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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Aus der Briefmappe des Reichskanzlers

in den Neichslanden gehn der Landesausschuß, die elsüssischm und die loth¬
ringischen Gruppen des Reichstags mit Sympathiekundgebungen voran.

Die Parteigegensütze, die am Tage des Unfalls selbst im Reichstage ver¬
wischt waren, wie auch durch mündliche Äußerungen von Abgeordneten aller
Richtungen bezeugt worden ist, schweigen gegenüber den gemeinsamen rein
menschlichen oder patriotischen Empfindungen. In den Mappen des Reichs¬
kanzlers finden sich warmherzige Zeilen von Abgeordneten aller bürgerlichen
Parteien, Konservative, Liberale, Zcntrumsleute bunt gemischt. Bemerkens¬
wert ist ein Schreiben des Präsidenten der bayrischen Kammer der Abge¬
ordneten, Dr. von Orterer, das mit den Worten schließt: "Ich bin von
der Überzeugung durchdrungen, daß alle meine verehrten Kollegen in der
bayrischen Kammer der Abgeordneten mit mir von dem lebhaftesten Wunsche
beseelt sind, daß die unermüdlichen, dem Wohle unsers deutschen Vaterlandes
so ersprießlich dienenden Kräfte Seiner Durchlaucht bald wieder vollständig
hergestellt sein mögen."

Der in Wiesbaden schwer krank daniederliegende Graf Reventlow, der im
Reichstage manches scharfe Wort über unsre auswärtige Politik gesprochen
hat, diktierte auf die Nachricht von dem Unfall des Kanzlers ein von der
tiefsten Bewegung zeugendes Schreiben an den Fürsten, das dem Absender
und dem Empfänger gleiche Ehre macht.

Unzählig sind die Äußerungen des ganz Europa umfassenden Freundes¬
kreises. Wenn man diese Telegramme und Briefe durchblättert, ist man geradezu
verblüfft von der Fülle der persönlichen Beziehungen, die von dem Fürsten Bülow
aufrecht erhalten werden. Hier mögen einige dieser intimen Kundgebungen Platz
finden. Zunächst ein Brief von Ernst von Wildenbruch vom


Hochzuvcrehrender, hoch und innigst verehrter Herr,

im Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Menschheit liegt es begründet, das
Gefühl, daß wenn Menschen sich zusammentun zu einem großen, leidenschaft¬
lichen Wunsche, sie die unsichtbar über unserm Schicksal waltende Macht zwingen
können, dem Wunsche Gewährung zu leihen. Alle, denen Deutschlands Wohl
am Herzen liegt -- und ihrer sind, Gott sei Dank, viele, viele --, finden sich
heute, im Hinblick auf Eurer Durchlaucht morgigen Geburtstag, in einem einzigen
Gedanken, einem tiefen, heißen Wunsche zusammen: Gott gebe unserm Reichs¬
kanzler Kraft und volle Gesundheit wieder!

Einem von diesen vielen sei es gestattet, Eurer Durchlaucht das auszu¬
sprechen, Ihrem in unwandelbarer Verehrung ergebner


(gez.) Ernst von Wildenbruch

Sodann ein Schreiben von Adolf Wilbrcmdt:


Lieber, Verehrtester Freund,

in ganz besondrer Bewegung beglückwünsche ich Sie diesmal zum dritten Mai
und rufe alleu Segen, den sie da oben haben, auf Ihr kommendes Jahr und
dessen Erben herab. Ihre herrliche Natur, denk ich, hat diesen schweren Jn-
fluenzacmfall, dem Sie so heroisch Trotz boten, gründlich überwunden. Nun
kommt, hoff ich, Ihnen und uns für alle Folgezeit zugute, daß Sie durch den


Aus der Briefmappe des Reichskanzlers

in den Neichslanden gehn der Landesausschuß, die elsüssischm und die loth¬
ringischen Gruppen des Reichstags mit Sympathiekundgebungen voran.

Die Parteigegensütze, die am Tage des Unfalls selbst im Reichstage ver¬
wischt waren, wie auch durch mündliche Äußerungen von Abgeordneten aller
Richtungen bezeugt worden ist, schweigen gegenüber den gemeinsamen rein
menschlichen oder patriotischen Empfindungen. In den Mappen des Reichs¬
kanzlers finden sich warmherzige Zeilen von Abgeordneten aller bürgerlichen
Parteien, Konservative, Liberale, Zcntrumsleute bunt gemischt. Bemerkens¬
wert ist ein Schreiben des Präsidenten der bayrischen Kammer der Abge¬
ordneten, Dr. von Orterer, das mit den Worten schließt: „Ich bin von
der Überzeugung durchdrungen, daß alle meine verehrten Kollegen in der
bayrischen Kammer der Abgeordneten mit mir von dem lebhaftesten Wunsche
beseelt sind, daß die unermüdlichen, dem Wohle unsers deutschen Vaterlandes
so ersprießlich dienenden Kräfte Seiner Durchlaucht bald wieder vollständig
hergestellt sein mögen."

Der in Wiesbaden schwer krank daniederliegende Graf Reventlow, der im
Reichstage manches scharfe Wort über unsre auswärtige Politik gesprochen
hat, diktierte auf die Nachricht von dem Unfall des Kanzlers ein von der
tiefsten Bewegung zeugendes Schreiben an den Fürsten, das dem Absender
und dem Empfänger gleiche Ehre macht.

Unzählig sind die Äußerungen des ganz Europa umfassenden Freundes¬
kreises. Wenn man diese Telegramme und Briefe durchblättert, ist man geradezu
verblüfft von der Fülle der persönlichen Beziehungen, die von dem Fürsten Bülow
aufrecht erhalten werden. Hier mögen einige dieser intimen Kundgebungen Platz
finden. Zunächst ein Brief von Ernst von Wildenbruch vom


Hochzuvcrehrender, hoch und innigst verehrter Herr,

im Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Menschheit liegt es begründet, das
Gefühl, daß wenn Menschen sich zusammentun zu einem großen, leidenschaft¬
lichen Wunsche, sie die unsichtbar über unserm Schicksal waltende Macht zwingen
können, dem Wunsche Gewährung zu leihen. Alle, denen Deutschlands Wohl
am Herzen liegt — und ihrer sind, Gott sei Dank, viele, viele —, finden sich
heute, im Hinblick auf Eurer Durchlaucht morgigen Geburtstag, in einem einzigen
Gedanken, einem tiefen, heißen Wunsche zusammen: Gott gebe unserm Reichs¬
kanzler Kraft und volle Gesundheit wieder!

Einem von diesen vielen sei es gestattet, Eurer Durchlaucht das auszu¬
sprechen, Ihrem in unwandelbarer Verehrung ergebner


(gez.) Ernst von Wildenbruch

Sodann ein Schreiben von Adolf Wilbrcmdt:


Lieber, Verehrtester Freund,

in ganz besondrer Bewegung beglückwünsche ich Sie diesmal zum dritten Mai
und rufe alleu Segen, den sie da oben haben, auf Ihr kommendes Jahr und
dessen Erben herab. Ihre herrliche Natur, denk ich, hat diesen schweren Jn-
fluenzacmfall, dem Sie so heroisch Trotz boten, gründlich überwunden. Nun
kommt, hoff ich, Ihnen und uns für alle Folgezeit zugute, daß Sie durch den


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[0358] Aus der Briefmappe des Reichskanzlers in den Neichslanden gehn der Landesausschuß, die elsüssischm und die loth¬ ringischen Gruppen des Reichstags mit Sympathiekundgebungen voran. Die Parteigegensütze, die am Tage des Unfalls selbst im Reichstage ver¬ wischt waren, wie auch durch mündliche Äußerungen von Abgeordneten aller Richtungen bezeugt worden ist, schweigen gegenüber den gemeinsamen rein menschlichen oder patriotischen Empfindungen. In den Mappen des Reichs¬ kanzlers finden sich warmherzige Zeilen von Abgeordneten aller bürgerlichen Parteien, Konservative, Liberale, Zcntrumsleute bunt gemischt. Bemerkens¬ wert ist ein Schreiben des Präsidenten der bayrischen Kammer der Abge¬ ordneten, Dr. von Orterer, das mit den Worten schließt: „Ich bin von der Überzeugung durchdrungen, daß alle meine verehrten Kollegen in der bayrischen Kammer der Abgeordneten mit mir von dem lebhaftesten Wunsche beseelt sind, daß die unermüdlichen, dem Wohle unsers deutschen Vaterlandes so ersprießlich dienenden Kräfte Seiner Durchlaucht bald wieder vollständig hergestellt sein mögen." Der in Wiesbaden schwer krank daniederliegende Graf Reventlow, der im Reichstage manches scharfe Wort über unsre auswärtige Politik gesprochen hat, diktierte auf die Nachricht von dem Unfall des Kanzlers ein von der tiefsten Bewegung zeugendes Schreiben an den Fürsten, das dem Absender und dem Empfänger gleiche Ehre macht. Unzählig sind die Äußerungen des ganz Europa umfassenden Freundes¬ kreises. Wenn man diese Telegramme und Briefe durchblättert, ist man geradezu verblüfft von der Fülle der persönlichen Beziehungen, die von dem Fürsten Bülow aufrecht erhalten werden. Hier mögen einige dieser intimen Kundgebungen Platz finden. Zunächst ein Brief von Ernst von Wildenbruch vom Hochzuvcrehrender, hoch und innigst verehrter Herr, im Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Menschheit liegt es begründet, das Gefühl, daß wenn Menschen sich zusammentun zu einem großen, leidenschaft¬ lichen Wunsche, sie die unsichtbar über unserm Schicksal waltende Macht zwingen können, dem Wunsche Gewährung zu leihen. Alle, denen Deutschlands Wohl am Herzen liegt — und ihrer sind, Gott sei Dank, viele, viele —, finden sich heute, im Hinblick auf Eurer Durchlaucht morgigen Geburtstag, in einem einzigen Gedanken, einem tiefen, heißen Wunsche zusammen: Gott gebe unserm Reichs¬ kanzler Kraft und volle Gesundheit wieder! Einem von diesen vielen sei es gestattet, Eurer Durchlaucht das auszu¬ sprechen, Ihrem in unwandelbarer Verehrung ergebner (gez.) Ernst von Wildenbruch Sodann ein Schreiben von Adolf Wilbrcmdt: Lieber, Verehrtester Freund, in ganz besondrer Bewegung beglückwünsche ich Sie diesmal zum dritten Mai und rufe alleu Segen, den sie da oben haben, auf Ihr kommendes Jahr und dessen Erben herab. Ihre herrliche Natur, denk ich, hat diesen schweren Jn- fluenzacmfall, dem Sie so heroisch Trotz boten, gründlich überwunden. Nun kommt, hoff ich, Ihnen und uns für alle Folgezeit zugute, daß Sie durch den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/358>, abgerufen am 04.07.2024.