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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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zu verraten: Albrecht, Arndt, Bernhard, Peter -- ein nicht seltner Name im Ge¬
schlechte derer von Schleinitz. Freilich beweisen auch ihre slawischen Endungen
-- Conradesdorf heißt schon 1206 Conradiz --,'daß ihre deutschen Insassen in¬
mitten einer slawischen Umgebung gar bald auch slawisch zu reden anfingen, wie
viele der im Spreewnld angesiedelten deutschen Kolonisten noch im achtzehnten
Jahrhundert slawisiert worden sind, wie noch heute viele in polnische Landstriche
des Deutschen Reichs einwandernde Deutsche gar leicht polvnisiert werden. Vielleicht
hat sich gar die ganze erste eingewanderte deutsche Generation den überwiegenden
Wenden, trotz dem einschneidenden Unterschied in den Rechten -- die Wenden
waren unfreie Grundholden, die Deutschen freie Bauern --, in vielen Dingen
assimiliert; aber allmählich muß sich doch das Deutschtum völlig durchgesetzt haben.
Dazu trugen außer der von Westen her immer nachwandernden Bauernschaft auch
die zahlreichen in der Pflege angesiedelten deutschen Rittergeschlechter mit ihren
Knechten bei.

Die heutigen Verhältnisse geben uns allerdings keinen Begriff von der dichten
ritterlichen Besiedlung des Lommatzscher Ländchens in alter Zeit, aber wenn wir
etwa das soeben von Lippert und Beschorner in mustergiltiger Weise heransgegebne
"Lehnsbnch Friedrichs des strengen von 1349/50" zugrunde legen und etwa noch
die dort zufällig uicht vollständig verzeichneten Güter hinzurechnen, die den Schleinitz
und ihren Gefreundten in der Lommatzscher Pflege gehörten, so staunen wir über
die reiche feudale Entwicklung, die sich da vor unsern Augen auftut. Da sitzen
die Beschwitz ans ihrem gleichnamigen Stammgut (jetzt Pctzschwitz), die Groze von
Döbeln auf Jessen und Zöthain, die Konitz ans Graupzig, die Wachsmutitz auf
Ickowitz, die Kobirshain auf Dörschnitz, Lautzschen, Dennschütz und Striegnitz, die
Gorenzk auf Schieritz, die Marschall von Mockritz auf Nelkanitz und Chören, die
Schaf auf Mähris, die Grünrode auf Stößwitz, Schweimnitz und Birmenitz; andre
Geschlechter erscheinen ein wenig später oder haben nur einzelne Hufen und Zinsen
in den Dörfern, wie die Nitzschwitz, Starschedel, Taubenheim, Gama, Ragwitz,
Miltitz, Rechenberg, Saalhausen, die Schönberg, die Geldzinsen aus Delmschütz,
Troger, Ibanitz, auch aus Umlitz und Berntitz beziehen -- sie sind vielleicht die
Lokatoren der beide" zuletzt genannten Dörfer, da Bernhard ein in diesem Ge¬
schlechte häufiger Name ist.

Inmitten dieser ritterlich-geistlich-bäuerlichen Welt hat das Städtlein Lommatzsch,
das wohl im dreizehnten Jahrhundert als Marktort und Zollstätte der Landschaft
auf sicherer Höhe angelegt wurde, nur eine bescheidne Rolle spielen können. Unter
Heinrich dem Erlauchten sollen Landtage dort abgehalten worden sein, aber im
Hussiten- und im Bruderkriege sank es in Asche. Zu Anfang des sechzehnten Jahr¬
hunderts hob sich das Städtchen zu neuer Blüte: 1504 bis 1514 wurde die schöne
spätgotische Kirche durch Meister Peter Ulrich von Pirna erbaut, der Meißner
Bischof Johann der Sechste von Sanlhausen hat sie geweiht, 1520/21 wurde der
große Chor zugefügt. Im Jahre 1539 hielt die Reformation ihre" Einzug, "da
die Herren Visitatores den damaligen päbstliche" Pastoren Urbanuni Kerl di-
mittiret," an seine Stelle trat als erster evangelischer Pfarrer Ambrosius Naumann.
Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wurde anch ein stattlicher, mit hohen
Erkern gekrönter Rathausbnu begonnen, 1555 vollendet. Beide Bauten sind zu
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit mehr Geschmack, als man draußen im
Lande deu Lommatzschern zutraut, wiederhergestellt worden. Namentlich die Kirche
gehört in ihrer jetzigen Gestalt zu den schönsten und stimmungsvollsten gotischen
Denkmälern unsers Landes, und wenn die mächtigen Tonwellen der Orgel zu uns
hernnterschweben, so denken wir daran, daß sich in diesen edel" Gewölben der
musikalische Sinn Richard Volkmanns bildete, der, 1815 im Kantorhanse dicht bei
der Kirche geboren, schon als Knabe hier auf der Orgelbank saß und dem Vater
das Einstudiere" der Kirchenmusik abnahm. Was die Lommatzscher selbst zur Zeit
der Blüte ihrer Stadt von ihr "keinem, das spricht der damalige Annalist


zu verraten: Albrecht, Arndt, Bernhard, Peter — ein nicht seltner Name im Ge¬
schlechte derer von Schleinitz. Freilich beweisen auch ihre slawischen Endungen
— Conradesdorf heißt schon 1206 Conradiz —,'daß ihre deutschen Insassen in¬
mitten einer slawischen Umgebung gar bald auch slawisch zu reden anfingen, wie
viele der im Spreewnld angesiedelten deutschen Kolonisten noch im achtzehnten
Jahrhundert slawisiert worden sind, wie noch heute viele in polnische Landstriche
des Deutschen Reichs einwandernde Deutsche gar leicht polvnisiert werden. Vielleicht
hat sich gar die ganze erste eingewanderte deutsche Generation den überwiegenden
Wenden, trotz dem einschneidenden Unterschied in den Rechten — die Wenden
waren unfreie Grundholden, die Deutschen freie Bauern —, in vielen Dingen
assimiliert; aber allmählich muß sich doch das Deutschtum völlig durchgesetzt haben.
Dazu trugen außer der von Westen her immer nachwandernden Bauernschaft auch
die zahlreichen in der Pflege angesiedelten deutschen Rittergeschlechter mit ihren
Knechten bei.

Die heutigen Verhältnisse geben uns allerdings keinen Begriff von der dichten
ritterlichen Besiedlung des Lommatzscher Ländchens in alter Zeit, aber wenn wir
etwa das soeben von Lippert und Beschorner in mustergiltiger Weise heransgegebne
„Lehnsbnch Friedrichs des strengen von 1349/50" zugrunde legen und etwa noch
die dort zufällig uicht vollständig verzeichneten Güter hinzurechnen, die den Schleinitz
und ihren Gefreundten in der Lommatzscher Pflege gehörten, so staunen wir über
die reiche feudale Entwicklung, die sich da vor unsern Augen auftut. Da sitzen
die Beschwitz ans ihrem gleichnamigen Stammgut (jetzt Pctzschwitz), die Groze von
Döbeln auf Jessen und Zöthain, die Konitz ans Graupzig, die Wachsmutitz auf
Ickowitz, die Kobirshain auf Dörschnitz, Lautzschen, Dennschütz und Striegnitz, die
Gorenzk auf Schieritz, die Marschall von Mockritz auf Nelkanitz und Chören, die
Schaf auf Mähris, die Grünrode auf Stößwitz, Schweimnitz und Birmenitz; andre
Geschlechter erscheinen ein wenig später oder haben nur einzelne Hufen und Zinsen
in den Dörfern, wie die Nitzschwitz, Starschedel, Taubenheim, Gama, Ragwitz,
Miltitz, Rechenberg, Saalhausen, die Schönberg, die Geldzinsen aus Delmschütz,
Troger, Ibanitz, auch aus Umlitz und Berntitz beziehen — sie sind vielleicht die
Lokatoren der beide» zuletzt genannten Dörfer, da Bernhard ein in diesem Ge¬
schlechte häufiger Name ist.

Inmitten dieser ritterlich-geistlich-bäuerlichen Welt hat das Städtlein Lommatzsch,
das wohl im dreizehnten Jahrhundert als Marktort und Zollstätte der Landschaft
auf sicherer Höhe angelegt wurde, nur eine bescheidne Rolle spielen können. Unter
Heinrich dem Erlauchten sollen Landtage dort abgehalten worden sein, aber im
Hussiten- und im Bruderkriege sank es in Asche. Zu Anfang des sechzehnten Jahr¬
hunderts hob sich das Städtchen zu neuer Blüte: 1504 bis 1514 wurde die schöne
spätgotische Kirche durch Meister Peter Ulrich von Pirna erbaut, der Meißner
Bischof Johann der Sechste von Sanlhausen hat sie geweiht, 1520/21 wurde der
große Chor zugefügt. Im Jahre 1539 hielt die Reformation ihre» Einzug, „da
die Herren Visitatores den damaligen päbstliche» Pastoren Urbanuni Kerl di-
mittiret," an seine Stelle trat als erster evangelischer Pfarrer Ambrosius Naumann.
Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wurde anch ein stattlicher, mit hohen
Erkern gekrönter Rathausbnu begonnen, 1555 vollendet. Beide Bauten sind zu
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit mehr Geschmack, als man draußen im
Lande deu Lommatzschern zutraut, wiederhergestellt worden. Namentlich die Kirche
gehört in ihrer jetzigen Gestalt zu den schönsten und stimmungsvollsten gotischen
Denkmälern unsers Landes, und wenn die mächtigen Tonwellen der Orgel zu uns
hernnterschweben, so denken wir daran, daß sich in diesen edel» Gewölben der
musikalische Sinn Richard Volkmanns bildete, der, 1815 im Kantorhanse dicht bei
der Kirche geboren, schon als Knabe hier auf der Orgelbank saß und dem Vater
das Einstudiere» der Kirchenmusik abnahm. Was die Lommatzscher selbst zur Zeit
der Blüte ihrer Stadt von ihr »keinem, das spricht der damalige Annalist


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[0566] zu verraten: Albrecht, Arndt, Bernhard, Peter — ein nicht seltner Name im Ge¬ schlechte derer von Schleinitz. Freilich beweisen auch ihre slawischen Endungen — Conradesdorf heißt schon 1206 Conradiz —,'daß ihre deutschen Insassen in¬ mitten einer slawischen Umgebung gar bald auch slawisch zu reden anfingen, wie viele der im Spreewnld angesiedelten deutschen Kolonisten noch im achtzehnten Jahrhundert slawisiert worden sind, wie noch heute viele in polnische Landstriche des Deutschen Reichs einwandernde Deutsche gar leicht polvnisiert werden. Vielleicht hat sich gar die ganze erste eingewanderte deutsche Generation den überwiegenden Wenden, trotz dem einschneidenden Unterschied in den Rechten — die Wenden waren unfreie Grundholden, die Deutschen freie Bauern —, in vielen Dingen assimiliert; aber allmählich muß sich doch das Deutschtum völlig durchgesetzt haben. Dazu trugen außer der von Westen her immer nachwandernden Bauernschaft auch die zahlreichen in der Pflege angesiedelten deutschen Rittergeschlechter mit ihren Knechten bei. Die heutigen Verhältnisse geben uns allerdings keinen Begriff von der dichten ritterlichen Besiedlung des Lommatzscher Ländchens in alter Zeit, aber wenn wir etwa das soeben von Lippert und Beschorner in mustergiltiger Weise heransgegebne „Lehnsbnch Friedrichs des strengen von 1349/50" zugrunde legen und etwa noch die dort zufällig uicht vollständig verzeichneten Güter hinzurechnen, die den Schleinitz und ihren Gefreundten in der Lommatzscher Pflege gehörten, so staunen wir über die reiche feudale Entwicklung, die sich da vor unsern Augen auftut. Da sitzen die Beschwitz ans ihrem gleichnamigen Stammgut (jetzt Pctzschwitz), die Groze von Döbeln auf Jessen und Zöthain, die Konitz ans Graupzig, die Wachsmutitz auf Ickowitz, die Kobirshain auf Dörschnitz, Lautzschen, Dennschütz und Striegnitz, die Gorenzk auf Schieritz, die Marschall von Mockritz auf Nelkanitz und Chören, die Schaf auf Mähris, die Grünrode auf Stößwitz, Schweimnitz und Birmenitz; andre Geschlechter erscheinen ein wenig später oder haben nur einzelne Hufen und Zinsen in den Dörfern, wie die Nitzschwitz, Starschedel, Taubenheim, Gama, Ragwitz, Miltitz, Rechenberg, Saalhausen, die Schönberg, die Geldzinsen aus Delmschütz, Troger, Ibanitz, auch aus Umlitz und Berntitz beziehen — sie sind vielleicht die Lokatoren der beide» zuletzt genannten Dörfer, da Bernhard ein in diesem Ge¬ schlechte häufiger Name ist. Inmitten dieser ritterlich-geistlich-bäuerlichen Welt hat das Städtlein Lommatzsch, das wohl im dreizehnten Jahrhundert als Marktort und Zollstätte der Landschaft auf sicherer Höhe angelegt wurde, nur eine bescheidne Rolle spielen können. Unter Heinrich dem Erlauchten sollen Landtage dort abgehalten worden sein, aber im Hussiten- und im Bruderkriege sank es in Asche. Zu Anfang des sechzehnten Jahr¬ hunderts hob sich das Städtchen zu neuer Blüte: 1504 bis 1514 wurde die schöne spätgotische Kirche durch Meister Peter Ulrich von Pirna erbaut, der Meißner Bischof Johann der Sechste von Sanlhausen hat sie geweiht, 1520/21 wurde der große Chor zugefügt. Im Jahre 1539 hielt die Reformation ihre» Einzug, „da die Herren Visitatores den damaligen päbstliche» Pastoren Urbanuni Kerl di- mittiret," an seine Stelle trat als erster evangelischer Pfarrer Ambrosius Naumann. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wurde anch ein stattlicher, mit hohen Erkern gekrönter Rathausbnu begonnen, 1555 vollendet. Beide Bauten sind zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit mehr Geschmack, als man draußen im Lande deu Lommatzschern zutraut, wiederhergestellt worden. Namentlich die Kirche gehört in ihrer jetzigen Gestalt zu den schönsten und stimmungsvollsten gotischen Denkmälern unsers Landes, und wenn die mächtigen Tonwellen der Orgel zu uns hernnterschweben, so denken wir daran, daß sich in diesen edel» Gewölben der musikalische Sinn Richard Volkmanns bildete, der, 1815 im Kantorhanse dicht bei der Kirche geboren, schon als Knabe hier auf der Orgelbank saß und dem Vater das Einstudiere» der Kirchenmusik abnahm. Was die Lommatzscher selbst zur Zeit der Blüte ihrer Stadt von ihr »keinem, das spricht der damalige Annalist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/566>, abgerufen am 22.12.2024.