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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Mobilmachung von 1.870

zwinge, müsse er doch behaupten, daß die Politik eine durch die Beschießung
der Forts zu erreichende Beschleunigung sehr wünschenswert mache. Der
König forderte Roon und Moltke zum Bericht auf. Moltke erklärte, die
Frage, wann der artilleristische Angriff beginnen solle oder könne, sei nur
ans Grund militärischer Gesichtspunkte zu entscheiden. Politische Gesichts¬
punkte könnten nur Berücksichtigung finden, so weit sie uicht militärisch
Unzulässiges oder Unmögliches beanspruchten. Roon berührte in seinem Be¬
richt vom 30. November diese Frage gar nicht, sondern legte den Gang und
Stand der Bereitstellung und des Transports des Velagerungsmaterials
aktenmäßig dar und fügte hinzu, daß die Verzögerung des artilleristischen
Angriffs nicht in den Maßnahmen des Kriegsministeriums, sondern in der Ver-
fahrungsweise der Ausführnngsinstanz zu suchen sei, deren Umsicht und Energie
Seine Majestät die Heranschaffnng und Verwendung des Belagernngsmaterials
übertragen habe. Seitens des Kriegsministeriums sei allen Anforderungen
vollauf und mit größter Beschleunigung entsprochen worden. "Eine weitere
Einwirkung konnte bei den zurzeit bestehenden Ressortverhüllnissen von mir
nicht geübt werden." In einer Korrespondenz mit dem Oberkommando der
dritten Armee weist dieses die Schuld an der traurigen Beschaffenheit der
Transportmittel und der Anhäufung des Belagerungsmaterials dem Großen
Hauptquartier zu, an das das Oberkommando sechsmal mit Anträgen.
Meldungen und Berichten erfolglos herangetreten sei. In seiner Antwort an
Roon erwidert Moltke bei Rücksendung dieses Berichts am 7. Dezember, daß
eS Sache des Oberkommandos gewesen sei, geeignete Vorschlüge und Anträge
ans Abhilfe der eingetretncn Mißstände bestimmt zu formulieren. Am 7. De¬
zember erließ Roon den telegraphischen Befehl an das Kriegsministerium, mit
größter Beschleunigung einen militärischen Fuhrpark von 900 bis 1000 vier¬
spännigen Wagen zum Munitionstransport mobil zu machen und dabei das
in Metz lagernde Material an Fahrzeugen und Geschirren zu benutzen. Der
Transport begann am 13. Dezember. Am 18. Dezember hatte der zum Kom¬
mandeur der Belagerungsartillerie ernannte General von Hindersin in einer
Jmmediatvvrstelluug darauf hingewiesen, daß er am 2. Oktober, um nicht mit
unzureichenden Mitteln zu beginnen, die Überweisung vou 420 Belagerungs¬
geschützen sowie sämtlicher kurzer Vierundzwanzigpfünder und 21 Zentimeter-
Mörser verlangt habe. Es seien wohl nicht nur die Bahuschwierigkeiten,
sondern der stets vorherrschende Gedanke, Paris werde durch Hunger fallen,
die Momente gewesen, die lähmend auf den artilleristischen Angriff, herab¬
drückend auf die dazu erforderlichen Mittel tatsächlich eingewirkt Hütten. In
seiner Begutachtung dieses Berichts wies Roon auf die Dringlichkeit hin, die
gesamte Belagerungsartillerie auch der Süd- und der Ostfront unter einen
gemeinsamen energischen Oberbefehlshaber zu stellen. Als solchen brachte er
den Generalmajor Prinzen Hohenlohe und zugleich für die Ingenieure den
Generalleutnant von Kameele in Vorschlag. Diesem Antrag entsprechend er¬
folgte die Ernennung beider durch Kabinettsorder vom 23. Dezember, und
damit hatte Roon seinen Bemühungen um die Beschleunigung der artilleristischen
Belagerung von Paris zu durchschlagenden Erfolge verholfen.


Die Mobilmachung von 1.870

zwinge, müsse er doch behaupten, daß die Politik eine durch die Beschießung
der Forts zu erreichende Beschleunigung sehr wünschenswert mache. Der
König forderte Roon und Moltke zum Bericht auf. Moltke erklärte, die
Frage, wann der artilleristische Angriff beginnen solle oder könne, sei nur
ans Grund militärischer Gesichtspunkte zu entscheiden. Politische Gesichts¬
punkte könnten nur Berücksichtigung finden, so weit sie uicht militärisch
Unzulässiges oder Unmögliches beanspruchten. Roon berührte in seinem Be¬
richt vom 30. November diese Frage gar nicht, sondern legte den Gang und
Stand der Bereitstellung und des Transports des Velagerungsmaterials
aktenmäßig dar und fügte hinzu, daß die Verzögerung des artilleristischen
Angriffs nicht in den Maßnahmen des Kriegsministeriums, sondern in der Ver-
fahrungsweise der Ausführnngsinstanz zu suchen sei, deren Umsicht und Energie
Seine Majestät die Heranschaffnng und Verwendung des Belagernngsmaterials
übertragen habe. Seitens des Kriegsministeriums sei allen Anforderungen
vollauf und mit größter Beschleunigung entsprochen worden. „Eine weitere
Einwirkung konnte bei den zurzeit bestehenden Ressortverhüllnissen von mir
nicht geübt werden." In einer Korrespondenz mit dem Oberkommando der
dritten Armee weist dieses die Schuld an der traurigen Beschaffenheit der
Transportmittel und der Anhäufung des Belagerungsmaterials dem Großen
Hauptquartier zu, an das das Oberkommando sechsmal mit Anträgen.
Meldungen und Berichten erfolglos herangetreten sei. In seiner Antwort an
Roon erwidert Moltke bei Rücksendung dieses Berichts am 7. Dezember, daß
eS Sache des Oberkommandos gewesen sei, geeignete Vorschlüge und Anträge
ans Abhilfe der eingetretncn Mißstände bestimmt zu formulieren. Am 7. De¬
zember erließ Roon den telegraphischen Befehl an das Kriegsministerium, mit
größter Beschleunigung einen militärischen Fuhrpark von 900 bis 1000 vier¬
spännigen Wagen zum Munitionstransport mobil zu machen und dabei das
in Metz lagernde Material an Fahrzeugen und Geschirren zu benutzen. Der
Transport begann am 13. Dezember. Am 18. Dezember hatte der zum Kom¬
mandeur der Belagerungsartillerie ernannte General von Hindersin in einer
Jmmediatvvrstelluug darauf hingewiesen, daß er am 2. Oktober, um nicht mit
unzureichenden Mitteln zu beginnen, die Überweisung vou 420 Belagerungs¬
geschützen sowie sämtlicher kurzer Vierundzwanzigpfünder und 21 Zentimeter-
Mörser verlangt habe. Es seien wohl nicht nur die Bahuschwierigkeiten,
sondern der stets vorherrschende Gedanke, Paris werde durch Hunger fallen,
die Momente gewesen, die lähmend auf den artilleristischen Angriff, herab¬
drückend auf die dazu erforderlichen Mittel tatsächlich eingewirkt Hütten. In
seiner Begutachtung dieses Berichts wies Roon auf die Dringlichkeit hin, die
gesamte Belagerungsartillerie auch der Süd- und der Ostfront unter einen
gemeinsamen energischen Oberbefehlshaber zu stellen. Als solchen brachte er
den Generalmajor Prinzen Hohenlohe und zugleich für die Ingenieure den
Generalleutnant von Kameele in Vorschlag. Diesem Antrag entsprechend er¬
folgte die Ernennung beider durch Kabinettsorder vom 23. Dezember, und
damit hatte Roon seinen Bemühungen um die Beschleunigung der artilleristischen
Belagerung von Paris zu durchschlagenden Erfolge verholfen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/84>, abgerufen am 23.07.2024.