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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Anastasius Grün

sein. Aber wieder einmal zeigte sichs, daß man Gedanken mit allen Macht¬
mitteln des Staats nicht totschlagen kann. Denn es fanden sich auch in dem
Österreich jener Tage Männer des öffentlichen Lebens, der Kunst und der
Wissenschaft genug, die dem Geiste des Rückschritts den des Fortschritts, der
Aufklärung und der Freiheit entgegensetzten und in Wort und Schrift und
Tat begeistert und darum begeisternd, kühn und unerschrocken, auf das Forum
der Öffentlichkeit hinaustraten. Unter diesen prometheischen Lichtbringeru und
Herolden einer neuen bessern Zeit mitten im vormärzlichen Österreich nimmt
einer wegen der tiefsittlichen Auffassung seiner Ideen und wegen der edeln
Form, mit der er ihre Verwirklichung anstrebte, eine besonders hervorragende
und ehrenvolle Stellung ein: das ist der als freisinniger Staatsmann und
Dichter ausgezeichnete Graf Auersperg (Anastasius Grün), dessen Geburtstag
in diesem Jahre zum hundertstenmal wiederkehrt.

Sein Heimatboden, von dem man ihn nicht losreißen darf, wenn man
ihn als Menschen und als Dichter nach Gebühr würdigen will, ist das schöne
Land von Unterkrain. Diese äußerste Spitze der alten Ostmark dringt tief in
die Welt des slowenischen Volkstums ein; von der andern Seite weht schon
italienische Luft herüber. Das alte, mit den Geschicken Österreichs eng ver¬
knüpfte Geschlecht der Auersperge stammt aus Schwaben, ist aber schon im
neunten Jahrhundert in Kram ansässig gewesen. Mit ihm zog deutsche Kultur¬
arbeit auf dem slawischen Boden ein. Seitdem ist die Geschichte Krains aufs
engste mit der der Auersperge verbunden. Zahlreiche hochverdiente Männer,
die neun Jahrhunderte lang nicht vergaßen, daß Adel verpflichtet, hat die alte
Familie hervorgebracht. Fast an allen Kämpfen sind sie männlich und helden¬
haft beteiligt gewesen. Wir finden sie in den Kreuzzügen wie in den Türken¬
kriegen und in den Bewegungen des Nesormationszeitalters, ja im sechzehnten
und im siebzehnten Jahrhundert, wo Krain sozusagen ein großes, waffen¬
starrendes Heerlager war, verkörpern sie geradezu das Laud selbst, sowohl in
der Landstube zu Laibach als auch draußen im Felde an der save. Ein
Auersperg fiel auf dem Felde der Ehre 1529 vor Wien, ein andrer 1575
vor einem Grenzneste; ein dritter war Generalissimus des österreichischen Heeres,
ein vierter schlug die Türken bei Sissek 1593 so entscheidend, daß sie seitdem
nicht mehr wagten, die save zu überschreiten. Mit der Mannhaftigkeit im
Felde verbanden die Männer des alten Geschlechts auch geistige Regsamkeit
und freiheitlichen Sinn. Am frühsten und am längsten hielten sie sich zum
Luthertum. Sie gewährten den Städten die "Türkenhilfe" oft nur gegen das
Versprechen der "Begünstigung in rsli^iosis," stifteten lutherische Kapellen,
stellten lutherische Prädikanten und Schullehrer an, nahmen lutherische Feld¬
prediger mit in den Türkenkrieg und widerstrebten der Habsburgischen Gegen¬
reformation mit der äußersten Zähigkeit, solange es eben ging. Getreu dieser
Familienüberlieferung trat denn auch der Dichter des Geschlechts mit Be¬
geisterung für das Luthertum ein und sang sein Wartbnrglied:


Anastasius Grün

sein. Aber wieder einmal zeigte sichs, daß man Gedanken mit allen Macht¬
mitteln des Staats nicht totschlagen kann. Denn es fanden sich auch in dem
Österreich jener Tage Männer des öffentlichen Lebens, der Kunst und der
Wissenschaft genug, die dem Geiste des Rückschritts den des Fortschritts, der
Aufklärung und der Freiheit entgegensetzten und in Wort und Schrift und
Tat begeistert und darum begeisternd, kühn und unerschrocken, auf das Forum
der Öffentlichkeit hinaustraten. Unter diesen prometheischen Lichtbringeru und
Herolden einer neuen bessern Zeit mitten im vormärzlichen Österreich nimmt
einer wegen der tiefsittlichen Auffassung seiner Ideen und wegen der edeln
Form, mit der er ihre Verwirklichung anstrebte, eine besonders hervorragende
und ehrenvolle Stellung ein: das ist der als freisinniger Staatsmann und
Dichter ausgezeichnete Graf Auersperg (Anastasius Grün), dessen Geburtstag
in diesem Jahre zum hundertstenmal wiederkehrt.

Sein Heimatboden, von dem man ihn nicht losreißen darf, wenn man
ihn als Menschen und als Dichter nach Gebühr würdigen will, ist das schöne
Land von Unterkrain. Diese äußerste Spitze der alten Ostmark dringt tief in
die Welt des slowenischen Volkstums ein; von der andern Seite weht schon
italienische Luft herüber. Das alte, mit den Geschicken Österreichs eng ver¬
knüpfte Geschlecht der Auersperge stammt aus Schwaben, ist aber schon im
neunten Jahrhundert in Kram ansässig gewesen. Mit ihm zog deutsche Kultur¬
arbeit auf dem slawischen Boden ein. Seitdem ist die Geschichte Krains aufs
engste mit der der Auersperge verbunden. Zahlreiche hochverdiente Männer,
die neun Jahrhunderte lang nicht vergaßen, daß Adel verpflichtet, hat die alte
Familie hervorgebracht. Fast an allen Kämpfen sind sie männlich und helden¬
haft beteiligt gewesen. Wir finden sie in den Kreuzzügen wie in den Türken¬
kriegen und in den Bewegungen des Nesormationszeitalters, ja im sechzehnten
und im siebzehnten Jahrhundert, wo Krain sozusagen ein großes, waffen¬
starrendes Heerlager war, verkörpern sie geradezu das Laud selbst, sowohl in
der Landstube zu Laibach als auch draußen im Felde an der save. Ein
Auersperg fiel auf dem Felde der Ehre 1529 vor Wien, ein andrer 1575
vor einem Grenzneste; ein dritter war Generalissimus des österreichischen Heeres,
ein vierter schlug die Türken bei Sissek 1593 so entscheidend, daß sie seitdem
nicht mehr wagten, die save zu überschreiten. Mit der Mannhaftigkeit im
Felde verbanden die Männer des alten Geschlechts auch geistige Regsamkeit
und freiheitlichen Sinn. Am frühsten und am längsten hielten sie sich zum
Luthertum. Sie gewährten den Städten die „Türkenhilfe" oft nur gegen das
Versprechen der „Begünstigung in rsli^iosis," stifteten lutherische Kapellen,
stellten lutherische Prädikanten und Schullehrer an, nahmen lutherische Feld¬
prediger mit in den Türkenkrieg und widerstrebten der Habsburgischen Gegen¬
reformation mit der äußersten Zähigkeit, solange es eben ging. Getreu dieser
Familienüberlieferung trat denn auch der Dichter des Geschlechts mit Be¬
geisterung für das Luthertum ein und sang sein Wartbnrglied:


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[0023] Anastasius Grün sein. Aber wieder einmal zeigte sichs, daß man Gedanken mit allen Macht¬ mitteln des Staats nicht totschlagen kann. Denn es fanden sich auch in dem Österreich jener Tage Männer des öffentlichen Lebens, der Kunst und der Wissenschaft genug, die dem Geiste des Rückschritts den des Fortschritts, der Aufklärung und der Freiheit entgegensetzten und in Wort und Schrift und Tat begeistert und darum begeisternd, kühn und unerschrocken, auf das Forum der Öffentlichkeit hinaustraten. Unter diesen prometheischen Lichtbringeru und Herolden einer neuen bessern Zeit mitten im vormärzlichen Österreich nimmt einer wegen der tiefsittlichen Auffassung seiner Ideen und wegen der edeln Form, mit der er ihre Verwirklichung anstrebte, eine besonders hervorragende und ehrenvolle Stellung ein: das ist der als freisinniger Staatsmann und Dichter ausgezeichnete Graf Auersperg (Anastasius Grün), dessen Geburtstag in diesem Jahre zum hundertstenmal wiederkehrt. Sein Heimatboden, von dem man ihn nicht losreißen darf, wenn man ihn als Menschen und als Dichter nach Gebühr würdigen will, ist das schöne Land von Unterkrain. Diese äußerste Spitze der alten Ostmark dringt tief in die Welt des slowenischen Volkstums ein; von der andern Seite weht schon italienische Luft herüber. Das alte, mit den Geschicken Österreichs eng ver¬ knüpfte Geschlecht der Auersperge stammt aus Schwaben, ist aber schon im neunten Jahrhundert in Kram ansässig gewesen. Mit ihm zog deutsche Kultur¬ arbeit auf dem slawischen Boden ein. Seitdem ist die Geschichte Krains aufs engste mit der der Auersperge verbunden. Zahlreiche hochverdiente Männer, die neun Jahrhunderte lang nicht vergaßen, daß Adel verpflichtet, hat die alte Familie hervorgebracht. Fast an allen Kämpfen sind sie männlich und helden¬ haft beteiligt gewesen. Wir finden sie in den Kreuzzügen wie in den Türken¬ kriegen und in den Bewegungen des Nesormationszeitalters, ja im sechzehnten und im siebzehnten Jahrhundert, wo Krain sozusagen ein großes, waffen¬ starrendes Heerlager war, verkörpern sie geradezu das Laud selbst, sowohl in der Landstube zu Laibach als auch draußen im Felde an der save. Ein Auersperg fiel auf dem Felde der Ehre 1529 vor Wien, ein andrer 1575 vor einem Grenzneste; ein dritter war Generalissimus des österreichischen Heeres, ein vierter schlug die Türken bei Sissek 1593 so entscheidend, daß sie seitdem nicht mehr wagten, die save zu überschreiten. Mit der Mannhaftigkeit im Felde verbanden die Männer des alten Geschlechts auch geistige Regsamkeit und freiheitlichen Sinn. Am frühsten und am längsten hielten sie sich zum Luthertum. Sie gewährten den Städten die „Türkenhilfe" oft nur gegen das Versprechen der „Begünstigung in rsli^iosis," stifteten lutherische Kapellen, stellten lutherische Prädikanten und Schullehrer an, nahmen lutherische Feld¬ prediger mit in den Türkenkrieg und widerstrebten der Habsburgischen Gegen¬ reformation mit der äußersten Zähigkeit, solange es eben ging. Getreu dieser Familienüberlieferung trat denn auch der Dichter des Geschlechts mit Be¬ geisterung für das Luthertum ein und sang sein Wartbnrglied:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/23>, abgerufen am 27.12.2024.