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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wollte, wo er die "Dafne" gesehen hat. Wir andern wissen nur, daß sie verloren
ist. In solchen Dilettantismen geht es weiter. Wir haben bis Seite 36 stand
gehalten, wo Dittersdorfs Sinfonien zu Ovids "Metamorphosen" als die "Anfange
der Programmnmsik" ausgegeben werden, uns dann aber mit einer summarischen
Durchsicht dieser "Beiträge" usw. begnügt.

Eine weit bessere systematische Arbeit ist I. v. Wasielewskis Buch über
Die Violine und ihre Meister. Es würde sonst nicht in einer vierten Auf¬
lage vorgelegt werden können. (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Wasielewski
hat sich mit Methode und Ernst um Vollständigkeit des Materials bemüht; der
Leser kann sich infolgedessen darauf verlassen, in dem Buche die zur Geschichte der
Violine, der Violinkomposition und des Violinspiels gehörenden Hauptdaten alle zu
finden. Im Urteil darf man sich allerdings dem Verfasser nnr mit Vorsicht anver¬
trauen: für die ältern Zeiten gebrichts ihm an geschichtlichem Sinn sowie um Gründ¬
lichkeit. Dieser Sachverhalt scheint dein Herausgeber der neuesten Auflage fremd
gewesen zu sein; andernfalls würde er zum mindesten die Schilderungen von
Farinas LaMi-ioeio stM^ante. und von Corellis voueoiti ^rossi verbessert haben.
Dort hat Wasielewski einer harmlosen Suite wegen einiger ungezwungen einge¬
mischter Tonmalereien den Charakter einer herausfordernden Programmmusik unter¬
gelegt, hier die Einrichtung Geminianis für das Original gehalten. Die Ver¬
besserungen hätten aber gut und gern weiter gehn und unsre heutige Kenntnis von
Accompagnement und Verzierung, von Besetzung, Vortrag und Behandlung alter Musik
überhaupt berücksichtigen können. In der Gleichgiltigkeit gegen solche Lebensfragen
war Wasielewski durchaus moderner Musiker. Im übrigen hat sich der Heraus¬
geber bemüht, die seit dem Tode des Verfassers hinzngekommne Literatur so ein¬
zuarbeiten, daß vielleicht mit Ausnahme der neuesten Arbeiten über Gasparo ti
Sais (P. Bettoni und M. Butturiui) und A. Scherings Geschichte des Jnstrumental-
konzerts Wesentliches nicht zu vermissen bleibt. Sehr ist der neuesten Auflage
Brenets Geschichte der Konzerte in Frankreich zustatten gekommen; durch sie hat
die Darstellung der neuern Zeit, die von Anfang an das Buch Wasielewskis in
Gang gebracht und bis heute gehalten hat, bedeutend an Lebendigkeit gewonnen.
Daß aber much in diesem Teile noch manches zu verbessern wäre, darf nicht ver¬
schwiegen werden. Etwas unfreundlich wird zum Beispiel Ferdinand David be¬
handelt, auffallend flüchtig Friedrich Hegar, von dessen Kompositionen "ein Ora¬
torium und ein Violinkonzert" erwähnt werden, während der Männerchöre, die
Hegars Namen in alle Welt getragen haben, gar nicht gedacht ist.

Als einen weitern Beitrag systematischen Charakters schließen wir an die beiden
geschichtlichen Werke ein kleines Buch des französischen Komponisten Camillo
Se. Säens, das mit dem Titel: Harmonie und Melodie soeben zum zweiten¬
mal in deutscher Übersetzung (von Dr. Wilhelm Kleefeld) vorgelegt wird. (Berlin.
Verlagsgesellschaft Harmonie.) Es ist eine Sammlung kurzer Essays, als deren
Hauptstück der Autor einen Anfsntz angesehen zu haben scheint, der von den etwas
törichte" Bemerkungen aus, die der sonst geistreiche Stendhal über das Verhältnis
der Melodie zur Harmonie gemacht hat. es unternimmt. Wesen. Knlturbedeutung
und Ansehen der Musik einer Untersuchung zu unterziehn. Die Aufgabe wird inner-
halb 28 Seiten beendet, erschöpfend allerdings nicht. Denn Se. Säens behandelt wie
dieses much seine andern Themen nicht als Dozent, sondern als Causeur. Darm
Uegt der Reiz und zugleich die Gefahr des Buches. Leser, die mit Kritik folgen
können, werden ihm manche Anregung verdanken, andern wird es den Kopf ver¬
wirren, weil das Temperament des Autors viel stärker ist als seine Bildung. Immer
gleich bleibt er sich in der Offenheit und Unbefangenheit, mit der er seine An¬
sichten ausspricht, seien sie nun falsch oder richtig. Da erklärt er denn ohne
weiteres die Aufführungen Bachscher und Händelscher Werke für "eine Schimäre",
aber mit demselben Mut stellt er dem gegenwärtigen Berliozkultus Rmneau als
den größten Musiker entgegen, den Frankreich gehabt hat. Unverkennbar liegt allen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

wollte, wo er die „Dafne" gesehen hat. Wir andern wissen nur, daß sie verloren
ist. In solchen Dilettantismen geht es weiter. Wir haben bis Seite 36 stand
gehalten, wo Dittersdorfs Sinfonien zu Ovids „Metamorphosen" als die „Anfange
der Programmnmsik" ausgegeben werden, uns dann aber mit einer summarischen
Durchsicht dieser „Beiträge" usw. begnügt.

Eine weit bessere systematische Arbeit ist I. v. Wasielewskis Buch über
Die Violine und ihre Meister. Es würde sonst nicht in einer vierten Auf¬
lage vorgelegt werden können. (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Wasielewski
hat sich mit Methode und Ernst um Vollständigkeit des Materials bemüht; der
Leser kann sich infolgedessen darauf verlassen, in dem Buche die zur Geschichte der
Violine, der Violinkomposition und des Violinspiels gehörenden Hauptdaten alle zu
finden. Im Urteil darf man sich allerdings dem Verfasser nnr mit Vorsicht anver¬
trauen: für die ältern Zeiten gebrichts ihm an geschichtlichem Sinn sowie um Gründ¬
lichkeit. Dieser Sachverhalt scheint dein Herausgeber der neuesten Auflage fremd
gewesen zu sein; andernfalls würde er zum mindesten die Schilderungen von
Farinas LaMi-ioeio stM^ante. und von Corellis voueoiti ^rossi verbessert haben.
Dort hat Wasielewski einer harmlosen Suite wegen einiger ungezwungen einge¬
mischter Tonmalereien den Charakter einer herausfordernden Programmmusik unter¬
gelegt, hier die Einrichtung Geminianis für das Original gehalten. Die Ver¬
besserungen hätten aber gut und gern weiter gehn und unsre heutige Kenntnis von
Accompagnement und Verzierung, von Besetzung, Vortrag und Behandlung alter Musik
überhaupt berücksichtigen können. In der Gleichgiltigkeit gegen solche Lebensfragen
war Wasielewski durchaus moderner Musiker. Im übrigen hat sich der Heraus¬
geber bemüht, die seit dem Tode des Verfassers hinzngekommne Literatur so ein¬
zuarbeiten, daß vielleicht mit Ausnahme der neuesten Arbeiten über Gasparo ti
Sais (P. Bettoni und M. Butturiui) und A. Scherings Geschichte des Jnstrumental-
konzerts Wesentliches nicht zu vermissen bleibt. Sehr ist der neuesten Auflage
Brenets Geschichte der Konzerte in Frankreich zustatten gekommen; durch sie hat
die Darstellung der neuern Zeit, die von Anfang an das Buch Wasielewskis in
Gang gebracht und bis heute gehalten hat, bedeutend an Lebendigkeit gewonnen.
Daß aber much in diesem Teile noch manches zu verbessern wäre, darf nicht ver¬
schwiegen werden. Etwas unfreundlich wird zum Beispiel Ferdinand David be¬
handelt, auffallend flüchtig Friedrich Hegar, von dessen Kompositionen „ein Ora¬
torium und ein Violinkonzert" erwähnt werden, während der Männerchöre, die
Hegars Namen in alle Welt getragen haben, gar nicht gedacht ist.

Als einen weitern Beitrag systematischen Charakters schließen wir an die beiden
geschichtlichen Werke ein kleines Buch des französischen Komponisten Camillo
Se. Säens, das mit dem Titel: Harmonie und Melodie soeben zum zweiten¬
mal in deutscher Übersetzung (von Dr. Wilhelm Kleefeld) vorgelegt wird. (Berlin.
Verlagsgesellschaft Harmonie.) Es ist eine Sammlung kurzer Essays, als deren
Hauptstück der Autor einen Anfsntz angesehen zu haben scheint, der von den etwas
törichte» Bemerkungen aus, die der sonst geistreiche Stendhal über das Verhältnis
der Melodie zur Harmonie gemacht hat. es unternimmt. Wesen. Knlturbedeutung
und Ansehen der Musik einer Untersuchung zu unterziehn. Die Aufgabe wird inner-
halb 28 Seiten beendet, erschöpfend allerdings nicht. Denn Se. Säens behandelt wie
dieses much seine andern Themen nicht als Dozent, sondern als Causeur. Darm
Uegt der Reiz und zugleich die Gefahr des Buches. Leser, die mit Kritik folgen
können, werden ihm manche Anregung verdanken, andern wird es den Kopf ver¬
wirren, weil das Temperament des Autors viel stärker ist als seine Bildung. Immer
gleich bleibt er sich in der Offenheit und Unbefangenheit, mit der er seine An¬
sichten ausspricht, seien sie nun falsch oder richtig. Da erklärt er denn ohne
weiteres die Aufführungen Bachscher und Händelscher Werke für „eine Schimäre",
aber mit demselben Mut stellt er dem gegenwärtigen Berliozkultus Rmneau als
den größten Musiker entgegen, den Frankreich gehabt hat. Unverkennbar liegt allen


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[0569] Maßgebliches und Unmaßgebliches wollte, wo er die „Dafne" gesehen hat. Wir andern wissen nur, daß sie verloren ist. In solchen Dilettantismen geht es weiter. Wir haben bis Seite 36 stand gehalten, wo Dittersdorfs Sinfonien zu Ovids „Metamorphosen" als die „Anfange der Programmnmsik" ausgegeben werden, uns dann aber mit einer summarischen Durchsicht dieser „Beiträge" usw. begnügt. Eine weit bessere systematische Arbeit ist I. v. Wasielewskis Buch über Die Violine und ihre Meister. Es würde sonst nicht in einer vierten Auf¬ lage vorgelegt werden können. (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Wasielewski hat sich mit Methode und Ernst um Vollständigkeit des Materials bemüht; der Leser kann sich infolgedessen darauf verlassen, in dem Buche die zur Geschichte der Violine, der Violinkomposition und des Violinspiels gehörenden Hauptdaten alle zu finden. Im Urteil darf man sich allerdings dem Verfasser nnr mit Vorsicht anver¬ trauen: für die ältern Zeiten gebrichts ihm an geschichtlichem Sinn sowie um Gründ¬ lichkeit. Dieser Sachverhalt scheint dein Herausgeber der neuesten Auflage fremd gewesen zu sein; andernfalls würde er zum mindesten die Schilderungen von Farinas LaMi-ioeio stM^ante. und von Corellis voueoiti ^rossi verbessert haben. Dort hat Wasielewski einer harmlosen Suite wegen einiger ungezwungen einge¬ mischter Tonmalereien den Charakter einer herausfordernden Programmmusik unter¬ gelegt, hier die Einrichtung Geminianis für das Original gehalten. Die Ver¬ besserungen hätten aber gut und gern weiter gehn und unsre heutige Kenntnis von Accompagnement und Verzierung, von Besetzung, Vortrag und Behandlung alter Musik überhaupt berücksichtigen können. In der Gleichgiltigkeit gegen solche Lebensfragen war Wasielewski durchaus moderner Musiker. Im übrigen hat sich der Heraus¬ geber bemüht, die seit dem Tode des Verfassers hinzngekommne Literatur so ein¬ zuarbeiten, daß vielleicht mit Ausnahme der neuesten Arbeiten über Gasparo ti Sais (P. Bettoni und M. Butturiui) und A. Scherings Geschichte des Jnstrumental- konzerts Wesentliches nicht zu vermissen bleibt. Sehr ist der neuesten Auflage Brenets Geschichte der Konzerte in Frankreich zustatten gekommen; durch sie hat die Darstellung der neuern Zeit, die von Anfang an das Buch Wasielewskis in Gang gebracht und bis heute gehalten hat, bedeutend an Lebendigkeit gewonnen. Daß aber much in diesem Teile noch manches zu verbessern wäre, darf nicht ver¬ schwiegen werden. Etwas unfreundlich wird zum Beispiel Ferdinand David be¬ handelt, auffallend flüchtig Friedrich Hegar, von dessen Kompositionen „ein Ora¬ torium und ein Violinkonzert" erwähnt werden, während der Männerchöre, die Hegars Namen in alle Welt getragen haben, gar nicht gedacht ist. Als einen weitern Beitrag systematischen Charakters schließen wir an die beiden geschichtlichen Werke ein kleines Buch des französischen Komponisten Camillo Se. Säens, das mit dem Titel: Harmonie und Melodie soeben zum zweiten¬ mal in deutscher Übersetzung (von Dr. Wilhelm Kleefeld) vorgelegt wird. (Berlin. Verlagsgesellschaft Harmonie.) Es ist eine Sammlung kurzer Essays, als deren Hauptstück der Autor einen Anfsntz angesehen zu haben scheint, der von den etwas törichte» Bemerkungen aus, die der sonst geistreiche Stendhal über das Verhältnis der Melodie zur Harmonie gemacht hat. es unternimmt. Wesen. Knlturbedeutung und Ansehen der Musik einer Untersuchung zu unterziehn. Die Aufgabe wird inner- halb 28 Seiten beendet, erschöpfend allerdings nicht. Denn Se. Säens behandelt wie dieses much seine andern Themen nicht als Dozent, sondern als Causeur. Darm Uegt der Reiz und zugleich die Gefahr des Buches. Leser, die mit Kritik folgen können, werden ihm manche Anregung verdanken, andern wird es den Kopf ver¬ wirren, weil das Temperament des Autors viel stärker ist als seine Bildung. Immer gleich bleibt er sich in der Offenheit und Unbefangenheit, mit der er seine An¬ sichten ausspricht, seien sie nun falsch oder richtig. Da erklärt er denn ohne weiteres die Aufführungen Bachscher und Händelscher Werke für „eine Schimäre", aber mit demselben Mut stellt er dem gegenwärtigen Berliozkultus Rmneau als den größten Musiker entgegen, den Frankreich gehabt hat. Unverkennbar liegt allen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/569>, abgerufen am 27.08.2024.