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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Hohenzollern bei Goethe

keine Schonung der Interessen und Ideen der Franzosen walten ließen und
ihr Werk so gestalteten, daß sich die nationale Bewegung nördlich und südlich
von den Alpen entwickeln und daß sie sieghaft werden konnte und mußte.




Die Hohenzollern bei Goethe
U. Ghlert vonin Köln am Rhein

.er Altmeister erkannte mit scharfem Blick, daß die Hohenzollern
über andre Fürstenhäuser seiner Zeit hinausragten, und hat ein¬
zelnen Vertretern dieses Hauses in seinen Schriften Denkmäler
gesetzt, wie sie schöner und wahrer niemals aufgestellt worden
I sind. Der erste Hohenzoller, den er nennt, ist Markgraf Friedrich
von Ansbach, der Sohn des Kurfürsten Albrecht Achilles. In der ersten Bearbei¬
tung des Götz von Berlichingen, die der Dichter schon 1771 unter dem Titel
"Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand" vollendet
hatte, erinnert Gottfried im ersten Aufzuge Weisungen an ihre schöne Jugend¬
zeit, als sie beide dem Markgrafen Friedrich als Buben dienten, beisammen
schliefen und miteinander herumzogen. Es war an einem ersten Ostertage, als
der Bischof von Köln mit den markgräflichen Herrschaften zusammen aß.
Während der Unterhaltung sagte der Bischof, der ein gelehrter Herr war,
etwas von Kastor und Pollux. Da fragte die Markgräfin, was das sei, und
der Bischof erklärte es ihr -- ein edles Paar. Das will ich behalten, er¬
widerte sie. Die Mühe könnt ihr sparen, sagte der Markgraf, sprecht nur wie
Gottfried und Adalbert.

Bekannt ist die Bewundrung des Dichters für Friedrich den Großen. Nach
Dichtung und Wahrheit I, 2 folgten die Siege des Jahres 1757, die Gro߬
taten und Unglücksfälle blitzschnell aufeinander, verschlangen sich und schienen
sich aufzuheben. Immer aber schwebte die Gestalt Friedrichs, sein Name, sein
Ruhm in kurzem wieder oben. Der Enthusiasmus seiner Verehrer wurde immer
größer und belebter, der Haß seiner Feinde immer bitterer. Die höchsten Taten
des Königs wurden nicht geleugnet, aber entstellt und verkleinert. Der Dichter
konnte sich in seinem höhern Lebensalter, als er Dichtung und Wahrheit nieder¬
schrieb, nicht enthalten, es auszusprechen, daß dem einzigen, über alle Zeit¬
genossen erhabnen Manne mit diesen Urteilen ein schnödes Unrecht geschah.
Am meisten kränkte es ihn, daß die feindliche Stimmung gegen den König nicht
etwa vom Pöbel, sondern von vorzüglichen Männern, wie von seinem Gro߬
vater und seinen Oheimen ausging. Da Goethes Vater mit der kleinern Hälfte
der Familie zu Friedrich neigte, während die Mehrzahl ihm abhold war,
konnten sie selbst auf der Straße einander nicht begegnen, ohne daß es Händel
gab wie in Romeo und Julie. Goethe aber freute sich mit seinem Vater der
Siege des Königs, schrieb sehr gern die Siegeslieder ab und fast noch lieber
die Spottlieder auf die Gegenpartei, so platt die Reime auch sein mochten.


Die Hohenzollern bei Goethe

keine Schonung der Interessen und Ideen der Franzosen walten ließen und
ihr Werk so gestalteten, daß sich die nationale Bewegung nördlich und südlich
von den Alpen entwickeln und daß sie sieghaft werden konnte und mußte.




Die Hohenzollern bei Goethe
U. Ghlert vonin Köln am Rhein

.er Altmeister erkannte mit scharfem Blick, daß die Hohenzollern
über andre Fürstenhäuser seiner Zeit hinausragten, und hat ein¬
zelnen Vertretern dieses Hauses in seinen Schriften Denkmäler
gesetzt, wie sie schöner und wahrer niemals aufgestellt worden
I sind. Der erste Hohenzoller, den er nennt, ist Markgraf Friedrich
von Ansbach, der Sohn des Kurfürsten Albrecht Achilles. In der ersten Bearbei¬
tung des Götz von Berlichingen, die der Dichter schon 1771 unter dem Titel
„Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand" vollendet
hatte, erinnert Gottfried im ersten Aufzuge Weisungen an ihre schöne Jugend¬
zeit, als sie beide dem Markgrafen Friedrich als Buben dienten, beisammen
schliefen und miteinander herumzogen. Es war an einem ersten Ostertage, als
der Bischof von Köln mit den markgräflichen Herrschaften zusammen aß.
Während der Unterhaltung sagte der Bischof, der ein gelehrter Herr war,
etwas von Kastor und Pollux. Da fragte die Markgräfin, was das sei, und
der Bischof erklärte es ihr — ein edles Paar. Das will ich behalten, er¬
widerte sie. Die Mühe könnt ihr sparen, sagte der Markgraf, sprecht nur wie
Gottfried und Adalbert.

Bekannt ist die Bewundrung des Dichters für Friedrich den Großen. Nach
Dichtung und Wahrheit I, 2 folgten die Siege des Jahres 1757, die Gro߬
taten und Unglücksfälle blitzschnell aufeinander, verschlangen sich und schienen
sich aufzuheben. Immer aber schwebte die Gestalt Friedrichs, sein Name, sein
Ruhm in kurzem wieder oben. Der Enthusiasmus seiner Verehrer wurde immer
größer und belebter, der Haß seiner Feinde immer bitterer. Die höchsten Taten
des Königs wurden nicht geleugnet, aber entstellt und verkleinert. Der Dichter
konnte sich in seinem höhern Lebensalter, als er Dichtung und Wahrheit nieder¬
schrieb, nicht enthalten, es auszusprechen, daß dem einzigen, über alle Zeit¬
genossen erhabnen Manne mit diesen Urteilen ein schnödes Unrecht geschah.
Am meisten kränkte es ihn, daß die feindliche Stimmung gegen den König nicht
etwa vom Pöbel, sondern von vorzüglichen Männern, wie von seinem Gro߬
vater und seinen Oheimen ausging. Da Goethes Vater mit der kleinern Hälfte
der Familie zu Friedrich neigte, während die Mehrzahl ihm abhold war,
konnten sie selbst auf der Straße einander nicht begegnen, ohne daß es Händel
gab wie in Romeo und Julie. Goethe aber freute sich mit seinem Vater der
Siege des Königs, schrieb sehr gern die Siegeslieder ab und fast noch lieber
die Spottlieder auf die Gegenpartei, so platt die Reime auch sein mochten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/502>, abgerufen am 23.07.2024.