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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Im alten Brüssel

Es blieb still in Oomkes Stube, den Branntwein hatte er sich nun doch nicht
geholt. Ob er jetzt endlich dem entkräfteter Körper nachgegeben hatte und auf
seinem Bett zusammengebrochen war? Sie hielt jetzt Wache hier vor seiner Tür,
aber zu ihm hinein ging sie nicht wieder.


26

Endlich hatte sich Ovale seines Vaters Wunsch, einen Arzt herbeizurufen,
gefügt. Der joviale Herr unterhielt sich prächtig mit Papa Toone, nickte ver¬
ständnisvoll bei der Untersuchung des fiebernden Kranken und stellte Fintje ohne
weiteres als Pflegeschwester an.

Fintje saß am Bett, erneuerte dem Fiebernden die kalten Umschläge, wachte
halbe Nächte bei ihm und freute sich beinahe der langen Bewußtlosigkeit des
Kranken. Sie hatte es an sich selbst erfahren, wie so eine Krankheit erlösend auf
den Menschen wirkt, wenn er sich nicht mehr zurechtzufinden weiß im Leben. Wie
ein neuer Mensch würde Ovale aus diesem schweren Fieber erwachen, und die Zeit
seiner Gefangenschaft würde plötzlich weit zurückliegen in seinem Gedächtnis, das
Leben aber sich unermeßlich, wie unbetretnes Land vor ihm ausdehnen. Dann mußte
die Frage, wie er es fortan mit diesem Leben halten sollte, an ihn herantreten.

Fintje grübelte angestrengt über diese Frage: Was wird Ovale nach der
Genesung beginnen? Dichten mußte er wieder, daraufhin hatte er all die Jahre
lang gelernt, das würde ihn wohltätig hinüberlenken von seinen verletzten Gefühlen
auf erdichtete Leiden und Freuden.

Sie bat Papa Toone, dem Sohne zuzusprechen, daß er wieder Theaterstücke
schreiben möchte für die alten Marionetten, die wenn auch unter andrer Leitung,
doch weiterlebten und weiterspielten im alten Pouchenellekeller.

Ach, Ovale wollte vom Dichten nichts mehr wissen. Er strich mit den ab¬
gemagerten Händen über die Bettdecke und schüttelte traurig den Kopf.

Ich -- dichten? Nein, damit ist es nun vorbei.

Mit dem Dichten war es vorbei? Fintje senkte den Kopf tiefer über ihre
Klöppelarbeit, während die Tränen ihr in den Schoß tröpfelten. Sie saß am
Fenster, und das Licht fiel voll auf ihr Haar, sodaß es wie Feuer leuchtete.

Oomkes Augen ruhten stetig auf Fintje, wenn sie dort am Fenster saß; nur
wenn sie den Kopf hob, um nach ihm zu sehen, wandte er den Blick hastig ab.

Er schien sich an ihre Gegenwart gewöhnt zu haben, wie sich Kranke an die
Dinge gewöhnen, die ihren Blicken immer wieder begegnen, wenn sie die müden
Augen nach den langen Fieberträumen wieder öffnen.

Einmal, in der verschwiegnen Dämmerung, richtete er sich auf dem Ellbogen
auf. Fintje, Jan l'Grand wars ja nicht, dem du nachgelaufen bist! Irgendein
Fremder, der dir schöne Dinge versprach, hat dich besessen. Warum hast du ihn
nicht ins Gesicht geschlagen, den verdammten Reichen? Dn tatest doch sonst so stolz
und verächtlich erhaben über nettete Perle Amour. Warum hast du es denn getan?
Nur um der Kleider und Blumen und all der bestechenden Frnuendiuge willen?

Nein, weil ich ihn lieb hatte, sagte Fintje leise und fest, und der Kranke ließ
sich wieder zurückfallen und fragte sie nicht weiter.

Was konnte er denn beginnen? Welche Arbeit möchte ihm zusagen? Fintje
grübelte und grübelte. Sie sah die geschickten, geduldigen Hände des schwächlichen
Knaben wieder vor sich, wie er hinter dem Tisch saß und an den Marionetten
herumbastelte. Bei der Arbeit war er immer zufrieden gewesen. So eine feine,
geduldige Beschäftigung mußte sie ihm ausfindig machen, dem armen Onkelchen,
das nicht mehr an seinen Puppenkindern herumdoktern konnte.

Während Fintje grübelte, schlug die alte Kuckucksuhr an der Wand. Der
kleine blaue Vogel verneigte sich unausgesetzt und rief eine Stunde aus, die mit
dem Stand der Sonne stark im Widerspruch stand. Die alte Kuckucksuhr hatte
bei dem Umzug aus dem Pouchenellekeller in die Rentierswohnung wohl Schaden
gelitten. Sie muß repariert werden, sagte sich Fintje. Aber der nächste Uhrmacher
wohnt weit --


Im alten Brüssel

Es blieb still in Oomkes Stube, den Branntwein hatte er sich nun doch nicht
geholt. Ob er jetzt endlich dem entkräfteter Körper nachgegeben hatte und auf
seinem Bett zusammengebrochen war? Sie hielt jetzt Wache hier vor seiner Tür,
aber zu ihm hinein ging sie nicht wieder.


26

Endlich hatte sich Ovale seines Vaters Wunsch, einen Arzt herbeizurufen,
gefügt. Der joviale Herr unterhielt sich prächtig mit Papa Toone, nickte ver¬
ständnisvoll bei der Untersuchung des fiebernden Kranken und stellte Fintje ohne
weiteres als Pflegeschwester an.

Fintje saß am Bett, erneuerte dem Fiebernden die kalten Umschläge, wachte
halbe Nächte bei ihm und freute sich beinahe der langen Bewußtlosigkeit des
Kranken. Sie hatte es an sich selbst erfahren, wie so eine Krankheit erlösend auf
den Menschen wirkt, wenn er sich nicht mehr zurechtzufinden weiß im Leben. Wie
ein neuer Mensch würde Ovale aus diesem schweren Fieber erwachen, und die Zeit
seiner Gefangenschaft würde plötzlich weit zurückliegen in seinem Gedächtnis, das
Leben aber sich unermeßlich, wie unbetretnes Land vor ihm ausdehnen. Dann mußte
die Frage, wie er es fortan mit diesem Leben halten sollte, an ihn herantreten.

Fintje grübelte angestrengt über diese Frage: Was wird Ovale nach der
Genesung beginnen? Dichten mußte er wieder, daraufhin hatte er all die Jahre
lang gelernt, das würde ihn wohltätig hinüberlenken von seinen verletzten Gefühlen
auf erdichtete Leiden und Freuden.

Sie bat Papa Toone, dem Sohne zuzusprechen, daß er wieder Theaterstücke
schreiben möchte für die alten Marionetten, die wenn auch unter andrer Leitung,
doch weiterlebten und weiterspielten im alten Pouchenellekeller.

Ach, Ovale wollte vom Dichten nichts mehr wissen. Er strich mit den ab¬
gemagerten Händen über die Bettdecke und schüttelte traurig den Kopf.

Ich — dichten? Nein, damit ist es nun vorbei.

Mit dem Dichten war es vorbei? Fintje senkte den Kopf tiefer über ihre
Klöppelarbeit, während die Tränen ihr in den Schoß tröpfelten. Sie saß am
Fenster, und das Licht fiel voll auf ihr Haar, sodaß es wie Feuer leuchtete.

Oomkes Augen ruhten stetig auf Fintje, wenn sie dort am Fenster saß; nur
wenn sie den Kopf hob, um nach ihm zu sehen, wandte er den Blick hastig ab.

Er schien sich an ihre Gegenwart gewöhnt zu haben, wie sich Kranke an die
Dinge gewöhnen, die ihren Blicken immer wieder begegnen, wenn sie die müden
Augen nach den langen Fieberträumen wieder öffnen.

Einmal, in der verschwiegnen Dämmerung, richtete er sich auf dem Ellbogen
auf. Fintje, Jan l'Grand wars ja nicht, dem du nachgelaufen bist! Irgendein
Fremder, der dir schöne Dinge versprach, hat dich besessen. Warum hast du ihn
nicht ins Gesicht geschlagen, den verdammten Reichen? Dn tatest doch sonst so stolz
und verächtlich erhaben über nettete Perle Amour. Warum hast du es denn getan?
Nur um der Kleider und Blumen und all der bestechenden Frnuendiuge willen?

Nein, weil ich ihn lieb hatte, sagte Fintje leise und fest, und der Kranke ließ
sich wieder zurückfallen und fragte sie nicht weiter.

Was konnte er denn beginnen? Welche Arbeit möchte ihm zusagen? Fintje
grübelte und grübelte. Sie sah die geschickten, geduldigen Hände des schwächlichen
Knaben wieder vor sich, wie er hinter dem Tisch saß und an den Marionetten
herumbastelte. Bei der Arbeit war er immer zufrieden gewesen. So eine feine,
geduldige Beschäftigung mußte sie ihm ausfindig machen, dem armen Onkelchen,
das nicht mehr an seinen Puppenkindern herumdoktern konnte.

Während Fintje grübelte, schlug die alte Kuckucksuhr an der Wand. Der
kleine blaue Vogel verneigte sich unausgesetzt und rief eine Stunde aus, die mit
dem Stand der Sonne stark im Widerspruch stand. Die alte Kuckucksuhr hatte
bei dem Umzug aus dem Pouchenellekeller in die Rentierswohnung wohl Schaden
gelitten. Sie muß repariert werden, sagte sich Fintje. Aber der nächste Uhrmacher
wohnt weit —


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[0521] Im alten Brüssel Es blieb still in Oomkes Stube, den Branntwein hatte er sich nun doch nicht geholt. Ob er jetzt endlich dem entkräfteter Körper nachgegeben hatte und auf seinem Bett zusammengebrochen war? Sie hielt jetzt Wache hier vor seiner Tür, aber zu ihm hinein ging sie nicht wieder. 26 Endlich hatte sich Ovale seines Vaters Wunsch, einen Arzt herbeizurufen, gefügt. Der joviale Herr unterhielt sich prächtig mit Papa Toone, nickte ver¬ ständnisvoll bei der Untersuchung des fiebernden Kranken und stellte Fintje ohne weiteres als Pflegeschwester an. Fintje saß am Bett, erneuerte dem Fiebernden die kalten Umschläge, wachte halbe Nächte bei ihm und freute sich beinahe der langen Bewußtlosigkeit des Kranken. Sie hatte es an sich selbst erfahren, wie so eine Krankheit erlösend auf den Menschen wirkt, wenn er sich nicht mehr zurechtzufinden weiß im Leben. Wie ein neuer Mensch würde Ovale aus diesem schweren Fieber erwachen, und die Zeit seiner Gefangenschaft würde plötzlich weit zurückliegen in seinem Gedächtnis, das Leben aber sich unermeßlich, wie unbetretnes Land vor ihm ausdehnen. Dann mußte die Frage, wie er es fortan mit diesem Leben halten sollte, an ihn herantreten. Fintje grübelte angestrengt über diese Frage: Was wird Ovale nach der Genesung beginnen? Dichten mußte er wieder, daraufhin hatte er all die Jahre lang gelernt, das würde ihn wohltätig hinüberlenken von seinen verletzten Gefühlen auf erdichtete Leiden und Freuden. Sie bat Papa Toone, dem Sohne zuzusprechen, daß er wieder Theaterstücke schreiben möchte für die alten Marionetten, die wenn auch unter andrer Leitung, doch weiterlebten und weiterspielten im alten Pouchenellekeller. Ach, Ovale wollte vom Dichten nichts mehr wissen. Er strich mit den ab¬ gemagerten Händen über die Bettdecke und schüttelte traurig den Kopf. Ich — dichten? Nein, damit ist es nun vorbei. Mit dem Dichten war es vorbei? Fintje senkte den Kopf tiefer über ihre Klöppelarbeit, während die Tränen ihr in den Schoß tröpfelten. Sie saß am Fenster, und das Licht fiel voll auf ihr Haar, sodaß es wie Feuer leuchtete. Oomkes Augen ruhten stetig auf Fintje, wenn sie dort am Fenster saß; nur wenn sie den Kopf hob, um nach ihm zu sehen, wandte er den Blick hastig ab. Er schien sich an ihre Gegenwart gewöhnt zu haben, wie sich Kranke an die Dinge gewöhnen, die ihren Blicken immer wieder begegnen, wenn sie die müden Augen nach den langen Fieberträumen wieder öffnen. Einmal, in der verschwiegnen Dämmerung, richtete er sich auf dem Ellbogen auf. Fintje, Jan l'Grand wars ja nicht, dem du nachgelaufen bist! Irgendein Fremder, der dir schöne Dinge versprach, hat dich besessen. Warum hast du ihn nicht ins Gesicht geschlagen, den verdammten Reichen? Dn tatest doch sonst so stolz und verächtlich erhaben über nettete Perle Amour. Warum hast du es denn getan? Nur um der Kleider und Blumen und all der bestechenden Frnuendiuge willen? Nein, weil ich ihn lieb hatte, sagte Fintje leise und fest, und der Kranke ließ sich wieder zurückfallen und fragte sie nicht weiter. Was konnte er denn beginnen? Welche Arbeit möchte ihm zusagen? Fintje grübelte und grübelte. Sie sah die geschickten, geduldigen Hände des schwächlichen Knaben wieder vor sich, wie er hinter dem Tisch saß und an den Marionetten herumbastelte. Bei der Arbeit war er immer zufrieden gewesen. So eine feine, geduldige Beschäftigung mußte sie ihm ausfindig machen, dem armen Onkelchen, das nicht mehr an seinen Puppenkindern herumdoktern konnte. Während Fintje grübelte, schlug die alte Kuckucksuhr an der Wand. Der kleine blaue Vogel verneigte sich unausgesetzt und rief eine Stunde aus, die mit dem Stand der Sonne stark im Widerspruch stand. Die alte Kuckucksuhr hatte bei dem Umzug aus dem Pouchenellekeller in die Rentierswohnung wohl Schaden gelitten. Sie muß repariert werden, sagte sich Fintje. Aber der nächste Uhrmacher wohnt weit —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/521>, abgerufen am 23.07.2024.