Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Der dritte Panamerikanische Aongreß und die Dragodoktrin ihrer Bedeutung uach den ganzen Kontinent unter Aufsicht und Vormundschaft Wenn einsichtige Staatsmänner Südamerikas gegen die nordamerikanischen Die Vorberatungen über das Arbeitsprogramm dieser panamerikanischen Der gleichzeitige Versuch der Vereinigten Staaten, in der lusobrasilianischen So ist es denn nicht zu verwundern, daß man in Brasilien die Drago¬ Der dritte Panamerikanische Aongreß und die Dragodoktrin ihrer Bedeutung uach den ganzen Kontinent unter Aufsicht und Vormundschaft Wenn einsichtige Staatsmänner Südamerikas gegen die nordamerikanischen Die Vorberatungen über das Arbeitsprogramm dieser panamerikanischen Der gleichzeitige Versuch der Vereinigten Staaten, in der lusobrasilianischen So ist es denn nicht zu verwundern, daß man in Brasilien die Drago¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299457"/> <fw type="header" place="top"> Der dritte Panamerikanische Aongreß und die Dragodoktrin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1878" prev="#ID_1877"> ihrer Bedeutung uach den ganzen Kontinent unter Aufsicht und Vormundschaft<lb/> der Vereinigten Staaten stellen. Und bei alledem gibt es in Latino-Amerika<lb/> noch Leute, die über eine deutsche Gefahr schreien!</p><lb/> <p xml:id="ID_1879"> Wenn einsichtige Staatsmänner Südamerikas gegen die nordamerikanischen<lb/> Absorptionstendeuzen Front zu machen beginnen, so kann dies nur als ein<lb/> Zeichen des erwachenden Selbstbewußtseins aufgefaßt werden. Nicht nur Castro<lb/> in Venezuela, nein so ziemlich alle südamerikanischen Republiken haben mehr<lb/> oder minder kräftig und deutlich gegen die Absichten Roosevelts protestiert.<lb/> Die Note Dragos aber will den Republiken das Recht auf Selbstbestimmung<lb/> ihrer Schicksale revindizieren. Das Widerstreben der Vereinigten Staaten,<lb/> ihren Inhalt als Beratungsgegenstcmd auf dem nächsten panamerikanischen<lb/> Kongreß zuzulassen, wird in seinen Gründen trotz allen Verschleierungsversuchen<lb/> leicht erkennbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1880"> Die Vorberatungen über das Arbeitsprogramm dieser panamerikanischen<lb/> Konferenz finden in Washington statt, wo die diplomatischen Vertreter aller<lb/> amerikanischen Nationen residieren. Die Vereinigten Staaten sind bemüht, die<lb/> zwischen südamerikanischen Mächten vorhandnen Rivalitäten nach einer be¬<lb/> stimmten Richtung hin auszunutzen und auszubeuten, und bemühen sich ganz<lb/> besonders um Brasilien, dessen Minister des Äußern, Baron de Rio Branco,<lb/> einer der gewiegtesten Diplomaten unsrer Zeit ist und die Verlegenheiten der<lb/> Vereinigten Staaten für sein Land fruchtbringend zu machen sucht, indem er<lb/> eine Vermittlerrolle spielt, die Brasilien erhöhtes Ansehen verschafft. Der<lb/> Gesandte Brasiliens in Washington und der der Vereinigten Staaten zu Rio<lb/> de Janeiro wurden zum Range von Botschaftern erhoben. Kein andres süd¬<lb/> amerikanisches Land hat einen Vertreter dieses Ranges in Washington, und<lb/> damit wird gewissermaßen dokumentiert, daß Brasilien die erste oder Vormacht<lb/> Südamerikas sei. Mexiko hat allerdings ebenfalls einen Botschafter in Washington,<lb/> während in seiner Hauptstadt ein amerikanischer Botschafter akkreditiert ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1881"> Der gleichzeitige Versuch der Vereinigten Staaten, in der lusobrasilianischen<lb/> Presse Propaganda für die Erweiterung der Monroedoktrin und den Pan-<lb/> amcrikauismus zu machen, bei gleichzeitiger Verdächtigung der Kolonialpolitik<lb/> einiger europäischer Mächte, besonders des Deutschen Reiches, hat jedoch seinen<lb/> Zweck, die Aufmerksamkeit nach einer bestimmten Richtung hin abzulenken und<lb/> die Vereinigten Staaten als Beschützer Allamerikas hinzustellen, nur sehr un¬<lb/> vollkommen erreicht. Das an die Wand gemalte Phantom der deutschen Ge¬<lb/> fahr hat die nordamerikanische Gefahr, die denn doch schon zu deutlich und<lb/> fühlbar heraufzieht, nicht in Vergessenheit gebracht. Dagegen herrscht Ver¬<lb/> wirrung der Begriffe von der Monroedoktrin und der panamerikanischen Idee,<lb/> wie sie von den Vereinigten Staaten verstanden wird. Joaquim Nabuco, der<lb/> brasilianische Botschafter in Washington, hat diese Verwirrung vermehren helfen,<lb/> indem er bei jeder Gelegenheit mit echt südländischem Feuer seiner Begeisterung<lb/> für die Vereinigten Staaten und die Politik Roosevelts öffentlichen Ausdruck<lb/> verliehen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1882" next="#ID_1883"> So ist es denn nicht zu verwundern, daß man in Brasilien die Drago¬<lb/> doktrin in dem Sinne aufzufassen Neigung zeigt, der den Vereinigten Staaten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
Der dritte Panamerikanische Aongreß und die Dragodoktrin
ihrer Bedeutung uach den ganzen Kontinent unter Aufsicht und Vormundschaft
der Vereinigten Staaten stellen. Und bei alledem gibt es in Latino-Amerika
noch Leute, die über eine deutsche Gefahr schreien!
Wenn einsichtige Staatsmänner Südamerikas gegen die nordamerikanischen
Absorptionstendeuzen Front zu machen beginnen, so kann dies nur als ein
Zeichen des erwachenden Selbstbewußtseins aufgefaßt werden. Nicht nur Castro
in Venezuela, nein so ziemlich alle südamerikanischen Republiken haben mehr
oder minder kräftig und deutlich gegen die Absichten Roosevelts protestiert.
Die Note Dragos aber will den Republiken das Recht auf Selbstbestimmung
ihrer Schicksale revindizieren. Das Widerstreben der Vereinigten Staaten,
ihren Inhalt als Beratungsgegenstcmd auf dem nächsten panamerikanischen
Kongreß zuzulassen, wird in seinen Gründen trotz allen Verschleierungsversuchen
leicht erkennbar.
Die Vorberatungen über das Arbeitsprogramm dieser panamerikanischen
Konferenz finden in Washington statt, wo die diplomatischen Vertreter aller
amerikanischen Nationen residieren. Die Vereinigten Staaten sind bemüht, die
zwischen südamerikanischen Mächten vorhandnen Rivalitäten nach einer be¬
stimmten Richtung hin auszunutzen und auszubeuten, und bemühen sich ganz
besonders um Brasilien, dessen Minister des Äußern, Baron de Rio Branco,
einer der gewiegtesten Diplomaten unsrer Zeit ist und die Verlegenheiten der
Vereinigten Staaten für sein Land fruchtbringend zu machen sucht, indem er
eine Vermittlerrolle spielt, die Brasilien erhöhtes Ansehen verschafft. Der
Gesandte Brasiliens in Washington und der der Vereinigten Staaten zu Rio
de Janeiro wurden zum Range von Botschaftern erhoben. Kein andres süd¬
amerikanisches Land hat einen Vertreter dieses Ranges in Washington, und
damit wird gewissermaßen dokumentiert, daß Brasilien die erste oder Vormacht
Südamerikas sei. Mexiko hat allerdings ebenfalls einen Botschafter in Washington,
während in seiner Hauptstadt ein amerikanischer Botschafter akkreditiert ist.
Der gleichzeitige Versuch der Vereinigten Staaten, in der lusobrasilianischen
Presse Propaganda für die Erweiterung der Monroedoktrin und den Pan-
amcrikauismus zu machen, bei gleichzeitiger Verdächtigung der Kolonialpolitik
einiger europäischer Mächte, besonders des Deutschen Reiches, hat jedoch seinen
Zweck, die Aufmerksamkeit nach einer bestimmten Richtung hin abzulenken und
die Vereinigten Staaten als Beschützer Allamerikas hinzustellen, nur sehr un¬
vollkommen erreicht. Das an die Wand gemalte Phantom der deutschen Ge¬
fahr hat die nordamerikanische Gefahr, die denn doch schon zu deutlich und
fühlbar heraufzieht, nicht in Vergessenheit gebracht. Dagegen herrscht Ver¬
wirrung der Begriffe von der Monroedoktrin und der panamerikanischen Idee,
wie sie von den Vereinigten Staaten verstanden wird. Joaquim Nabuco, der
brasilianische Botschafter in Washington, hat diese Verwirrung vermehren helfen,
indem er bei jeder Gelegenheit mit echt südländischem Feuer seiner Begeisterung
für die Vereinigten Staaten und die Politik Roosevelts öffentlichen Ausdruck
verliehen hat.
So ist es denn nicht zu verwundern, daß man in Brasilien die Drago¬
doktrin in dem Sinne aufzufassen Neigung zeigt, der den Vereinigten Staaten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |