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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Im alten Brüssel

zugleich das Gemüt erhebt und die Sinne erregt. Eine lange, dichtgedrängte
Menschenkette zieht sich rings um den großen, leeren, sonnbestrahlten Platz.

Jetzt kommen sie!

Voraus, auf ihren tänzelnden Pferden, die stolzen Gulden, des Königs eitles
Leibregiment, und dann die weißgekleideten kleinen Mädchen mit ihren Blumen-
guirlanden, die lila umschleierten Jungfrauen Christi mit den goldnen Jnsignien
der Kreuzigung, endlich unter schwankendem Baldachin der von Priestern unigebne
Erzbischof mit dem Allerheiligsten. Er besteigt in goldbesticktem Gewände den Altar,
er hebt die Arme empor und segnet die alte, heilige, schöne Grand' Place und seine
guten Brüßler Kinder. Weit hiugestreut über den vom Militär umsäumten freien
Platz knien, Schneeflocken gleich, die weißen Kinder. Und das Volk, das vor wenig
Tagen der Kirche und den verhaßten Pfaffen geflucht hat, steht still und schaut
mit andächtigen Augen die bunte, feierliche Pracht.

Nur eine rohe Männerstimme durchkreuzt grell diese beschauliche Andacht: Seht
die Pfaffe"! Die schmutzigen Jesuiten, die ehrlosen Betrüger! Unsre Soldaten
benutzen sie! Unsre Soldaten im Dienst der schmutzigen Pfaffen -- pfui! Wer
bezahlt sie aber? Ich -- und du -- und du!

Was will der aufgeregte Mensch? Er kommt zu spät mit seiner Entrüstung.
Ungestört wollen die Brüßler den weihevollen Anblick genießen. Weg mit dem
Schreier! Keiner hebt die Hand, den Schutzmann zu hindern, wie er mit schnellem,
sicherm Griff den Ruhestörer faßt und ins Rathaus drängt. O'sse disu kalt! Wie
konnte er so verletzend in die Andachtsschauer all der begeisterten Herzen hinein¬
schreien?

Der Priester segnet seine stillen, frommen Kinder.

Gleichgiltig und zufrieden schauen die alten Häuser drein. Dasselbe Schau¬
spiel haben sie schon seit Jahrhunderten gesehen, Blut haben sie fließen sehen,
Könige sich belustigen und Narren tanzen, nichts überrascht sie mehr.

Die Kirche ist allmächtig! Die Erkenntnis stammt ihnen noch vom Mittel¬
alter her, und sie glauben, seitdem habe sich nichts verändert in der Welt. Wer
möchte solchen Glauben auch den alten Häusern der Grand' Place verdenken?

Die Brüßler Kirmes geht an. Auf dem Boulevard du Midi ziehn sich hoch
über den Köpfen der Menge Ketten mattleuchtender Papierlaternen über den Fahr¬
weg hin und her. Die jungen Platanen stehn wie Christbäume da, mit kleinen
bunten elektrischen Birnchen bespickt. Triumphpforten von Gold und Silber
strotzend, mit grell bemalten Holzstatuen, Flaggen und zitternden Transparenten
geschmückt, verberge" das bunte Leben der Karussells, der Theater und der
Zirkusse. Es ist ein funkelndes Glitzern, ein blechernes Musikgeschmetter den ganzen
Boulevard lang.

Scharenweise kommen die Marolliens von der Porte de Hat herunter ge¬
zogen in dieses Lichter- und Tönemeer. Sie tragen feurige Papierblumen im
Knopfloch, die alten Loustics. Sie fahren auf den barocken Tiergestalten der
Karussells durch schwarze Tunnels und über glitzernde Seen, immer rund um.
Sie schießen an den Schießbuden die Tonpfeifen in Stücke, die vor den fratzigen
Holzgesichtern baumeln. Sie schlagen mit aller Kraft ihrer sehnigen Arme den
Hammer des kleinen Lukas, daß die Metallscheibe hoch emporsaust an der langen
Stange und oben an der Spitze die Glocke anschlägt. Sie drängen sich in die
blitzblanken niederländischen Waffelbuden, in denen es Kritzelt und bratzelt von
kochendem Fett, reihen sich behaglich in die schmalen Schiffskojen zur Seite der
langen Bude und essen salzbestreute "Pommes frites" für einen Sous mit ihren
ungewaschnen Fingern. Überall sind die Marolliens, sie sind bei allem die
lautesten und die lustigsten, sie, die leichtlebigsten Kinder des vergnügungssüchtigen
belgischen Volkes.

Das Volkshaus steht leer. Van der Velde spricht nicht mehr. "Unsre tote
Saison" nennt solche Zeiten, die ihm nicht gefallen wollen, der gebildete Portier.


Grenzboten I 1905 67
Im alten Brüssel

zugleich das Gemüt erhebt und die Sinne erregt. Eine lange, dichtgedrängte
Menschenkette zieht sich rings um den großen, leeren, sonnbestrahlten Platz.

Jetzt kommen sie!

Voraus, auf ihren tänzelnden Pferden, die stolzen Gulden, des Königs eitles
Leibregiment, und dann die weißgekleideten kleinen Mädchen mit ihren Blumen-
guirlanden, die lila umschleierten Jungfrauen Christi mit den goldnen Jnsignien
der Kreuzigung, endlich unter schwankendem Baldachin der von Priestern unigebne
Erzbischof mit dem Allerheiligsten. Er besteigt in goldbesticktem Gewände den Altar,
er hebt die Arme empor und segnet die alte, heilige, schöne Grand' Place und seine
guten Brüßler Kinder. Weit hiugestreut über den vom Militär umsäumten freien
Platz knien, Schneeflocken gleich, die weißen Kinder. Und das Volk, das vor wenig
Tagen der Kirche und den verhaßten Pfaffen geflucht hat, steht still und schaut
mit andächtigen Augen die bunte, feierliche Pracht.

Nur eine rohe Männerstimme durchkreuzt grell diese beschauliche Andacht: Seht
die Pfaffe»! Die schmutzigen Jesuiten, die ehrlosen Betrüger! Unsre Soldaten
benutzen sie! Unsre Soldaten im Dienst der schmutzigen Pfaffen — pfui! Wer
bezahlt sie aber? Ich — und du — und du!

Was will der aufgeregte Mensch? Er kommt zu spät mit seiner Entrüstung.
Ungestört wollen die Brüßler den weihevollen Anblick genießen. Weg mit dem
Schreier! Keiner hebt die Hand, den Schutzmann zu hindern, wie er mit schnellem,
sicherm Griff den Ruhestörer faßt und ins Rathaus drängt. O'sse disu kalt! Wie
konnte er so verletzend in die Andachtsschauer all der begeisterten Herzen hinein¬
schreien?

Der Priester segnet seine stillen, frommen Kinder.

Gleichgiltig und zufrieden schauen die alten Häuser drein. Dasselbe Schau¬
spiel haben sie schon seit Jahrhunderten gesehen, Blut haben sie fließen sehen,
Könige sich belustigen und Narren tanzen, nichts überrascht sie mehr.

Die Kirche ist allmächtig! Die Erkenntnis stammt ihnen noch vom Mittel¬
alter her, und sie glauben, seitdem habe sich nichts verändert in der Welt. Wer
möchte solchen Glauben auch den alten Häusern der Grand' Place verdenken?

Die Brüßler Kirmes geht an. Auf dem Boulevard du Midi ziehn sich hoch
über den Köpfen der Menge Ketten mattleuchtender Papierlaternen über den Fahr¬
weg hin und her. Die jungen Platanen stehn wie Christbäume da, mit kleinen
bunten elektrischen Birnchen bespickt. Triumphpforten von Gold und Silber
strotzend, mit grell bemalten Holzstatuen, Flaggen und zitternden Transparenten
geschmückt, verberge» das bunte Leben der Karussells, der Theater und der
Zirkusse. Es ist ein funkelndes Glitzern, ein blechernes Musikgeschmetter den ganzen
Boulevard lang.

Scharenweise kommen die Marolliens von der Porte de Hat herunter ge¬
zogen in dieses Lichter- und Tönemeer. Sie tragen feurige Papierblumen im
Knopfloch, die alten Loustics. Sie fahren auf den barocken Tiergestalten der
Karussells durch schwarze Tunnels und über glitzernde Seen, immer rund um.
Sie schießen an den Schießbuden die Tonpfeifen in Stücke, die vor den fratzigen
Holzgesichtern baumeln. Sie schlagen mit aller Kraft ihrer sehnigen Arme den
Hammer des kleinen Lukas, daß die Metallscheibe hoch emporsaust an der langen
Stange und oben an der Spitze die Glocke anschlägt. Sie drängen sich in die
blitzblanken niederländischen Waffelbuden, in denen es Kritzelt und bratzelt von
kochendem Fett, reihen sich behaglich in die schmalen Schiffskojen zur Seite der
langen Bude und essen salzbestreute „Pommes frites" für einen Sous mit ihren
ungewaschnen Fingern. Überall sind die Marolliens, sie sind bei allem die
lautesten und die lustigsten, sie, die leichtlebigsten Kinder des vergnügungssüchtigen
belgischen Volkes.

Das Volkshaus steht leer. Van der Velde spricht nicht mehr. „Unsre tote
Saison" nennt solche Zeiten, die ihm nicht gefallen wollen, der gebildete Portier.


Grenzboten I 1905 67
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[0517] Im alten Brüssel zugleich das Gemüt erhebt und die Sinne erregt. Eine lange, dichtgedrängte Menschenkette zieht sich rings um den großen, leeren, sonnbestrahlten Platz. Jetzt kommen sie! Voraus, auf ihren tänzelnden Pferden, die stolzen Gulden, des Königs eitles Leibregiment, und dann die weißgekleideten kleinen Mädchen mit ihren Blumen- guirlanden, die lila umschleierten Jungfrauen Christi mit den goldnen Jnsignien der Kreuzigung, endlich unter schwankendem Baldachin der von Priestern unigebne Erzbischof mit dem Allerheiligsten. Er besteigt in goldbesticktem Gewände den Altar, er hebt die Arme empor und segnet die alte, heilige, schöne Grand' Place und seine guten Brüßler Kinder. Weit hiugestreut über den vom Militär umsäumten freien Platz knien, Schneeflocken gleich, die weißen Kinder. Und das Volk, das vor wenig Tagen der Kirche und den verhaßten Pfaffen geflucht hat, steht still und schaut mit andächtigen Augen die bunte, feierliche Pracht. Nur eine rohe Männerstimme durchkreuzt grell diese beschauliche Andacht: Seht die Pfaffe»! Die schmutzigen Jesuiten, die ehrlosen Betrüger! Unsre Soldaten benutzen sie! Unsre Soldaten im Dienst der schmutzigen Pfaffen — pfui! Wer bezahlt sie aber? Ich — und du — und du! Was will der aufgeregte Mensch? Er kommt zu spät mit seiner Entrüstung. Ungestört wollen die Brüßler den weihevollen Anblick genießen. Weg mit dem Schreier! Keiner hebt die Hand, den Schutzmann zu hindern, wie er mit schnellem, sicherm Griff den Ruhestörer faßt und ins Rathaus drängt. O'sse disu kalt! Wie konnte er so verletzend in die Andachtsschauer all der begeisterten Herzen hinein¬ schreien? Der Priester segnet seine stillen, frommen Kinder. Gleichgiltig und zufrieden schauen die alten Häuser drein. Dasselbe Schau¬ spiel haben sie schon seit Jahrhunderten gesehen, Blut haben sie fließen sehen, Könige sich belustigen und Narren tanzen, nichts überrascht sie mehr. Die Kirche ist allmächtig! Die Erkenntnis stammt ihnen noch vom Mittel¬ alter her, und sie glauben, seitdem habe sich nichts verändert in der Welt. Wer möchte solchen Glauben auch den alten Häusern der Grand' Place verdenken? Die Brüßler Kirmes geht an. Auf dem Boulevard du Midi ziehn sich hoch über den Köpfen der Menge Ketten mattleuchtender Papierlaternen über den Fahr¬ weg hin und her. Die jungen Platanen stehn wie Christbäume da, mit kleinen bunten elektrischen Birnchen bespickt. Triumphpforten von Gold und Silber strotzend, mit grell bemalten Holzstatuen, Flaggen und zitternden Transparenten geschmückt, verberge» das bunte Leben der Karussells, der Theater und der Zirkusse. Es ist ein funkelndes Glitzern, ein blechernes Musikgeschmetter den ganzen Boulevard lang. Scharenweise kommen die Marolliens von der Porte de Hat herunter ge¬ zogen in dieses Lichter- und Tönemeer. Sie tragen feurige Papierblumen im Knopfloch, die alten Loustics. Sie fahren auf den barocken Tiergestalten der Karussells durch schwarze Tunnels und über glitzernde Seen, immer rund um. Sie schießen an den Schießbuden die Tonpfeifen in Stücke, die vor den fratzigen Holzgesichtern baumeln. Sie schlagen mit aller Kraft ihrer sehnigen Arme den Hammer des kleinen Lukas, daß die Metallscheibe hoch emporsaust an der langen Stange und oben an der Spitze die Glocke anschlägt. Sie drängen sich in die blitzblanken niederländischen Waffelbuden, in denen es Kritzelt und bratzelt von kochendem Fett, reihen sich behaglich in die schmalen Schiffskojen zur Seite der langen Bude und essen salzbestreute „Pommes frites" für einen Sous mit ihren ungewaschnen Fingern. Überall sind die Marolliens, sie sind bei allem die lautesten und die lustigsten, sie, die leichtlebigsten Kinder des vergnügungssüchtigen belgischen Volkes. Das Volkshaus steht leer. Van der Velde spricht nicht mehr. „Unsre tote Saison" nennt solche Zeiten, die ihm nicht gefallen wollen, der gebildete Portier. Grenzboten I 1905 67

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/517>, abgerufen am 03.07.2024.