fortgürtel etwas von den Bukureschter Befestigungen zu sehen, war leider vergebens. Hier hat der verstorbne Major Schumann für das Grusonwerk in Konkurrenz mit Schneider in Creuzot gewirkt und eine moderne ! Lagerfestung im Panzerstil geschaffen. Ist die Bahn absichtlich so geführt, daß man nichts sieht, verdeckte der Schnee das Wenige, was sonst von dem niedrigen Aufzug der Werke zu bemerken ist — wir sahen nichts. Und so fuhren wir, ein bißchen müde, ein wenig plaudernd, durch die ebenso fruchtbare wie reizlose Walachische Tiefebne der Donau zu. Noch war meine Amtsdauer als Rechnungsführer nicht abgelaufen. Da es mir nirgends ge¬ glückt war, Geld zu wechseln, denn am Sonntag waren alle Banken und Wechselgeschäfte geschlossen, so mußte ich mich als Reisemarschall im Speise¬ wagen versichern, ob unser deutsches Geld Anklang finden würde. Leider wurde diese Frage mit Nein beantwortet und uns damit die Aussicht eröffnet, bis zur Einschiffung auf dem Dampfer in Konstanza um elf Uhr Abends hungern und dursten zu müssen, denn das Kleingeld war knapp geworden und mußte doch wenigstens teilweise für die unvermeidlichen Trink- und sonstigen Gelder auf¬ gespart werden. Da erbarmte sich unsrer ein würdiger Herr, der in unserm Abteil Platz genommen hatte, und bot aus der Fülle seines rumänischen Geldes das Nötige. Das brach das Eis. Wir hatten ihn für einen rumänischen höhern Beamten oder eine Art Diplomaten gehalten. Es war aber ein ein¬ facher Herr Fischer aus Wien — der Name sagt nicht viel —, der in Ge¬ schäften nach Konstantinopel und nach Alexandrien reiste und sich als viel¬ gewandter, auch recht sprachkundiger, übrigens ganz angenehmer und bescheidner Herr erwies. Auch er wußte manches zu erzählen und gute Ratschläge für Konstantinopel zu erteilen. Unser Zug hielt einige Zeit in Slobodzia, einem der ersten Marschziele der Heeresavantgardendivisivn Skobeleff I. im Jahre 1877 und gelangte schon bei Dunkelheit — leider! — bei Fetescht an die Donau. Deshalb waren wir nicht imstande, die Überbrückung des Stroms so eingehend zu studieren, wie es dieses großartige Bauwerk verdient. Bekanntlich durchströmt die Donau von Silistria abwärts eine breite Niederung zwischen dem Hauptarm und der Borcea, die bei Hochwasser immer überflutet ist. Hierüber führt die Eisenbahn in einer Dieser Artikel schließt sich an die Reiseerinnerungen Von Budapest nach Bukurescht in Heft 22 an. In spätern Heften werden noch andre abgeschlossene Reisebilder folgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/598>, abgerufen am 27.12.2024.