Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Anastasius Grün wie z. B. die mächtige Romanze "Jagello" im Österreichischen Frühlingscilbum Erst nach längerer Pause, 1864, erschien das letzte größere Werk, dessen In den letzten Jahrzehnten seines Lebens kam der Graf Auersperg infolge Am Abend seines Lebens hatte er noch die Freude, eine Neuausgabe Anastasius Grün wie z. B. die mächtige Romanze „Jagello" im Österreichischen Frühlingscilbum Erst nach längerer Pause, 1864, erschien das letzte größere Werk, dessen In den letzten Jahrzehnten seines Lebens kam der Graf Auersperg infolge Am Abend seines Lebens hatte er noch die Freude, eine Neuausgabe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299189"/> <fw type="header" place="top"> Anastasius Grün</fw><lb/> <p xml:id="ID_589" prev="#ID_588"> wie z. B. die mächtige Romanze „Jagello" im Österreichischen Frühlingscilbum<lb/> von 1854. Auch gab er Lenaus sämtliche Werke heraus (Stuttgart, Cotta,<lb/> 1855), nachdem der Nachlaß schon 1851 erschienen war, und fügte eine<lb/> wertvolle Lebensbeschreibung und Charakteristik des unglücklichen Dichters<lb/> bei. Ferner ist zu erwähnen das großartige Gedicht „Bei Nadetzkys Be¬<lb/> stattung," 1858.</p><lb/> <p xml:id="ID_590"> Erst nach längerer Pause, 1864, erschien das letzte größere Werk, dessen<lb/> Vollendung ihm noch vergönnt war: „Robim Hood, ein Balladenkranz nach<lb/> altenglischen Volksliedern." Diese Urschriften sind nicht etwa übersetzt, sondern<lb/> der Dichter hat aus ihnen etwas fast ganz Neues geschaffen. In der sehr<lb/> umfangreichen und fesselnden Einleitung teilt er das durchaus richtige Er¬<lb/> gebnis seiner kritischen Vorarbeiten mit, daß nämlich der Held des alt¬<lb/> englischen Sagenkreises, jener Robim Hood (Robert Fitzooth), nicht, wie das<lb/> Volk urteilte, der tapfre fromme Rüuberhauptmann war, der sich jahrzehnte¬<lb/> lang gegen des Königs Krieger in den Wäldern hielt, sondern daß er als<lb/> der letzte Hort des Widerstandes der bei Hastings besiegten Angelsachsen gegen<lb/> den normannischen Eroberer anzusehen ist. In diesen Balladen verzichtet<lb/> Anastasius Grün in feinem Verständnis des Stoffes ganz auf das aus¬<lb/> schmückende Beiwerk, das in seinen eignen lyrisch-epischen Dichtungen durchaus<lb/> an seinem Platze war, hier aber, wo es ganz und gar auf die Ursprünglich¬<lb/> keit des Volkstons ankam, die Wirkung beeinträchtigt haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_591"> In den letzten Jahrzehnten seines Lebens kam der Graf Auersperg infolge<lb/> seiner regen parlamentarischen Tätigkeit nicht mehr so oft zu dichterischer Arbeit<lb/> wie einst. Nur hier und da teilte er die eine oder die andre, früher noch<lb/> nicht veröffentlichte Dichtung und auch zuweilen etwas Neues mit in den<lb/> „Wiener Dioskuren" (Jahrbuch des 1. Österreichischen Vecimtenvereius, heraus¬<lb/> gegeben vom k. k. Hofrat Baron Falke), in dem „Jahrbuch des liberal-poli¬<lb/> tischen Vereins zu Linz" und an andern Orten. In den „Dioskuren" von<lb/> 1874 zum Beispiel steht das liebliche Lied „In Veldes" und auch „Die<lb/> Kapelle im See."</p><lb/> <p xml:id="ID_592" next="#ID_593"> Am Abend seines Lebens hatte er noch die Freude, eine Neuausgabe<lb/> seiner „Spaziergänge" zu erleben, der er ein Widmungsgedicht an den Neffen<lb/> seiner Frau beifügte, den Obmann des Deutschen Vereins in Graz, Ignaz<lb/> Grafen von Altens. Was er sonst in den letzten dreißig Jahren gedichtet<lb/> und teilweise auch schon an verschiednen Stellen veröffentlicht hatte, sammelte<lb/> er unter dem Titel: „In der Veranda. Eine Nachlese." Daß er die ab¬<lb/> schließende Hand nicht mehr an dieses Werk legen konnte, machte ihm das<lb/> Sterben schwer. Es erschien erst nach seinem Tode, 1877, in demselben Jahre<lb/> noch in dritter Auflage. Besonders daraus hervorgehoben zu werden ver¬<lb/> dienen die Gedichte an den Prinzen Johann, den Prinzen Eugen, ferner<lb/> „Gneisenall in Erfurt" und vor allem „Der Tambour von Ulm," worin der<lb/> Dichter vier hochwichtige Ereignisse aus Österreichs neuester Geschichte vor¬<lb/> führt, nämlich Novara 1849, Solferino 1859, Magna Charta (d. i. das<lb/> Verfassungsjahr) 1861 und Allerseelen 1866. Alle diese Gedichte gehören<lb/> mit zu den schönsten Gaben geschichtlicher Lyrik. Auch die Abteilung „Sprüche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Anastasius Grün
wie z. B. die mächtige Romanze „Jagello" im Österreichischen Frühlingscilbum
von 1854. Auch gab er Lenaus sämtliche Werke heraus (Stuttgart, Cotta,
1855), nachdem der Nachlaß schon 1851 erschienen war, und fügte eine
wertvolle Lebensbeschreibung und Charakteristik des unglücklichen Dichters
bei. Ferner ist zu erwähnen das großartige Gedicht „Bei Nadetzkys Be¬
stattung," 1858.
Erst nach längerer Pause, 1864, erschien das letzte größere Werk, dessen
Vollendung ihm noch vergönnt war: „Robim Hood, ein Balladenkranz nach
altenglischen Volksliedern." Diese Urschriften sind nicht etwa übersetzt, sondern
der Dichter hat aus ihnen etwas fast ganz Neues geschaffen. In der sehr
umfangreichen und fesselnden Einleitung teilt er das durchaus richtige Er¬
gebnis seiner kritischen Vorarbeiten mit, daß nämlich der Held des alt¬
englischen Sagenkreises, jener Robim Hood (Robert Fitzooth), nicht, wie das
Volk urteilte, der tapfre fromme Rüuberhauptmann war, der sich jahrzehnte¬
lang gegen des Königs Krieger in den Wäldern hielt, sondern daß er als
der letzte Hort des Widerstandes der bei Hastings besiegten Angelsachsen gegen
den normannischen Eroberer anzusehen ist. In diesen Balladen verzichtet
Anastasius Grün in feinem Verständnis des Stoffes ganz auf das aus¬
schmückende Beiwerk, das in seinen eignen lyrisch-epischen Dichtungen durchaus
an seinem Platze war, hier aber, wo es ganz und gar auf die Ursprünglich¬
keit des Volkstons ankam, die Wirkung beeinträchtigt haben würde.
In den letzten Jahrzehnten seines Lebens kam der Graf Auersperg infolge
seiner regen parlamentarischen Tätigkeit nicht mehr so oft zu dichterischer Arbeit
wie einst. Nur hier und da teilte er die eine oder die andre, früher noch
nicht veröffentlichte Dichtung und auch zuweilen etwas Neues mit in den
„Wiener Dioskuren" (Jahrbuch des 1. Österreichischen Vecimtenvereius, heraus¬
gegeben vom k. k. Hofrat Baron Falke), in dem „Jahrbuch des liberal-poli¬
tischen Vereins zu Linz" und an andern Orten. In den „Dioskuren" von
1874 zum Beispiel steht das liebliche Lied „In Veldes" und auch „Die
Kapelle im See."
Am Abend seines Lebens hatte er noch die Freude, eine Neuausgabe
seiner „Spaziergänge" zu erleben, der er ein Widmungsgedicht an den Neffen
seiner Frau beifügte, den Obmann des Deutschen Vereins in Graz, Ignaz
Grafen von Altens. Was er sonst in den letzten dreißig Jahren gedichtet
und teilweise auch schon an verschiednen Stellen veröffentlicht hatte, sammelte
er unter dem Titel: „In der Veranda. Eine Nachlese." Daß er die ab¬
schließende Hand nicht mehr an dieses Werk legen konnte, machte ihm das
Sterben schwer. Es erschien erst nach seinem Tode, 1877, in demselben Jahre
noch in dritter Auflage. Besonders daraus hervorgehoben zu werden ver¬
dienen die Gedichte an den Prinzen Johann, den Prinzen Eugen, ferner
„Gneisenall in Erfurt" und vor allem „Der Tambour von Ulm," worin der
Dichter vier hochwichtige Ereignisse aus Österreichs neuester Geschichte vor¬
führt, nämlich Novara 1849, Solferino 1859, Magna Charta (d. i. das
Verfassungsjahr) 1861 und Allerseelen 1866. Alle diese Gedichte gehören
mit zu den schönsten Gaben geschichtlicher Lyrik. Auch die Abteilung „Sprüche
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