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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Line französische Uriegsphantasie

sti'ltzung der Besatzung von Elsaß-Lothringen bestimmt, im Dienst behalten
morden seien. Vor dem Hotel der deutschen Gesandtschaft stehn zahlreiche
Wagen, die das Gepäck aufladen. Das Kriegsministerium ist hell erleuchtet.

25. Oktober. General Langeroy begibt sich nach dem Kriegsministerium,
wo jetzt General Brcmgere über die Verwendung der Offiziere entscheidet; er
will erfahren, welche Stellung ihm übertragen werden wird. Man sagt ihm,
daß sich der Generalissimus mit seinem Stäbe nach dem Eiffelturm begeben
habe. Der General folgt ihm dahin und erfährt zunächst durch einen Ordonnanz¬
offizier, daß heute früh die Nachricht eingelaufen sei, daß die Spitzen des
sechzehnten und des achten deutschen Korps Etain und Longuhon mit vier
Belagerungsparks erreicht hätten, das Jägerbataillon von Longwy sei gestern
bei Artenay überfallen und gefangen genommen worden, nachdem es vier
Stunden gegen fttnfzigfache Übermacht standgehalten hätte. Den General
Braugere trifft er im obersten Gelaß des Eiffelturms, wohin er sich mit seinem
Stabschef, General de la Barre, zurückgezogen hat. Er begrüßt mich, erzählt
General Langeroh weiter, zu meiner größten Überraschung mit den Worten:
Guten Morgen, kommandierender General der Armee von Dijon! Auf meine
erstaunte Frage antwortet er: Ja, deine Ernennung ist soeben vom Präsidenten
der Republik unterzeichnet worden, bleibt aber während vierzehn Tagen noch
geheim. -- Und die Armee von Dijon? -- Sie ist nicht im bisherigen Mobil-
machnngsplan vorgesehen; dies bietet eine Garantie dafür, daß die Spione ihre
Formierung nicht kennen. Wenn uns das Glück begünstigt, wird die Armee
den Namen Armee vom Elsaß erhalten. Vorläufig mußt du noch warten, und
wenn du Lust hast, kannst du mich begleiten. Ich werde glücklich sein, dich an
meiner Seite zu haben. Morgen bricht das große Hauptquartier nach dem
Lager von Chälons auf. -- Plötzlich ertönt ein Glockenzeichen, und einem
Apparat entrollt ein Papierstreifen, auf dem zu lesen ist: "Rauch 9^ Uhr.
11. Division räumt Plateau von Malzeville, zieht sich nach dem Walde la Haye
zurück; feindliche Avantgarde von Chateau-Salms gekommen, zählt mehr als
30000 Mann, 60 Batterien." -- General Brcmgere überlegt einen Augenblick
und begibt sich nach einer Klaviatur, deren Elfenbeintasten die Namen der
hauptsächlichsten Festungen tragen. Er drückt die den Namen Toul führende
nieder. Eine Glocke ertönt, und der General spricht ins Telephon: Sind Sie
es, Mcmgin? (Mcmgin kommandiert das zwanzigste Korps.) Vollständige
Räumung von Rauch gemäß Order 41V.

So wird mit einem Worte über die Aufgabe von Rauch entschieden. --
Man mußte darauf vorbereitet sein, und es war demnach richtig, im voraus
alle Maßnahmen zu treffen. Ich habe immer gegen die Torheit protestiert,
Rauch zu befestigen. Die einzige richtige Art, die große lothringische Stadt
ZU befestigen, ist, sich jederzeit zur Offensive bereit zu halten.

Bei dieser Gelegenheit machte General Brcmgere einige Angaben über
seinen Aufenthalt auf dem Eiffelturm. Er sei hier, sagte er, an der Quelle der
drahtlosen Telegraphie, die ihn mit allen Forts verbinde und zugleich möglichst
weit entferne von allen äußerlichen Einflüssen, Anfragen usw. und unerreichbar
fiir Unberufne und Aufgeregte. Ebenso sei es für seine Offiziere und Sekretäre.


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sti'ltzung der Besatzung von Elsaß-Lothringen bestimmt, im Dienst behalten
morden seien. Vor dem Hotel der deutschen Gesandtschaft stehn zahlreiche
Wagen, die das Gepäck aufladen. Das Kriegsministerium ist hell erleuchtet.

25. Oktober. General Langeroy begibt sich nach dem Kriegsministerium,
wo jetzt General Brcmgere über die Verwendung der Offiziere entscheidet; er
will erfahren, welche Stellung ihm übertragen werden wird. Man sagt ihm,
daß sich der Generalissimus mit seinem Stäbe nach dem Eiffelturm begeben
habe. Der General folgt ihm dahin und erfährt zunächst durch einen Ordonnanz¬
offizier, daß heute früh die Nachricht eingelaufen sei, daß die Spitzen des
sechzehnten und des achten deutschen Korps Etain und Longuhon mit vier
Belagerungsparks erreicht hätten, das Jägerbataillon von Longwy sei gestern
bei Artenay überfallen und gefangen genommen worden, nachdem es vier
Stunden gegen fttnfzigfache Übermacht standgehalten hätte. Den General
Braugere trifft er im obersten Gelaß des Eiffelturms, wohin er sich mit seinem
Stabschef, General de la Barre, zurückgezogen hat. Er begrüßt mich, erzählt
General Langeroh weiter, zu meiner größten Überraschung mit den Worten:
Guten Morgen, kommandierender General der Armee von Dijon! Auf meine
erstaunte Frage antwortet er: Ja, deine Ernennung ist soeben vom Präsidenten
der Republik unterzeichnet worden, bleibt aber während vierzehn Tagen noch
geheim. — Und die Armee von Dijon? — Sie ist nicht im bisherigen Mobil-
machnngsplan vorgesehen; dies bietet eine Garantie dafür, daß die Spione ihre
Formierung nicht kennen. Wenn uns das Glück begünstigt, wird die Armee
den Namen Armee vom Elsaß erhalten. Vorläufig mußt du noch warten, und
wenn du Lust hast, kannst du mich begleiten. Ich werde glücklich sein, dich an
meiner Seite zu haben. Morgen bricht das große Hauptquartier nach dem
Lager von Chälons auf. — Plötzlich ertönt ein Glockenzeichen, und einem
Apparat entrollt ein Papierstreifen, auf dem zu lesen ist: „Rauch 9^ Uhr.
11. Division räumt Plateau von Malzeville, zieht sich nach dem Walde la Haye
zurück; feindliche Avantgarde von Chateau-Salms gekommen, zählt mehr als
30000 Mann, 60 Batterien." — General Brcmgere überlegt einen Augenblick
und begibt sich nach einer Klaviatur, deren Elfenbeintasten die Namen der
hauptsächlichsten Festungen tragen. Er drückt die den Namen Toul führende
nieder. Eine Glocke ertönt, und der General spricht ins Telephon: Sind Sie
es, Mcmgin? (Mcmgin kommandiert das zwanzigste Korps.) Vollständige
Räumung von Rauch gemäß Order 41V.

So wird mit einem Worte über die Aufgabe von Rauch entschieden. —
Man mußte darauf vorbereitet sein, und es war demnach richtig, im voraus
alle Maßnahmen zu treffen. Ich habe immer gegen die Torheit protestiert,
Rauch zu befestigen. Die einzige richtige Art, die große lothringische Stadt
ZU befestigen, ist, sich jederzeit zur Offensive bereit zu halten.

Bei dieser Gelegenheit machte General Brcmgere einige Angaben über
seinen Aufenthalt auf dem Eiffelturm. Er sei hier, sagte er, an der Quelle der
drahtlosen Telegraphie, die ihn mit allen Forts verbinde und zugleich möglichst
weit entferne von allen äußerlichen Einflüssen, Anfragen usw. und unerreichbar
fiir Unberufne und Aufgeregte. Ebenso sei es für seine Offiziere und Sekretäre.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/259>, abgerufen am 28.12.2024.