Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

änderung nach sich; wie der Boden, so der Baum, wie der Boden, so der Bauer.
Ändert sich das Land, wird der Landmann ein andrer, und die erste Folge einer
Umänderung des bäuerlichen Charakters wird der Hang zur Freizügigkeit sein.

Ein freizügiges Bauerntum aber ist ein Unding. Durch Kauf und Verkauf
kommt kein Bauernstand in die Höhe, nur durch die unablässige Arbeit langer
Reihen von Geschlechtern und durch eine Überlieferung, die dem jeweilige" Bauern
das Gefühl einimpft, er sei nicht bloß ein verantwortungsloser Inhaber einer pri¬
vaten Sache, sondern der Verantwortliche Verwalter eines ihm anvertrauten Familien¬
erbes. Sehr bezeichnend für diese Anschauung ist die Tatsache, daß sich in den
Gegenden mit urwüchsigen Bauerntum der Bauer nach dem Hofe nennt, während
dort, wo die Verhältnisse schon modernisiert sind, der Hof nach dem Inhaber be¬
nannt wird, ein Zeichen, daß der Grundbesitz schon als rein persönliche Sache auf¬
gefaßt wird, nicht mehr als ein unveräußerliches Familienerbc. Je mehr aber diese
Auffassung gilt, je fester der Bauer an der Scholle klebt, je schwerer er von ihr
loskommen kann, um so besser für das Land; mag sich auch der einzelne Mann in
Not und Sorge plagen sein Leben lang, niemals zum freien Aufatmen kommen,
seine Mühen schaffen seinem Volke feste Werte. Ein Volk ohne seßhaften Bauern¬
stand ist kein Volk, es ist eine Handelsgesellschaft, ein Geschäftsunternehmen, eine
Betriebsgenossenschaft oder so etwas ähnliches, die von jeder handelspolitischen
Konjunktur in ihrer Existenz beeinflußt wird. Ein Volk mit schvllcnsässigem Bauern¬
tum aber ist etwas Unzerstörbares.

Damit nun der Bauernstand fest in seinen Schuhen stehe, darf man ihm nicht
das Gefühl der historischen Verknüpfung mit seinem Grund und Boden nehmen,
und das tut man, wenn die Landschaft von heute auf morgen ein andres Gesicht
erhält. So freudig deshalb auch die Bestrebungen zum Schutz der Naturdenkmäler
zu begrüßen sind, so genügen die bis jetzt abgegrenzten Ziele noch lange nicht.
Nicht nur schöne Bäume, seltne Holzarten und interessante Bestände und Fels¬
gruppen sind zu schützen, sondern jeder Landschaft ist nach Möglichkeit ihr Aussehen
zu bewahren, und bei alleu das Aussehen der Landschaft stark beeinträchtigenden
Veränderungen sollten die Aufsichtsbehörden ihren Einfluß dahin geltend machen,
daß dort, wo es möglich ist, das ursprüngliche landschaftliche Bild unangetastet und
der Bauer vor der Schwächung seiner eignen Gesundheit bewahrt bleiben.


Hermann Löns


Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


foi'MSN
5 gegen
^cknvpfen
"oscZH?rg.
Ärztlicherseits vielfach als ideales
Schnupfenmittel bezeichnet.
Wirkung frappant. In allen Apotheken.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

änderung nach sich; wie der Boden, so der Baum, wie der Boden, so der Bauer.
Ändert sich das Land, wird der Landmann ein andrer, und die erste Folge einer
Umänderung des bäuerlichen Charakters wird der Hang zur Freizügigkeit sein.

Ein freizügiges Bauerntum aber ist ein Unding. Durch Kauf und Verkauf
kommt kein Bauernstand in die Höhe, nur durch die unablässige Arbeit langer
Reihen von Geschlechtern und durch eine Überlieferung, die dem jeweilige» Bauern
das Gefühl einimpft, er sei nicht bloß ein verantwortungsloser Inhaber einer pri¬
vaten Sache, sondern der Verantwortliche Verwalter eines ihm anvertrauten Familien¬
erbes. Sehr bezeichnend für diese Anschauung ist die Tatsache, daß sich in den
Gegenden mit urwüchsigen Bauerntum der Bauer nach dem Hofe nennt, während
dort, wo die Verhältnisse schon modernisiert sind, der Hof nach dem Inhaber be¬
nannt wird, ein Zeichen, daß der Grundbesitz schon als rein persönliche Sache auf¬
gefaßt wird, nicht mehr als ein unveräußerliches Familienerbc. Je mehr aber diese
Auffassung gilt, je fester der Bauer an der Scholle klebt, je schwerer er von ihr
loskommen kann, um so besser für das Land; mag sich auch der einzelne Mann in
Not und Sorge plagen sein Leben lang, niemals zum freien Aufatmen kommen,
seine Mühen schaffen seinem Volke feste Werte. Ein Volk ohne seßhaften Bauern¬
stand ist kein Volk, es ist eine Handelsgesellschaft, ein Geschäftsunternehmen, eine
Betriebsgenossenschaft oder so etwas ähnliches, die von jeder handelspolitischen
Konjunktur in ihrer Existenz beeinflußt wird. Ein Volk mit schvllcnsässigem Bauern¬
tum aber ist etwas Unzerstörbares.

Damit nun der Bauernstand fest in seinen Schuhen stehe, darf man ihm nicht
das Gefühl der historischen Verknüpfung mit seinem Grund und Boden nehmen,
und das tut man, wenn die Landschaft von heute auf morgen ein andres Gesicht
erhält. So freudig deshalb auch die Bestrebungen zum Schutz der Naturdenkmäler
zu begrüßen sind, so genügen die bis jetzt abgegrenzten Ziele noch lange nicht.
Nicht nur schöne Bäume, seltne Holzarten und interessante Bestände und Fels¬
gruppen sind zu schützen, sondern jeder Landschaft ist nach Möglichkeit ihr Aussehen
zu bewahren, und bei alleu das Aussehen der Landschaft stark beeinträchtigenden
Veränderungen sollten die Aufsichtsbehörden ihren Einfluß dahin geltend machen,
daß dort, wo es möglich ist, das ursprüngliche landschaftliche Bild unangetastet und
der Bauer vor der Schwächung seiner eignen Gesundheit bewahrt bleiben.


Hermann Löns


Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


foi'MSN
5 gegen
^cknvpfen
»oscZH?rg.
Ärztlicherseits vielfach als ideales
Schnupfenmittel bezeichnet.
Wirkung frappant. In allen Apotheken.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87898"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1836" prev="#ID_1835"> änderung nach sich; wie der Boden, so der Baum, wie der Boden, so der Bauer.<lb/>
Ändert sich das Land, wird der Landmann ein andrer, und die erste Folge einer<lb/>
Umänderung des bäuerlichen Charakters wird der Hang zur Freizügigkeit sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1837"> Ein freizügiges Bauerntum aber ist ein Unding. Durch Kauf und Verkauf<lb/>
kommt kein Bauernstand in die Höhe, nur durch die unablässige Arbeit langer<lb/>
Reihen von Geschlechtern und durch eine Überlieferung, die dem jeweilige» Bauern<lb/>
das Gefühl einimpft, er sei nicht bloß ein verantwortungsloser Inhaber einer pri¬<lb/>
vaten Sache, sondern der Verantwortliche Verwalter eines ihm anvertrauten Familien¬<lb/>
erbes. Sehr bezeichnend für diese Anschauung ist die Tatsache, daß sich in den<lb/>
Gegenden mit urwüchsigen Bauerntum der Bauer nach dem Hofe nennt, während<lb/>
dort, wo die Verhältnisse schon modernisiert sind, der Hof nach dem Inhaber be¬<lb/>
nannt wird, ein Zeichen, daß der Grundbesitz schon als rein persönliche Sache auf¬<lb/>
gefaßt wird, nicht mehr als ein unveräußerliches Familienerbc. Je mehr aber diese<lb/>
Auffassung gilt, je fester der Bauer an der Scholle klebt, je schwerer er von ihr<lb/>
loskommen kann, um so besser für das Land; mag sich auch der einzelne Mann in<lb/>
Not und Sorge plagen sein Leben lang, niemals zum freien Aufatmen kommen,<lb/>
seine Mühen schaffen seinem Volke feste Werte. Ein Volk ohne seßhaften Bauern¬<lb/>
stand ist kein Volk, es ist eine Handelsgesellschaft, ein Geschäftsunternehmen, eine<lb/>
Betriebsgenossenschaft oder so etwas ähnliches, die von jeder handelspolitischen<lb/>
Konjunktur in ihrer Existenz beeinflußt wird. Ein Volk mit schvllcnsässigem Bauern¬<lb/>
tum aber ist etwas Unzerstörbares.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1838"> Damit nun der Bauernstand fest in seinen Schuhen stehe, darf man ihm nicht<lb/>
das Gefühl der historischen Verknüpfung mit seinem Grund und Boden nehmen,<lb/>
und das tut man, wenn die Landschaft von heute auf morgen ein andres Gesicht<lb/>
erhält. So freudig deshalb auch die Bestrebungen zum Schutz der Naturdenkmäler<lb/>
zu begrüßen sind, so genügen die bis jetzt abgegrenzten Ziele noch lange nicht.<lb/>
Nicht nur schöne Bäume, seltne Holzarten und interessante Bestände und Fels¬<lb/>
gruppen sind zu schützen, sondern jeder Landschaft ist nach Möglichkeit ihr Aussehen<lb/>
zu bewahren, und bei alleu das Aussehen der Landschaft stark beeinträchtigenden<lb/>
Veränderungen sollten die Aufsichtsbehörden ihren Einfluß dahin geltend machen,<lb/>
daß dort, wo es möglich ist, das ursprüngliche landschaftliche Bild unangetastet und<lb/>
der Bauer vor der Schwächung seiner eignen Gesundheit bewahrt bleiben.</p><lb/>
            <note type="byline"> Hermann Löns</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Karl Marquart in Leipzig</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> foi'MSN<lb/>
5 gegen<lb/>
^cknvpfen<lb/>
»oscZH?rg.<lb/>
Ärztlicherseits vielfach als ideales<lb/>
Schnupfenmittel bezeichnet.<lb/>
Wirkung frappant. In allen Apotheken.</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0420] Maßgebliches und Unmaßgebliches änderung nach sich; wie der Boden, so der Baum, wie der Boden, so der Bauer. Ändert sich das Land, wird der Landmann ein andrer, und die erste Folge einer Umänderung des bäuerlichen Charakters wird der Hang zur Freizügigkeit sein. Ein freizügiges Bauerntum aber ist ein Unding. Durch Kauf und Verkauf kommt kein Bauernstand in die Höhe, nur durch die unablässige Arbeit langer Reihen von Geschlechtern und durch eine Überlieferung, die dem jeweilige» Bauern das Gefühl einimpft, er sei nicht bloß ein verantwortungsloser Inhaber einer pri¬ vaten Sache, sondern der Verantwortliche Verwalter eines ihm anvertrauten Familien¬ erbes. Sehr bezeichnend für diese Anschauung ist die Tatsache, daß sich in den Gegenden mit urwüchsigen Bauerntum der Bauer nach dem Hofe nennt, während dort, wo die Verhältnisse schon modernisiert sind, der Hof nach dem Inhaber be¬ nannt wird, ein Zeichen, daß der Grundbesitz schon als rein persönliche Sache auf¬ gefaßt wird, nicht mehr als ein unveräußerliches Familienerbc. Je mehr aber diese Auffassung gilt, je fester der Bauer an der Scholle klebt, je schwerer er von ihr loskommen kann, um so besser für das Land; mag sich auch der einzelne Mann in Not und Sorge plagen sein Leben lang, niemals zum freien Aufatmen kommen, seine Mühen schaffen seinem Volke feste Werte. Ein Volk ohne seßhaften Bauern¬ stand ist kein Volk, es ist eine Handelsgesellschaft, ein Geschäftsunternehmen, eine Betriebsgenossenschaft oder so etwas ähnliches, die von jeder handelspolitischen Konjunktur in ihrer Existenz beeinflußt wird. Ein Volk mit schvllcnsässigem Bauern¬ tum aber ist etwas Unzerstörbares. Damit nun der Bauernstand fest in seinen Schuhen stehe, darf man ihm nicht das Gefühl der historischen Verknüpfung mit seinem Grund und Boden nehmen, und das tut man, wenn die Landschaft von heute auf morgen ein andres Gesicht erhält. So freudig deshalb auch die Bestrebungen zum Schutz der Naturdenkmäler zu begrüßen sind, so genügen die bis jetzt abgegrenzten Ziele noch lange nicht. Nicht nur schöne Bäume, seltne Holzarten und interessante Bestände und Fels¬ gruppen sind zu schützen, sondern jeder Landschaft ist nach Möglichkeit ihr Aussehen zu bewahren, und bei alleu das Aussehen der Landschaft stark beeinträchtigenden Veränderungen sollten die Aufsichtsbehörden ihren Einfluß dahin geltend machen, daß dort, wo es möglich ist, das ursprüngliche landschaftliche Bild unangetastet und der Bauer vor der Schwächung seiner eignen Gesundheit bewahrt bleiben. Hermann Löns Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig foi'MSN 5 gegen ^cknvpfen »oscZH?rg. Ärztlicherseits vielfach als ideales Schnupfenmittel bezeichnet. Wirkung frappant. In allen Apotheken.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/420
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/420>, abgerufen am 22.12.2024.