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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Gin Brief aus trüber Zeit

ins Thor reiten. Grade zur rechten Zeit war er auf den Markt gekommen, die
Braven 5V fingen auf dem Markt an zu weichen, da ruft er ihnen zu: "Kommt,
Landsleute, ich bin auch ein Pommer, wir werfen die Hunde," so dringen sie vor
bis ans Kloster zwischen Amt und Stadt. Hier werden sie mörderisch angegriffen
durch frische Schaaren von Mlyny kommend und durch die Insurgenten, die sich
im Kloster gesetzt haben; sie formiren Karre, und Tod und Verderben um sich ver¬
breitend, ziehen sie sich gelassen nach dem Amte zurück; hier verrammeln sie sich,
da hören sie von Mogilno her Kleingewehrfeuer. Donnerwetter, das sind unsre
Flinten, rufen die Braven und fangen an, sich durch die Insurgenten zu ihren
Brüdern hinzuarbeiten. Es waren richtig 7V Mann unter einem Unteroffizier, die
zur Verstärkung von Mogilno kamen; er war gleich beim Einrücken heftig gedrängt
worden; hatte sich im Trabe auf das Feld zurückgezogen, Front commandirt und
den Insurgenten 3 ruhige tüchtige Salven gegeben, worauf diese mit Hinterlassung
vieler Todten, die Verwundeten mit sich schleppend, sich zurückgezogen. Nun kamen
noch die 50 vom Amte, nahmen die 70 mit Hurra auf und zogen sich nach dem
Amte wieder zurück. Es war Abend geworden, und die Insurgenten wurden
immer stärker. Kleist, die ganze Gefahr erkennend, setzte sich mit dem Ober¬
kontrolleur Giese zu Pferde; den Säbel am Riemen, das Pistol in der Hand, geht
es durch die ganze mit Insurgenten besetzte Stadt, alles weicht den kühnen Reitern,
sie gewinnen die Straße nach Mogilno und kommen zum Hauptmann Fröhlich und
Hauptmann Toporsky, auch eine halbe Schwadron Blücherscher Husaren (Roth und
weiß, die Kinderfresser genannt, der Schrecken der Polen), sie brechen auf, und mit
ihnen mein Freund, der Landrath Illing, die Flinte auf dem Rücken, machte er
damals alle Züge des Militärs mit, da er ohne dasselbe auch nicht fungiren konnte.
Seine Frau hatte er nach Bromberg geschickt, und nun hatte er seine fahrende
Habe in der Jagdtasche und seine Kanzlei in der rechten Rocktasche, in der linken
sein Taschenbuch. Als sie ungefähr um 12 Uhr sich der Stadt nähern, hören sie
schießen, ja -- heißt es -- die Spitze ist im Gefecht. Herr von Blankensee mit
den Husaren vor, meine jungen Leute hatten sich angeschlossen, es geht im Trabe,
dann langer Galopp und in hausender Karriere bis aufs Amt, was nicht nieder¬
geritten wurde, war zerhauen; ich habe furchtbare Kopf- und Nackenwunden ge¬
sehen! Nichts geht doch über eine gute Reiterattake, die schmetternden Signale,
die schnaubenden Rosse und das Klirren der Waffen! Mir pocht das Herz; hätte
ich doch den Angriff mitmachen können! -- Die Infanterie folgte auf dem Fuße,
die Insurgenten flohen in allen Richtungen, die Husaren gönnten sich nur kurze
Rast. Kleist führte sie über den Hof, und der Leutnant Blankensee besetzte die
Ausgänge der Stadt; hier wurden noch viele übcrritten und niedergemacht. Was
zurückblieben war, hatte sich in das Kloster gezogen, es wurden Leitern angelegt,
und der erste war der Sattlermeister Grieger, der über die Mauer kam; nun
folgten die Füseliere, die Glockenstrttnge wurden cibgehanen und in Stücke ge¬
schnitten, womit nun die Insurgenten, 300 an der Zahl, tüchtig durchgeprügelt
wurden. Was Widerstand leistete oder entfliehen wollte, ward niedergemacht. --
In der Kirche fand man den Pfaffen Westphal und einen Doctor Joischitza, die
Häupter der Verschwörung; nur mit Mühe retteten die Offiziere ihnen das Leben.
Die feigen Edelleute hatten die Insurgenten schlecht geführt, sonst wäre ein solches
Resultat nicht möglich gewesen; sie hatten in der Stadt geplündert und zwei un¬
glückliche Deutsche, den Hempel, der seine Frau im Wochenbette nicht hatte ver¬
lassen wollen, und einen gewissen Naumann auf schändliche Weise gemordet, mit
den Sensen zerhackt, bei den Beinen aufgehangen, ihnen das Testikel abgeschnitten
und in den Mund gesteckt; es ist nicht zu glauben. Mir hatten sie einen Kutsch¬
wagen, eine Doppelflinte, meine beiden schönen Stangenpferde und ein ausgezeich¬
netes Reitpferd gestohlen, einem von meinen fliehenden jungen Leuten, einem Herrn
von Tempelhoff hatten sie dies abgejagt und ihn selbst gebunden und grausam
mißhandelt.


Gin Brief aus trüber Zeit

ins Thor reiten. Grade zur rechten Zeit war er auf den Markt gekommen, die
Braven 5V fingen auf dem Markt an zu weichen, da ruft er ihnen zu: „Kommt,
Landsleute, ich bin auch ein Pommer, wir werfen die Hunde," so dringen sie vor
bis ans Kloster zwischen Amt und Stadt. Hier werden sie mörderisch angegriffen
durch frische Schaaren von Mlyny kommend und durch die Insurgenten, die sich
im Kloster gesetzt haben; sie formiren Karre, und Tod und Verderben um sich ver¬
breitend, ziehen sie sich gelassen nach dem Amte zurück; hier verrammeln sie sich,
da hören sie von Mogilno her Kleingewehrfeuer. Donnerwetter, das sind unsre
Flinten, rufen die Braven und fangen an, sich durch die Insurgenten zu ihren
Brüdern hinzuarbeiten. Es waren richtig 7V Mann unter einem Unteroffizier, die
zur Verstärkung von Mogilno kamen; er war gleich beim Einrücken heftig gedrängt
worden; hatte sich im Trabe auf das Feld zurückgezogen, Front commandirt und
den Insurgenten 3 ruhige tüchtige Salven gegeben, worauf diese mit Hinterlassung
vieler Todten, die Verwundeten mit sich schleppend, sich zurückgezogen. Nun kamen
noch die 50 vom Amte, nahmen die 70 mit Hurra auf und zogen sich nach dem
Amte wieder zurück. Es war Abend geworden, und die Insurgenten wurden
immer stärker. Kleist, die ganze Gefahr erkennend, setzte sich mit dem Ober¬
kontrolleur Giese zu Pferde; den Säbel am Riemen, das Pistol in der Hand, geht
es durch die ganze mit Insurgenten besetzte Stadt, alles weicht den kühnen Reitern,
sie gewinnen die Straße nach Mogilno und kommen zum Hauptmann Fröhlich und
Hauptmann Toporsky, auch eine halbe Schwadron Blücherscher Husaren (Roth und
weiß, die Kinderfresser genannt, der Schrecken der Polen), sie brechen auf, und mit
ihnen mein Freund, der Landrath Illing, die Flinte auf dem Rücken, machte er
damals alle Züge des Militärs mit, da er ohne dasselbe auch nicht fungiren konnte.
Seine Frau hatte er nach Bromberg geschickt, und nun hatte er seine fahrende
Habe in der Jagdtasche und seine Kanzlei in der rechten Rocktasche, in der linken
sein Taschenbuch. Als sie ungefähr um 12 Uhr sich der Stadt nähern, hören sie
schießen, ja — heißt es — die Spitze ist im Gefecht. Herr von Blankensee mit
den Husaren vor, meine jungen Leute hatten sich angeschlossen, es geht im Trabe,
dann langer Galopp und in hausender Karriere bis aufs Amt, was nicht nieder¬
geritten wurde, war zerhauen; ich habe furchtbare Kopf- und Nackenwunden ge¬
sehen! Nichts geht doch über eine gute Reiterattake, die schmetternden Signale,
die schnaubenden Rosse und das Klirren der Waffen! Mir pocht das Herz; hätte
ich doch den Angriff mitmachen können! — Die Infanterie folgte auf dem Fuße,
die Insurgenten flohen in allen Richtungen, die Husaren gönnten sich nur kurze
Rast. Kleist führte sie über den Hof, und der Leutnant Blankensee besetzte die
Ausgänge der Stadt; hier wurden noch viele übcrritten und niedergemacht. Was
zurückblieben war, hatte sich in das Kloster gezogen, es wurden Leitern angelegt,
und der erste war der Sattlermeister Grieger, der über die Mauer kam; nun
folgten die Füseliere, die Glockenstrttnge wurden cibgehanen und in Stücke ge¬
schnitten, womit nun die Insurgenten, 300 an der Zahl, tüchtig durchgeprügelt
wurden. Was Widerstand leistete oder entfliehen wollte, ward niedergemacht. —
In der Kirche fand man den Pfaffen Westphal und einen Doctor Joischitza, die
Häupter der Verschwörung; nur mit Mühe retteten die Offiziere ihnen das Leben.
Die feigen Edelleute hatten die Insurgenten schlecht geführt, sonst wäre ein solches
Resultat nicht möglich gewesen; sie hatten in der Stadt geplündert und zwei un¬
glückliche Deutsche, den Hempel, der seine Frau im Wochenbette nicht hatte ver¬
lassen wollen, und einen gewissen Naumann auf schändliche Weise gemordet, mit
den Sensen zerhackt, bei den Beinen aufgehangen, ihnen das Testikel abgeschnitten
und in den Mund gesteckt; es ist nicht zu glauben. Mir hatten sie einen Kutsch¬
wagen, eine Doppelflinte, meine beiden schönen Stangenpferde und ein ausgezeich¬
netes Reitpferd gestohlen, einem von meinen fliehenden jungen Leuten, einem Herrn
von Tempelhoff hatten sie dies abgejagt und ihn selbst gebunden und grausam
mißhandelt.


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[0456] Gin Brief aus trüber Zeit ins Thor reiten. Grade zur rechten Zeit war er auf den Markt gekommen, die Braven 5V fingen auf dem Markt an zu weichen, da ruft er ihnen zu: „Kommt, Landsleute, ich bin auch ein Pommer, wir werfen die Hunde," so dringen sie vor bis ans Kloster zwischen Amt und Stadt. Hier werden sie mörderisch angegriffen durch frische Schaaren von Mlyny kommend und durch die Insurgenten, die sich im Kloster gesetzt haben; sie formiren Karre, und Tod und Verderben um sich ver¬ breitend, ziehen sie sich gelassen nach dem Amte zurück; hier verrammeln sie sich, da hören sie von Mogilno her Kleingewehrfeuer. Donnerwetter, das sind unsre Flinten, rufen die Braven und fangen an, sich durch die Insurgenten zu ihren Brüdern hinzuarbeiten. Es waren richtig 7V Mann unter einem Unteroffizier, die zur Verstärkung von Mogilno kamen; er war gleich beim Einrücken heftig gedrängt worden; hatte sich im Trabe auf das Feld zurückgezogen, Front commandirt und den Insurgenten 3 ruhige tüchtige Salven gegeben, worauf diese mit Hinterlassung vieler Todten, die Verwundeten mit sich schleppend, sich zurückgezogen. Nun kamen noch die 50 vom Amte, nahmen die 70 mit Hurra auf und zogen sich nach dem Amte wieder zurück. Es war Abend geworden, und die Insurgenten wurden immer stärker. Kleist, die ganze Gefahr erkennend, setzte sich mit dem Ober¬ kontrolleur Giese zu Pferde; den Säbel am Riemen, das Pistol in der Hand, geht es durch die ganze mit Insurgenten besetzte Stadt, alles weicht den kühnen Reitern, sie gewinnen die Straße nach Mogilno und kommen zum Hauptmann Fröhlich und Hauptmann Toporsky, auch eine halbe Schwadron Blücherscher Husaren (Roth und weiß, die Kinderfresser genannt, der Schrecken der Polen), sie brechen auf, und mit ihnen mein Freund, der Landrath Illing, die Flinte auf dem Rücken, machte er damals alle Züge des Militärs mit, da er ohne dasselbe auch nicht fungiren konnte. Seine Frau hatte er nach Bromberg geschickt, und nun hatte er seine fahrende Habe in der Jagdtasche und seine Kanzlei in der rechten Rocktasche, in der linken sein Taschenbuch. Als sie ungefähr um 12 Uhr sich der Stadt nähern, hören sie schießen, ja — heißt es — die Spitze ist im Gefecht. Herr von Blankensee mit den Husaren vor, meine jungen Leute hatten sich angeschlossen, es geht im Trabe, dann langer Galopp und in hausender Karriere bis aufs Amt, was nicht nieder¬ geritten wurde, war zerhauen; ich habe furchtbare Kopf- und Nackenwunden ge¬ sehen! Nichts geht doch über eine gute Reiterattake, die schmetternden Signale, die schnaubenden Rosse und das Klirren der Waffen! Mir pocht das Herz; hätte ich doch den Angriff mitmachen können! — Die Infanterie folgte auf dem Fuße, die Insurgenten flohen in allen Richtungen, die Husaren gönnten sich nur kurze Rast. Kleist führte sie über den Hof, und der Leutnant Blankensee besetzte die Ausgänge der Stadt; hier wurden noch viele übcrritten und niedergemacht. Was zurückblieben war, hatte sich in das Kloster gezogen, es wurden Leitern angelegt, und der erste war der Sattlermeister Grieger, der über die Mauer kam; nun folgten die Füseliere, die Glockenstrttnge wurden cibgehanen und in Stücke ge¬ schnitten, womit nun die Insurgenten, 300 an der Zahl, tüchtig durchgeprügelt wurden. Was Widerstand leistete oder entfliehen wollte, ward niedergemacht. — In der Kirche fand man den Pfaffen Westphal und einen Doctor Joischitza, die Häupter der Verschwörung; nur mit Mühe retteten die Offiziere ihnen das Leben. Die feigen Edelleute hatten die Insurgenten schlecht geführt, sonst wäre ein solches Resultat nicht möglich gewesen; sie hatten in der Stadt geplündert und zwei un¬ glückliche Deutsche, den Hempel, der seine Frau im Wochenbette nicht hatte ver¬ lassen wollen, und einen gewissen Naumann auf schändliche Weise gemordet, mit den Sensen zerhackt, bei den Beinen aufgehangen, ihnen das Testikel abgeschnitten und in den Mund gesteckt; es ist nicht zu glauben. Mir hatten sie einen Kutsch¬ wagen, eine Doppelflinte, meine beiden schönen Stangenpferde und ein ausgezeich¬ netes Reitpferd gestohlen, einem von meinen fliehenden jungen Leuten, einem Herrn von Tempelhoff hatten sie dies abgejagt und ihn selbst gebunden und grausam mißhandelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/456>, abgerufen am 04.07.2024.