Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.vor hundert Jahren langten Soldaten aufgebracht wurde, und die berühmte 1so"Z6 6Q vom Das Bild bleibt dasselbe auch unter dem Kaiserreich; die Konskription Auch die Kapitel Morvans, die von der Bekleidung, der Ausrüstung, vor hundert Jahren langten Soldaten aufgebracht wurde, und die berühmte 1so«Z6 6Q vom Das Bild bleibt dasselbe auch unter dem Kaiserreich; die Konskription Auch die Kapitel Morvans, die von der Bekleidung, der Ausrüstung, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87974"/> <fw type="header" place="top"> vor hundert Jahren</fw><lb/> <p xml:id="ID_2143" prev="#ID_2142"> langten Soldaten aufgebracht wurde, und die berühmte 1so«Z6 6Q vom<lb/> Herbst 1793 ergab gar kaum ein Drittel der erwarteten Zahl! Im Sep¬<lb/> tember 1798 wurde die allgemeine Wehrpflicht für alle Franzosen vom<lb/> zwanzigsten bis zum fünfundzwanzigsten Jahre eingeführt; ohne Losziehung<lb/> und gemäß dem Bedürfnis sollten die jüngsten Wehrpflichtigen der jüngsten<lb/> Altersklasse für vier Jahre eingestellt werden. Aber von 88 Departements<lb/> verweigerten sechzehn einfach die Rekruten, und im November 1798 hatte<lb/> man statt 150000 Mann erst 23899; in Paris mußte man förmlich Razzien<lb/> gegen die Ungehorsamen veranstalten. In der Provinz flohen sie in die<lb/> Berge und Wälder; in der Häute Loire waren es mehrere tausend, in Puy-<lb/> de-Dome, in Cantal und Lozere unzählige.</p><lb/> <p xml:id="ID_2144"> Das Bild bleibt dasselbe auch unter dem Kaiserreich; die Konskription<lb/> ist immer unpopulär gewesen; deshalb wurde ihre Bewilligung 1805 dem<lb/> gesetzgebenden Körper durch einen Staatsstreich entzogen und dem Senat<lb/> übertragen, der keine Anwandlung eignen Willens hatte, sondern dem Kaiser<lb/> völlig ergeben war. Nur der Krieg von 1805 gegen Österreich und Rußland<lb/> wurde mit einem gewissen Feuer geführt, weil man von diesen Mächten, falls<lb/> sie siegten, die Herstellung des anoisu iHZirus mitsamt Zehnten und Fronten<lb/> befürchtete; aber sogar damals mußte ein Bischof, es war der von Ille-et-<lb/> Vilaine, seinen Diözesanen auf Wunsch des Präfekten predigen, sie sollten<lb/> sich doch stellen, und es mußte sich der Bischof vom Departement Meurthe,<lb/> der gesetzlich auch wehrpflichtig war, der Form wegen einfinden, um ein<lb/> Beispiel zu geben, und ebenso der Generalprokurator des Departements! So<lb/> war das Heer Napoleons niemals ein wirkliches Volksheer, sondern eigentlich<lb/> im letzten Grunde ein Heer Gezwungner; auch 1813, damals als in Preußen<lb/> sich alles, sogar Knaben und einzelne Mädchen, zu den Waffen drängte, stand<lb/> es in Frankreich umgekehrt. Allgemeine Trauer herrschte; junge Leute ließen<lb/> sich alle Zähne ausziehn, um nicht dienen zu müssen; andre brachten sich<lb/> Wunden an Armen und Beinen bei und legten Arsenikwasser auf, um sie<lb/> unheilbar zu machen. Andre ließen sich cmfgeblasne Brüche beibringen (Bericht<lb/> des Präfekten der untern Seine); in der Garthe und in Mayenne entstand „eine<lb/> mystische gegen den Kriegsdienst gerichtete Bewegung."</p><lb/> <p xml:id="ID_2145" next="#ID_2146"> Auch die Kapitel Morvans, die von der Bekleidung, der Ausrüstung,<lb/> Unterweisung, Bezahlung, Verwaltung des Heeres handeln, ergeben oft sehr<lb/> unerquickliche Tatsachen neben manchen, die Bewunderung einflößen. Zu<lb/> diesen zweiten muß man es vor allen zählen, daß mit der Zeit der Krieg<lb/> selbst und der von den Soldaten abgöttisch verehrte Führer aus den Heeren<lb/> von Vagabunden und schlechten Gesellen Bürgerheere schuf, mit denen dann<lb/> Napoleon für einige Zeit die Welt umgestaltete. Aber Morvan muß sagen,<lb/> daß der demokratische Grundzug dieses revolutionären Heeres, der den Troupier<lb/> dein Marschall in gewissem Sinn gleichstellte, der Stolz darauf, in der<lb/> Schlacht tapfer zu sein, und so durch einige Stunden der Pflichterfüllung im<lb/> Jahre sich von allen sonstigen Fehlern rein zu waschen, einen offenbaren<lb/> Mangel an Mannszucht herbeiführte, vermöge dessen gelegentlich der Soldat<lb/> ohne Bedenken sein Seitengewehr gegen seinen Korporal, der Leutnant den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
vor hundert Jahren
langten Soldaten aufgebracht wurde, und die berühmte 1so«Z6 6Q vom
Herbst 1793 ergab gar kaum ein Drittel der erwarteten Zahl! Im Sep¬
tember 1798 wurde die allgemeine Wehrpflicht für alle Franzosen vom
zwanzigsten bis zum fünfundzwanzigsten Jahre eingeführt; ohne Losziehung
und gemäß dem Bedürfnis sollten die jüngsten Wehrpflichtigen der jüngsten
Altersklasse für vier Jahre eingestellt werden. Aber von 88 Departements
verweigerten sechzehn einfach die Rekruten, und im November 1798 hatte
man statt 150000 Mann erst 23899; in Paris mußte man förmlich Razzien
gegen die Ungehorsamen veranstalten. In der Provinz flohen sie in die
Berge und Wälder; in der Häute Loire waren es mehrere tausend, in Puy-
de-Dome, in Cantal und Lozere unzählige.
Das Bild bleibt dasselbe auch unter dem Kaiserreich; die Konskription
ist immer unpopulär gewesen; deshalb wurde ihre Bewilligung 1805 dem
gesetzgebenden Körper durch einen Staatsstreich entzogen und dem Senat
übertragen, der keine Anwandlung eignen Willens hatte, sondern dem Kaiser
völlig ergeben war. Nur der Krieg von 1805 gegen Österreich und Rußland
wurde mit einem gewissen Feuer geführt, weil man von diesen Mächten, falls
sie siegten, die Herstellung des anoisu iHZirus mitsamt Zehnten und Fronten
befürchtete; aber sogar damals mußte ein Bischof, es war der von Ille-et-
Vilaine, seinen Diözesanen auf Wunsch des Präfekten predigen, sie sollten
sich doch stellen, und es mußte sich der Bischof vom Departement Meurthe,
der gesetzlich auch wehrpflichtig war, der Form wegen einfinden, um ein
Beispiel zu geben, und ebenso der Generalprokurator des Departements! So
war das Heer Napoleons niemals ein wirkliches Volksheer, sondern eigentlich
im letzten Grunde ein Heer Gezwungner; auch 1813, damals als in Preußen
sich alles, sogar Knaben und einzelne Mädchen, zu den Waffen drängte, stand
es in Frankreich umgekehrt. Allgemeine Trauer herrschte; junge Leute ließen
sich alle Zähne ausziehn, um nicht dienen zu müssen; andre brachten sich
Wunden an Armen und Beinen bei und legten Arsenikwasser auf, um sie
unheilbar zu machen. Andre ließen sich cmfgeblasne Brüche beibringen (Bericht
des Präfekten der untern Seine); in der Garthe und in Mayenne entstand „eine
mystische gegen den Kriegsdienst gerichtete Bewegung."
Auch die Kapitel Morvans, die von der Bekleidung, der Ausrüstung,
Unterweisung, Bezahlung, Verwaltung des Heeres handeln, ergeben oft sehr
unerquickliche Tatsachen neben manchen, die Bewunderung einflößen. Zu
diesen zweiten muß man es vor allen zählen, daß mit der Zeit der Krieg
selbst und der von den Soldaten abgöttisch verehrte Führer aus den Heeren
von Vagabunden und schlechten Gesellen Bürgerheere schuf, mit denen dann
Napoleon für einige Zeit die Welt umgestaltete. Aber Morvan muß sagen,
daß der demokratische Grundzug dieses revolutionären Heeres, der den Troupier
dein Marschall in gewissem Sinn gleichstellte, der Stolz darauf, in der
Schlacht tapfer zu sein, und so durch einige Stunden der Pflichterfüllung im
Jahre sich von allen sonstigen Fehlern rein zu waschen, einen offenbaren
Mangel an Mannszucht herbeiführte, vermöge dessen gelegentlich der Soldat
ohne Bedenken sein Seitengewehr gegen seinen Korporal, der Leutnant den
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