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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Rar! der Lrste, König von Rumänien

regieren als ein konstitutioneller Fürst." Das war der Eid, den Fürst Karl
nach seinem Eintritt in Rumänien schwor. Und in seiner ersten Proklamation
sagte er: "Mit der Hilfe Gottes und einer Hingebung ohne Grenzen werde
ich streben, meinem neuen Vaterland" eine glückliche Zukunft zu geben, die
würdig ist seiner Vergangenheit." Hierbei muß man sich erinnern, daß die
beiden Fürstentümer, bevor sie unter türkische Oberhoheit und russischen Schutz
sanken, eine große ruhmreiche Geschichte gehabt haben. Hat nun Karl von
Rumänien diesen Schwur gehalten und sein Versprechen erfüllt? Man lese
die vier so inhaltreichen Bünde: "Aus dem Leben König Karls von Rumänien.
Aufzeichnungen eines Augenzeugen", die uns einen tiefen Einblick in das un¬
geheure Arbeitsfeld gewähren, auf dem Fürst Karl von 1866 bis 1881 tätig
war, aber nicht nur in die Erfolge, sondern auch in das Scheitern so manches
Unternehmens, in alle die Kämpfe, die da ausgekämpft werden mußten, in
die Rastlosigkeit und Zähigkeit, die der König anwenden mußte, um endlich
zu erreichen, was er erstrebt, oder aber auch mißlingen zu sehen, was er für
gut erachtete. Welches Arbeitsfeld der König in den vierzig Jahren bestellt
hat, das verraten die zwei starken Bände: <no.g,rio8 I, Roi as Rounianie.
Ldronloue--^ödes--vcxzurrikrcks, xuvliss xar Osniötrö ^. Lora^a. tous I
1866--1875, l'vino II 1876--1877. Wohlverstanden, diese 1980 Quart¬
seiten enthalten die offiziellen Aktenstücke nur bis zum Jahre 1877. Und
was brachten erst die Jahre nach 1877? Zunächst den furchtbaren russisch¬
türkischen Krieg, bei dem Rumänien in die denkbar schwierigste Lage zwischen
die kriegführenden Mächte, Nußland und die Türkei, gestellt wurde. Karl
hat ungemein viele Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, aber -- so unglaub¬
lich es klingt nach den überaus wichtigen Diensten, die er den in größter
Bedrängnis schwebenden Russen mit seiner wackern Armee leistete -- so ver¬
zweifelt wie die inner- und die außerpolitische Lage nach dem Kriege war,
wo die russische Diplomatie den schuldigen Dank für die Rettung der russischen
Armee aus großer Not den Rumänen dadurch abstattete, daß sie die Absicht
zeigte, es zu vergewaltigen, und wo die europäischen Mächte um des lieben
Friedens willen, d. h. der eignen Sicherheit wegen, den jungen, aufstrebenden
Staat im Stiche ließen und ein Handelsgeschäft trieben, hatte sie sich vorher
und nachher nie gezeigt. Sie wollten Rumänien die sehnlichst erstrebte und
tapfer erkämpfte Unabhängigkeit nur dann gewähren, wenn den Russen ihrem
Wunsche gemäß Bessarabien zurückgegeben würde. Und auch in dieser so
heikeln Lage lenkte Karl das Staatsschiff mit sichrer Hand, sodaß es nach
schlimmen Stürmen den Hafen erreichte, wo ihm die Unabhängigkeit, die Los¬
lösung von der türkischen Vasallitüt zum Lohne wurde, der Vasallitüt, die
schon König Wilhelm den Ersten 1866, als der Neffe nach Rumänien gehn
wollte, so unwürdig für einen Hohenzoller deuchte. Man hat damals -- auch
in Deutschland, Geffcken schrieb eine Broschüre darüber -- das Verhalten
Rumäniens gegen die Türkei scharf beurteilt und es nicht korrekt gefunden.
Heute, wo man mehr Einsicht in die Verhältnisse hat, denkt man anders. Die
Spannung zwischen Rumänien und der Türkei bestand schon vorher, ehe der
Krieg ausbrach. Die obwaltenden Zustände erlaubten kaum eine andre Lösung.


Rar! der Lrste, König von Rumänien

regieren als ein konstitutioneller Fürst." Das war der Eid, den Fürst Karl
nach seinem Eintritt in Rumänien schwor. Und in seiner ersten Proklamation
sagte er: „Mit der Hilfe Gottes und einer Hingebung ohne Grenzen werde
ich streben, meinem neuen Vaterland« eine glückliche Zukunft zu geben, die
würdig ist seiner Vergangenheit." Hierbei muß man sich erinnern, daß die
beiden Fürstentümer, bevor sie unter türkische Oberhoheit und russischen Schutz
sanken, eine große ruhmreiche Geschichte gehabt haben. Hat nun Karl von
Rumänien diesen Schwur gehalten und sein Versprechen erfüllt? Man lese
die vier so inhaltreichen Bünde: „Aus dem Leben König Karls von Rumänien.
Aufzeichnungen eines Augenzeugen", die uns einen tiefen Einblick in das un¬
geheure Arbeitsfeld gewähren, auf dem Fürst Karl von 1866 bis 1881 tätig
war, aber nicht nur in die Erfolge, sondern auch in das Scheitern so manches
Unternehmens, in alle die Kämpfe, die da ausgekämpft werden mußten, in
die Rastlosigkeit und Zähigkeit, die der König anwenden mußte, um endlich
zu erreichen, was er erstrebt, oder aber auch mißlingen zu sehen, was er für
gut erachtete. Welches Arbeitsfeld der König in den vierzig Jahren bestellt
hat, das verraten die zwei starken Bände: <no.g,rio8 I, Roi as Rounianie.
Ldronloue—^ödes—vcxzurrikrcks, xuvliss xar Osniötrö ^. Lora^a. tous I
1866—1875, l'vino II 1876—1877. Wohlverstanden, diese 1980 Quart¬
seiten enthalten die offiziellen Aktenstücke nur bis zum Jahre 1877. Und
was brachten erst die Jahre nach 1877? Zunächst den furchtbaren russisch¬
türkischen Krieg, bei dem Rumänien in die denkbar schwierigste Lage zwischen
die kriegführenden Mächte, Nußland und die Türkei, gestellt wurde. Karl
hat ungemein viele Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, aber — so unglaub¬
lich es klingt nach den überaus wichtigen Diensten, die er den in größter
Bedrängnis schwebenden Russen mit seiner wackern Armee leistete — so ver¬
zweifelt wie die inner- und die außerpolitische Lage nach dem Kriege war,
wo die russische Diplomatie den schuldigen Dank für die Rettung der russischen
Armee aus großer Not den Rumänen dadurch abstattete, daß sie die Absicht
zeigte, es zu vergewaltigen, und wo die europäischen Mächte um des lieben
Friedens willen, d. h. der eignen Sicherheit wegen, den jungen, aufstrebenden
Staat im Stiche ließen und ein Handelsgeschäft trieben, hatte sie sich vorher
und nachher nie gezeigt. Sie wollten Rumänien die sehnlichst erstrebte und
tapfer erkämpfte Unabhängigkeit nur dann gewähren, wenn den Russen ihrem
Wunsche gemäß Bessarabien zurückgegeben würde. Und auch in dieser so
heikeln Lage lenkte Karl das Staatsschiff mit sichrer Hand, sodaß es nach
schlimmen Stürmen den Hafen erreichte, wo ihm die Unabhängigkeit, die Los¬
lösung von der türkischen Vasallitüt zum Lohne wurde, der Vasallitüt, die
schon König Wilhelm den Ersten 1866, als der Neffe nach Rumänien gehn
wollte, so unwürdig für einen Hohenzoller deuchte. Man hat damals — auch
in Deutschland, Geffcken schrieb eine Broschüre darüber — das Verhalten
Rumäniens gegen die Türkei scharf beurteilt und es nicht korrekt gefunden.
Heute, wo man mehr Einsicht in die Verhältnisse hat, denkt man anders. Die
Spannung zwischen Rumänien und der Türkei bestand schon vorher, ehe der
Krieg ausbrach. Die obwaltenden Zustände erlaubten kaum eine andre Lösung.


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[0189] Rar! der Lrste, König von Rumänien regieren als ein konstitutioneller Fürst." Das war der Eid, den Fürst Karl nach seinem Eintritt in Rumänien schwor. Und in seiner ersten Proklamation sagte er: „Mit der Hilfe Gottes und einer Hingebung ohne Grenzen werde ich streben, meinem neuen Vaterland« eine glückliche Zukunft zu geben, die würdig ist seiner Vergangenheit." Hierbei muß man sich erinnern, daß die beiden Fürstentümer, bevor sie unter türkische Oberhoheit und russischen Schutz sanken, eine große ruhmreiche Geschichte gehabt haben. Hat nun Karl von Rumänien diesen Schwur gehalten und sein Versprechen erfüllt? Man lese die vier so inhaltreichen Bünde: „Aus dem Leben König Karls von Rumänien. Aufzeichnungen eines Augenzeugen", die uns einen tiefen Einblick in das un¬ geheure Arbeitsfeld gewähren, auf dem Fürst Karl von 1866 bis 1881 tätig war, aber nicht nur in die Erfolge, sondern auch in das Scheitern so manches Unternehmens, in alle die Kämpfe, die da ausgekämpft werden mußten, in die Rastlosigkeit und Zähigkeit, die der König anwenden mußte, um endlich zu erreichen, was er erstrebt, oder aber auch mißlingen zu sehen, was er für gut erachtete. Welches Arbeitsfeld der König in den vierzig Jahren bestellt hat, das verraten die zwei starken Bände: <no.g,rio8 I, Roi as Rounianie. Ldronloue—^ödes—vcxzurrikrcks, xuvliss xar Osniötrö ^. Lora^a. tous I 1866—1875, l'vino II 1876—1877. Wohlverstanden, diese 1980 Quart¬ seiten enthalten die offiziellen Aktenstücke nur bis zum Jahre 1877. Und was brachten erst die Jahre nach 1877? Zunächst den furchtbaren russisch¬ türkischen Krieg, bei dem Rumänien in die denkbar schwierigste Lage zwischen die kriegführenden Mächte, Nußland und die Türkei, gestellt wurde. Karl hat ungemein viele Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, aber — so unglaub¬ lich es klingt nach den überaus wichtigen Diensten, die er den in größter Bedrängnis schwebenden Russen mit seiner wackern Armee leistete — so ver¬ zweifelt wie die inner- und die außerpolitische Lage nach dem Kriege war, wo die russische Diplomatie den schuldigen Dank für die Rettung der russischen Armee aus großer Not den Rumänen dadurch abstattete, daß sie die Absicht zeigte, es zu vergewaltigen, und wo die europäischen Mächte um des lieben Friedens willen, d. h. der eignen Sicherheit wegen, den jungen, aufstrebenden Staat im Stiche ließen und ein Handelsgeschäft trieben, hatte sie sich vorher und nachher nie gezeigt. Sie wollten Rumänien die sehnlichst erstrebte und tapfer erkämpfte Unabhängigkeit nur dann gewähren, wenn den Russen ihrem Wunsche gemäß Bessarabien zurückgegeben würde. Und auch in dieser so heikeln Lage lenkte Karl das Staatsschiff mit sichrer Hand, sodaß es nach schlimmen Stürmen den Hafen erreichte, wo ihm die Unabhängigkeit, die Los¬ lösung von der türkischen Vasallitüt zum Lohne wurde, der Vasallitüt, die schon König Wilhelm den Ersten 1866, als der Neffe nach Rumänien gehn wollte, so unwürdig für einen Hohenzoller deuchte. Man hat damals — auch in Deutschland, Geffcken schrieb eine Broschüre darüber — das Verhalten Rumäniens gegen die Türkei scharf beurteilt und es nicht korrekt gefunden. Heute, wo man mehr Einsicht in die Verhältnisse hat, denkt man anders. Die Spannung zwischen Rumänien und der Türkei bestand schon vorher, ehe der Krieg ausbrach. Die obwaltenden Zustände erlaubten kaum eine andre Lösung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/189>, abgerufen am 28.12.2024.