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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uninaßgebliches

Das dem Reichstage versprochn? Osterei: die Gewährung einer Entschädigung
an die Mitglieder ist, wenn auch nicht zu Ostern, so doch noch in den Osterferien
im Bundesrate zustande gekommen und ist der Gegenstand weitgehender Publizistischer
Erörterungen. Im ganzen entspricht der Inhalt den Andeutungen, die darüber seit
längerer Zeit in Umlauf waren und längst durch die Presse bekannt geworden sind.
In der Begründung der Vorlage ist jede politische Erwägung oder Berührung der
Prinzipienfrage sorgfältig vermieden worden. Da der Grundsatz einer Entschädigung
von den Regierungen einmal angenommen worden ist, liegt kaum ein Grund vor,
das Für und Wider noch in der Begründung abzuwägen, es wäre wohl auch nicht
ganz leicht gewesen, für eine so schwer wiegende Abänderung der Verfassung eine aus¬
reichende schriftliche "Begründung" zu entwerfen, zumal da wohl kaum eine der im
Bundesrate vertretnen Regierungen aus voller Überzeugung an die Sache geht.
Zu einer politischen Begründung müßte bis in die Verhandlungen, die der Er¬
richtung des Norddeutschen Bundes vorausgingen, und bis in die Zeiten der Ver-
sailler Vertrage zurückgegriffen werden, auch wäre bei dem Versuch einer politischen
Begründung der Vorlage vielleicht doch die eine oder die andre Regierung stutzig
geworden. Die vom Grafen Posadowsky als "Stellvertreter des Reichskanzlers"
gezeichnete Vorlage ist viel weniger eine Konzession der einzelnen Regierungen an
den Reichstag, zu der sie wohl nicht so leicht zu haben gewesen wären, als eine
Konzession an den Reichskanzler, der sich schließlich der Meinung des Grafen
Posadowsky angeschlossen hatte, daß sich das Versagen der parlamentarischen Reichs¬
maschine auf anderen Wege ohne große innere Schwierigkeiten, für die der Augenblick
nicht gegeben sei, nicht beseitigen lasse, daß er aber für die Fortdauer dieses Zu¬
standes die Verantwortung nicht länger übernehmen könne. Richter jeder politischen
Maßregel ist der Erfolg. Vorausgesetzt, daß das Gesetz überhaupt zustande kommt,
wird damit ein großes Prinzip aufgegeben und dem demokratischen Zuge der Zeit
ein gewaltiges Zugeständnis gemacht werden. Wirklich dem demokratischen? Oder
war der Gedanke, daß das höchste Ehrenamt der Nation unbesoldet und unentschädigt
sein müsse, nicht viel demokratischer?

Jedenfalls kommen wir damit ein großes Stück von dem Idealismus zurück, der
einst die Wiege des jungen Reiches umgab und in der Zusammensetzung des Reichs¬
"z* tags von 1867 bis zur Mitte der siebziger Jahre seinen Ausdruck fand.




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Maßgebliches und Uninaßgebliches

Das dem Reichstage versprochn? Osterei: die Gewährung einer Entschädigung
an die Mitglieder ist, wenn auch nicht zu Ostern, so doch noch in den Osterferien
im Bundesrate zustande gekommen und ist der Gegenstand weitgehender Publizistischer
Erörterungen. Im ganzen entspricht der Inhalt den Andeutungen, die darüber seit
längerer Zeit in Umlauf waren und längst durch die Presse bekannt geworden sind.
In der Begründung der Vorlage ist jede politische Erwägung oder Berührung der
Prinzipienfrage sorgfältig vermieden worden. Da der Grundsatz einer Entschädigung
von den Regierungen einmal angenommen worden ist, liegt kaum ein Grund vor,
das Für und Wider noch in der Begründung abzuwägen, es wäre wohl auch nicht
ganz leicht gewesen, für eine so schwer wiegende Abänderung der Verfassung eine aus¬
reichende schriftliche „Begründung" zu entwerfen, zumal da wohl kaum eine der im
Bundesrate vertretnen Regierungen aus voller Überzeugung an die Sache geht.
Zu einer politischen Begründung müßte bis in die Verhandlungen, die der Er¬
richtung des Norddeutschen Bundes vorausgingen, und bis in die Zeiten der Ver-
sailler Vertrage zurückgegriffen werden, auch wäre bei dem Versuch einer politischen
Begründung der Vorlage vielleicht doch die eine oder die andre Regierung stutzig
geworden. Die vom Grafen Posadowsky als „Stellvertreter des Reichskanzlers"
gezeichnete Vorlage ist viel weniger eine Konzession der einzelnen Regierungen an
den Reichstag, zu der sie wohl nicht so leicht zu haben gewesen wären, als eine
Konzession an den Reichskanzler, der sich schließlich der Meinung des Grafen
Posadowsky angeschlossen hatte, daß sich das Versagen der parlamentarischen Reichs¬
maschine auf anderen Wege ohne große innere Schwierigkeiten, für die der Augenblick
nicht gegeben sei, nicht beseitigen lasse, daß er aber für die Fortdauer dieses Zu¬
standes die Verantwortung nicht länger übernehmen könne. Richter jeder politischen
Maßregel ist der Erfolg. Vorausgesetzt, daß das Gesetz überhaupt zustande kommt,
wird damit ein großes Prinzip aufgegeben und dem demokratischen Zuge der Zeit
ein gewaltiges Zugeständnis gemacht werden. Wirklich dem demokratischen? Oder
war der Gedanke, daß das höchste Ehrenamt der Nation unbesoldet und unentschädigt
sein müsse, nicht viel demokratischer?

Jedenfalls kommen wir damit ein großes Stück von dem Idealismus zurück, der
einst die Wiege des jungen Reiches umgab und in der Zusammensetzung des Reichs¬
»z* tags von 1867 bis zur Mitte der siebziger Jahre seinen Ausdruck fand.




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[0234] Maßgebliches und Uninaßgebliches Das dem Reichstage versprochn? Osterei: die Gewährung einer Entschädigung an die Mitglieder ist, wenn auch nicht zu Ostern, so doch noch in den Osterferien im Bundesrate zustande gekommen und ist der Gegenstand weitgehender Publizistischer Erörterungen. Im ganzen entspricht der Inhalt den Andeutungen, die darüber seit längerer Zeit in Umlauf waren und längst durch die Presse bekannt geworden sind. In der Begründung der Vorlage ist jede politische Erwägung oder Berührung der Prinzipienfrage sorgfältig vermieden worden. Da der Grundsatz einer Entschädigung von den Regierungen einmal angenommen worden ist, liegt kaum ein Grund vor, das Für und Wider noch in der Begründung abzuwägen, es wäre wohl auch nicht ganz leicht gewesen, für eine so schwer wiegende Abänderung der Verfassung eine aus¬ reichende schriftliche „Begründung" zu entwerfen, zumal da wohl kaum eine der im Bundesrate vertretnen Regierungen aus voller Überzeugung an die Sache geht. Zu einer politischen Begründung müßte bis in die Verhandlungen, die der Er¬ richtung des Norddeutschen Bundes vorausgingen, und bis in die Zeiten der Ver- sailler Vertrage zurückgegriffen werden, auch wäre bei dem Versuch einer politischen Begründung der Vorlage vielleicht doch die eine oder die andre Regierung stutzig geworden. Die vom Grafen Posadowsky als „Stellvertreter des Reichskanzlers" gezeichnete Vorlage ist viel weniger eine Konzession der einzelnen Regierungen an den Reichstag, zu der sie wohl nicht so leicht zu haben gewesen wären, als eine Konzession an den Reichskanzler, der sich schließlich der Meinung des Grafen Posadowsky angeschlossen hatte, daß sich das Versagen der parlamentarischen Reichs¬ maschine auf anderen Wege ohne große innere Schwierigkeiten, für die der Augenblick nicht gegeben sei, nicht beseitigen lasse, daß er aber für die Fortdauer dieses Zu¬ standes die Verantwortung nicht länger übernehmen könne. Richter jeder politischen Maßregel ist der Erfolg. Vorausgesetzt, daß das Gesetz überhaupt zustande kommt, wird damit ein großes Prinzip aufgegeben und dem demokratischen Zuge der Zeit ein gewaltiges Zugeständnis gemacht werden. Wirklich dem demokratischen? Oder war der Gedanke, daß das höchste Ehrenamt der Nation unbesoldet und unentschädigt sein müsse, nicht viel demokratischer? Jedenfalls kommen wir damit ein großes Stück von dem Idealismus zurück, der einst die Wiege des jungen Reiches umgab und in der Zusammensetzung des Reichs¬ »z* tags von 1867 bis zur Mitte der siebziger Jahre seinen Ausdruck fand. lus Verbreitung av8 vciol üben die gsn?e l-i-lie Leere omne veispiel of. <55 ^e//? ^e/7e5 ^7/?a^5/^/s/>^va^/, e/>?e «'e/n/V/F' e/?o/-/7?s ^e/-/>/-s/'/k/7L <?//e/? °/^'/?a^n o'e/et/?^?/? /?c7/.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/234>, abgerufen am 24.07.2024.