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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Bosnien und die Herzegowina

dem Lande bestehn öffentliche Volksschulen, in denen sogar die Lehrmittel
unentgeltlich sind. Ich hatte Gelegenheit, eine solche Schule in Bcmjaluka zu
sehen, und muß gestehn, daß ich nicht nur über das gute Gebäude erstaunt
war, sondern anch über die Lehrmittel, denn ich fand nicht bloß Wandkarten
und Globen, sondern sogar eine kleine naturwissenschaftliche Sammlung. Am
meisten wunderte mich freilich, daß unter den Christen beider Konfessionen
auch Türkenbüblein, natürlich im Fes, saßen.

Das merkwürdigste ist, daß die Serbenbuben zum Teil auf ihr Reservat¬
recht, auf ihre eignen Bücher in dem griechischen Alphabet verzichten und die
lateinisch gedruckten Schulbücher der Katholiken benutzen. Neben den kommunalen
Volksschulen und den höhern staatlichen Schulen bestehn übrigens anch kon¬
fessionelle Schulen. Deutsch wird in allen Schulen gelehrt. Ein besondrer
Nachdruck auf das Deutsche wird in der Steinbeißischen Fabrikschule in Doberlin
gelegt, und mit wirklich großem Erfolge. Eine höhere deutsche Privatschule,
in einem sehr schönen Gebäude und in der schönsten Lage untergebracht, be¬
steht in Sarajewo.

Ein ganz besondres Interesse wendet der Staat dem landwirtschaftlichen
Unterricht zu und scheint das Richtige getroffen zu haben mit der Ausgestaltung
von Bauernhöfen zu Mustergütern, deren Nachahmung für die dort ausgebil¬
deten Bauernsöhne im Bereich der Möglichkeit liegt. Freiwillige Hilfsarbeiter
hat der Staat in dieser Beziehung an den deutschen Kolonisten mit und ohne
Kutte. Die mit Kutte sind die Trappisten von Maria Stern, die, im
Jahre 1868 aus den Rheinlanden ausgewiesen, sich bei Bcmjaluka angesiedelt
haben und dort jetzt ein großes Kloster besitzen, worin Landwirtschaft mit allen
Nebenbetrieben, namentlich Bierbrauerei und Käsebereitung, betrieben wird.

Die Trappisten haben sich, wie seinerzeit bei uns die Zisterzienser, ein
großes Verdienst um die Bodenkultur erworben durch ihr Vorbild und die
Ausbildung der vielen Bauernsöhne, die bei ihnen arbeiten. Ihre ausgedehnten
Felder, an denen ich vorbeigefahren bin, als ich zu den Deutschen nach
Rudolfstal fuhr, waren schon so sauber hingebügelt wie bei der landwirtschaft¬
lichen Akademie Hohenheim, während auf den serbischen Ackern zum Teil noch
Stoppeln standen. Die Trappisten haben aber auch die nötige gute Meinung
von sich und haben sich bekanntlich vor etwa einem Jahr angeboten, Nieder¬
bayern zu zivilisieren, was allerdings sogar dem Dr. Heim zu toll war. An¬
spruchsloser, aber für ihre Umgebung eben so nützlich als Lehrer sind die
bäuerlichen reichsdeutscheu Ansiedler, im ganzen etwas mehr als dreitausend
Seelen, worunter annähernd die Hälfte Protestanten. Sie sind im ganzen
Vrbcistal von Bcmjaluka bis zu seiner Mündung in die save angesiedelt, wo
sie alle möglichst in der Nähe der Landstraße wohnen, jeder umgeben von seinem
Grundbesitz wie die Germanen des Tacitus. Ihre beiden Dörfer Nudolfstal
und Windthorst erstrecken sich dadurch auf eine Länge von etwa zwanzig Kilo¬
metern und machen deshalb keinen rechten Eindruck.

Ich fuhr bis an die beiden Kirchen von Nudolfstal, die einander friedlich
gegenüberstehn wie glücklicherweise die Bauern selbst, und ließ mich von dem
Protestantischen Mehrer herumführen.


Bosnien und die Herzegowina

dem Lande bestehn öffentliche Volksschulen, in denen sogar die Lehrmittel
unentgeltlich sind. Ich hatte Gelegenheit, eine solche Schule in Bcmjaluka zu
sehen, und muß gestehn, daß ich nicht nur über das gute Gebäude erstaunt
war, sondern anch über die Lehrmittel, denn ich fand nicht bloß Wandkarten
und Globen, sondern sogar eine kleine naturwissenschaftliche Sammlung. Am
meisten wunderte mich freilich, daß unter den Christen beider Konfessionen
auch Türkenbüblein, natürlich im Fes, saßen.

Das merkwürdigste ist, daß die Serbenbuben zum Teil auf ihr Reservat¬
recht, auf ihre eignen Bücher in dem griechischen Alphabet verzichten und die
lateinisch gedruckten Schulbücher der Katholiken benutzen. Neben den kommunalen
Volksschulen und den höhern staatlichen Schulen bestehn übrigens anch kon¬
fessionelle Schulen. Deutsch wird in allen Schulen gelehrt. Ein besondrer
Nachdruck auf das Deutsche wird in der Steinbeißischen Fabrikschule in Doberlin
gelegt, und mit wirklich großem Erfolge. Eine höhere deutsche Privatschule,
in einem sehr schönen Gebäude und in der schönsten Lage untergebracht, be¬
steht in Sarajewo.

Ein ganz besondres Interesse wendet der Staat dem landwirtschaftlichen
Unterricht zu und scheint das Richtige getroffen zu haben mit der Ausgestaltung
von Bauernhöfen zu Mustergütern, deren Nachahmung für die dort ausgebil¬
deten Bauernsöhne im Bereich der Möglichkeit liegt. Freiwillige Hilfsarbeiter
hat der Staat in dieser Beziehung an den deutschen Kolonisten mit und ohne
Kutte. Die mit Kutte sind die Trappisten von Maria Stern, die, im
Jahre 1868 aus den Rheinlanden ausgewiesen, sich bei Bcmjaluka angesiedelt
haben und dort jetzt ein großes Kloster besitzen, worin Landwirtschaft mit allen
Nebenbetrieben, namentlich Bierbrauerei und Käsebereitung, betrieben wird.

Die Trappisten haben sich, wie seinerzeit bei uns die Zisterzienser, ein
großes Verdienst um die Bodenkultur erworben durch ihr Vorbild und die
Ausbildung der vielen Bauernsöhne, die bei ihnen arbeiten. Ihre ausgedehnten
Felder, an denen ich vorbeigefahren bin, als ich zu den Deutschen nach
Rudolfstal fuhr, waren schon so sauber hingebügelt wie bei der landwirtschaft¬
lichen Akademie Hohenheim, während auf den serbischen Ackern zum Teil noch
Stoppeln standen. Die Trappisten haben aber auch die nötige gute Meinung
von sich und haben sich bekanntlich vor etwa einem Jahr angeboten, Nieder¬
bayern zu zivilisieren, was allerdings sogar dem Dr. Heim zu toll war. An¬
spruchsloser, aber für ihre Umgebung eben so nützlich als Lehrer sind die
bäuerlichen reichsdeutscheu Ansiedler, im ganzen etwas mehr als dreitausend
Seelen, worunter annähernd die Hälfte Protestanten. Sie sind im ganzen
Vrbcistal von Bcmjaluka bis zu seiner Mündung in die save angesiedelt, wo
sie alle möglichst in der Nähe der Landstraße wohnen, jeder umgeben von seinem
Grundbesitz wie die Germanen des Tacitus. Ihre beiden Dörfer Nudolfstal
und Windthorst erstrecken sich dadurch auf eine Länge von etwa zwanzig Kilo¬
metern und machen deshalb keinen rechten Eindruck.

Ich fuhr bis an die beiden Kirchen von Nudolfstal, die einander friedlich
gegenüberstehn wie glücklicherweise die Bauern selbst, und ließ mich von dem
Protestantischen Mehrer herumführen.


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[0161] Bosnien und die Herzegowina dem Lande bestehn öffentliche Volksschulen, in denen sogar die Lehrmittel unentgeltlich sind. Ich hatte Gelegenheit, eine solche Schule in Bcmjaluka zu sehen, und muß gestehn, daß ich nicht nur über das gute Gebäude erstaunt war, sondern anch über die Lehrmittel, denn ich fand nicht bloß Wandkarten und Globen, sondern sogar eine kleine naturwissenschaftliche Sammlung. Am meisten wunderte mich freilich, daß unter den Christen beider Konfessionen auch Türkenbüblein, natürlich im Fes, saßen. Das merkwürdigste ist, daß die Serbenbuben zum Teil auf ihr Reservat¬ recht, auf ihre eignen Bücher in dem griechischen Alphabet verzichten und die lateinisch gedruckten Schulbücher der Katholiken benutzen. Neben den kommunalen Volksschulen und den höhern staatlichen Schulen bestehn übrigens anch kon¬ fessionelle Schulen. Deutsch wird in allen Schulen gelehrt. Ein besondrer Nachdruck auf das Deutsche wird in der Steinbeißischen Fabrikschule in Doberlin gelegt, und mit wirklich großem Erfolge. Eine höhere deutsche Privatschule, in einem sehr schönen Gebäude und in der schönsten Lage untergebracht, be¬ steht in Sarajewo. Ein ganz besondres Interesse wendet der Staat dem landwirtschaftlichen Unterricht zu und scheint das Richtige getroffen zu haben mit der Ausgestaltung von Bauernhöfen zu Mustergütern, deren Nachahmung für die dort ausgebil¬ deten Bauernsöhne im Bereich der Möglichkeit liegt. Freiwillige Hilfsarbeiter hat der Staat in dieser Beziehung an den deutschen Kolonisten mit und ohne Kutte. Die mit Kutte sind die Trappisten von Maria Stern, die, im Jahre 1868 aus den Rheinlanden ausgewiesen, sich bei Bcmjaluka angesiedelt haben und dort jetzt ein großes Kloster besitzen, worin Landwirtschaft mit allen Nebenbetrieben, namentlich Bierbrauerei und Käsebereitung, betrieben wird. Die Trappisten haben sich, wie seinerzeit bei uns die Zisterzienser, ein großes Verdienst um die Bodenkultur erworben durch ihr Vorbild und die Ausbildung der vielen Bauernsöhne, die bei ihnen arbeiten. Ihre ausgedehnten Felder, an denen ich vorbeigefahren bin, als ich zu den Deutschen nach Rudolfstal fuhr, waren schon so sauber hingebügelt wie bei der landwirtschaft¬ lichen Akademie Hohenheim, während auf den serbischen Ackern zum Teil noch Stoppeln standen. Die Trappisten haben aber auch die nötige gute Meinung von sich und haben sich bekanntlich vor etwa einem Jahr angeboten, Nieder¬ bayern zu zivilisieren, was allerdings sogar dem Dr. Heim zu toll war. An¬ spruchsloser, aber für ihre Umgebung eben so nützlich als Lehrer sind die bäuerlichen reichsdeutscheu Ansiedler, im ganzen etwas mehr als dreitausend Seelen, worunter annähernd die Hälfte Protestanten. Sie sind im ganzen Vrbcistal von Bcmjaluka bis zu seiner Mündung in die save angesiedelt, wo sie alle möglichst in der Nähe der Landstraße wohnen, jeder umgeben von seinem Grundbesitz wie die Germanen des Tacitus. Ihre beiden Dörfer Nudolfstal und Windthorst erstrecken sich dadurch auf eine Länge von etwa zwanzig Kilo¬ metern und machen deshalb keinen rechten Eindruck. Ich fuhr bis an die beiden Kirchen von Nudolfstal, die einander friedlich gegenüberstehn wie glücklicherweise die Bauern selbst, und ließ mich von dem Protestantischen Mehrer herumführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/161>, abgerufen am 28.12.2024.