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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliche und Unmaßgebliches

neue Artillerie in Frankreich bestellt hat, aber das ist Wohl nur geschehen, weil
Krupp in diesem Augenblicke keine neuen Lieferungen mehr zu übernehmen ver¬
mocht hat. Übrigens darf daran erinnert werden, daß Fürst Ferdinand schon
einmal in Berlin gewesen ist und damals der Eröffnung der Berliner GeWerbe¬
ausstellung beigewohnt hat. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen, die auf die
deutsch-bulgarischen Beziehungen keinen großen Einfluß gehabt hat. In der Ein¬
fuhr nach Bulgarien steht Deutschland mit etwa elf Millionen Lei (Franken) an
der vierten Stelle hinter Österreich-Ungarn, England und der Türkei, in der Ausfuhr
aus Bulgarien dominieren Belgien, die Türkei und England, während Deutschland
mit neun Millionen Lei hinter Österreich-Ungarn an der fünften Stelle kommt. Auch
diese Zahlen zeigen, daß in Bulgarien für uns noch viel getan werden kann.
Können wir dabei neben guten Handelsergebnissen auch noch unsern Besitzstand an
Sympathien erweitern, dann um so besser.




Zu Bosses Erinnerungen.

Die Leser der Bvsseschen Erinnerungen in den
Grenzboten werden sich mit Vergnügen des Kapitels erinnern, worin der Verfasser
das Erstaunen der Tertia schildert, als ein Tertianer dem Lehrer erklärt, er wolle
"sich verändern," d. h. heiraten. Dies will aber noch gar nichts sagen gegenüber
dem Falle, wo ein Quintaner sogar schon verheiratet ist.

In seinem Buche "Allerlei aus dem Erzgebirge" (Annaberg, Hermann Grasers
Verlag, 1895, 2. Bd., S. 142 f.) schildert Friedrich strammer sein Zusammentreffen
mit einem verheirateten Quintaner wie folgt. "Einmal nach Michaelis 1864, als
ich schon ein ganzes halbes Jahr in Annaberg (als Lehrer am dortigen Realgymnasium)
gewesen war, kam der Rektor ins Lehrerzimmer und erklärte, daß sich ein junger
Mann bei ihm zur Aufnahme gemeldet habe, der allerdings schon vierundzwanzig
Jahre alt und doch höchstens für Quinta reif sei, den er aber dennoch nicht zurück¬
weisen wolle, da der junge Mensch ihm leid tue. Er sei Gerber gewesen, könne
aber das Stehn im Wasser nicht vertragen, sei davon krank geworden und wolle
sich nun, denn er besitze ein kleines Vermögen, für den Gemeindedienst und das
Steuerfach vorbereiten. Der Mensch mache einen guten Eindruck und werde den
Frieden der Klasse gewiß nicht stören, auch auf die Sitten seiner Mitschüler einen
schlechten Einfluß gewiß nicht ausüben. So wurde Meier, so wollen wir ihn nennen,
aufgenommen, und der große Mensch, er war fast einen Kopf größer als ich, fügte
sich willig in alles, war fleißig und sittsam und ließ sich überhaupt nichts zuschulden
kommen. Da plötzlich gegen Weihnachten verbreitete sich das Gerücht, der Quin¬
taner Meier habe sich auf die schlechte Seite gelegt, treibe sich Sonntag für Sonntag
auf den Tanzböden herum und tanze dabei -- es ist schrecklich zu sagen -- immer
nur mit einem und demselben Mädchen. Nun wurde eine Synode abgehalten und ein
hochnotpeinliches Gericht veranstaltet. Quintaner M. wurde zitiert und erschien, der
Rektor hielt ihm eine schöne Rede, die Kollegen musterten ihn, mit grimmigen Blicken
die einen, die andern stumm und erwartungsvoll. Meier stand unbeweglich und er¬
widerte auf alle Anklagen nichts, bis ihn endlich der Rektor mit bebender Stimme
fragte, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen habe, und ob er denn nicht
selbst einsehe, wie unrecht es sei, daß er als Quintaner den Tanzboden besuche und
mit einem Mädchen tanze, und wer denn diese sei. Da sagte Meier, und stolzes
Selbstbewußtsein leuchtete aus seinen Augen: Entschuldigen Sie, Herr Rektor, es
ist meine Frau. Und so war es, Meier war verheiratet, und zwar glücklich ver¬
heiratet seit ungefähr zwei Jahren.

Bei der Aufnahme hatte man ihn zwar nach dem Impfschein usw. gefragt,
uach dem Trauschein aber nicht."






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Mcirqucirt in Leipzig
Maßgebliche und Unmaßgebliches

neue Artillerie in Frankreich bestellt hat, aber das ist Wohl nur geschehen, weil
Krupp in diesem Augenblicke keine neuen Lieferungen mehr zu übernehmen ver¬
mocht hat. Übrigens darf daran erinnert werden, daß Fürst Ferdinand schon
einmal in Berlin gewesen ist und damals der Eröffnung der Berliner GeWerbe¬
ausstellung beigewohnt hat. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen, die auf die
deutsch-bulgarischen Beziehungen keinen großen Einfluß gehabt hat. In der Ein¬
fuhr nach Bulgarien steht Deutschland mit etwa elf Millionen Lei (Franken) an
der vierten Stelle hinter Österreich-Ungarn, England und der Türkei, in der Ausfuhr
aus Bulgarien dominieren Belgien, die Türkei und England, während Deutschland
mit neun Millionen Lei hinter Österreich-Ungarn an der fünften Stelle kommt. Auch
diese Zahlen zeigen, daß in Bulgarien für uns noch viel getan werden kann.
Können wir dabei neben guten Handelsergebnissen auch noch unsern Besitzstand an
Sympathien erweitern, dann um so besser.




Zu Bosses Erinnerungen.

Die Leser der Bvsseschen Erinnerungen in den
Grenzboten werden sich mit Vergnügen des Kapitels erinnern, worin der Verfasser
das Erstaunen der Tertia schildert, als ein Tertianer dem Lehrer erklärt, er wolle
„sich verändern," d. h. heiraten. Dies will aber noch gar nichts sagen gegenüber
dem Falle, wo ein Quintaner sogar schon verheiratet ist.

In seinem Buche „Allerlei aus dem Erzgebirge" (Annaberg, Hermann Grasers
Verlag, 1895, 2. Bd., S. 142 f.) schildert Friedrich strammer sein Zusammentreffen
mit einem verheirateten Quintaner wie folgt. „Einmal nach Michaelis 1864, als
ich schon ein ganzes halbes Jahr in Annaberg (als Lehrer am dortigen Realgymnasium)
gewesen war, kam der Rektor ins Lehrerzimmer und erklärte, daß sich ein junger
Mann bei ihm zur Aufnahme gemeldet habe, der allerdings schon vierundzwanzig
Jahre alt und doch höchstens für Quinta reif sei, den er aber dennoch nicht zurück¬
weisen wolle, da der junge Mensch ihm leid tue. Er sei Gerber gewesen, könne
aber das Stehn im Wasser nicht vertragen, sei davon krank geworden und wolle
sich nun, denn er besitze ein kleines Vermögen, für den Gemeindedienst und das
Steuerfach vorbereiten. Der Mensch mache einen guten Eindruck und werde den
Frieden der Klasse gewiß nicht stören, auch auf die Sitten seiner Mitschüler einen
schlechten Einfluß gewiß nicht ausüben. So wurde Meier, so wollen wir ihn nennen,
aufgenommen, und der große Mensch, er war fast einen Kopf größer als ich, fügte
sich willig in alles, war fleißig und sittsam und ließ sich überhaupt nichts zuschulden
kommen. Da plötzlich gegen Weihnachten verbreitete sich das Gerücht, der Quin¬
taner Meier habe sich auf die schlechte Seite gelegt, treibe sich Sonntag für Sonntag
auf den Tanzböden herum und tanze dabei — es ist schrecklich zu sagen — immer
nur mit einem und demselben Mädchen. Nun wurde eine Synode abgehalten und ein
hochnotpeinliches Gericht veranstaltet. Quintaner M. wurde zitiert und erschien, der
Rektor hielt ihm eine schöne Rede, die Kollegen musterten ihn, mit grimmigen Blicken
die einen, die andern stumm und erwartungsvoll. Meier stand unbeweglich und er¬
widerte auf alle Anklagen nichts, bis ihn endlich der Rektor mit bebender Stimme
fragte, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen habe, und ob er denn nicht
selbst einsehe, wie unrecht es sei, daß er als Quintaner den Tanzboden besuche und
mit einem Mädchen tanze, und wer denn diese sei. Da sagte Meier, und stolzes
Selbstbewußtsein leuchtete aus seinen Augen: Entschuldigen Sie, Herr Rektor, es
ist meine Frau. Und so war es, Meier war verheiratet, und zwar glücklich ver¬
heiratet seit ungefähr zwei Jahren.

Bei der Aufnahme hatte man ihn zwar nach dem Impfschein usw. gefragt,
uach dem Trauschein aber nicht."






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Mcirqucirt in Leipzig
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[0364] Maßgebliche und Unmaßgebliches neue Artillerie in Frankreich bestellt hat, aber das ist Wohl nur geschehen, weil Krupp in diesem Augenblicke keine neuen Lieferungen mehr zu übernehmen ver¬ mocht hat. Übrigens darf daran erinnert werden, daß Fürst Ferdinand schon einmal in Berlin gewesen ist und damals der Eröffnung der Berliner GeWerbe¬ ausstellung beigewohnt hat. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen, die auf die deutsch-bulgarischen Beziehungen keinen großen Einfluß gehabt hat. In der Ein¬ fuhr nach Bulgarien steht Deutschland mit etwa elf Millionen Lei (Franken) an der vierten Stelle hinter Österreich-Ungarn, England und der Türkei, in der Ausfuhr aus Bulgarien dominieren Belgien, die Türkei und England, während Deutschland mit neun Millionen Lei hinter Österreich-Ungarn an der fünften Stelle kommt. Auch diese Zahlen zeigen, daß in Bulgarien für uns noch viel getan werden kann. Können wir dabei neben guten Handelsergebnissen auch noch unsern Besitzstand an Sympathien erweitern, dann um so besser. Zu Bosses Erinnerungen. Die Leser der Bvsseschen Erinnerungen in den Grenzboten werden sich mit Vergnügen des Kapitels erinnern, worin der Verfasser das Erstaunen der Tertia schildert, als ein Tertianer dem Lehrer erklärt, er wolle „sich verändern," d. h. heiraten. Dies will aber noch gar nichts sagen gegenüber dem Falle, wo ein Quintaner sogar schon verheiratet ist. In seinem Buche „Allerlei aus dem Erzgebirge" (Annaberg, Hermann Grasers Verlag, 1895, 2. Bd., S. 142 f.) schildert Friedrich strammer sein Zusammentreffen mit einem verheirateten Quintaner wie folgt. „Einmal nach Michaelis 1864, als ich schon ein ganzes halbes Jahr in Annaberg (als Lehrer am dortigen Realgymnasium) gewesen war, kam der Rektor ins Lehrerzimmer und erklärte, daß sich ein junger Mann bei ihm zur Aufnahme gemeldet habe, der allerdings schon vierundzwanzig Jahre alt und doch höchstens für Quinta reif sei, den er aber dennoch nicht zurück¬ weisen wolle, da der junge Mensch ihm leid tue. Er sei Gerber gewesen, könne aber das Stehn im Wasser nicht vertragen, sei davon krank geworden und wolle sich nun, denn er besitze ein kleines Vermögen, für den Gemeindedienst und das Steuerfach vorbereiten. Der Mensch mache einen guten Eindruck und werde den Frieden der Klasse gewiß nicht stören, auch auf die Sitten seiner Mitschüler einen schlechten Einfluß gewiß nicht ausüben. So wurde Meier, so wollen wir ihn nennen, aufgenommen, und der große Mensch, er war fast einen Kopf größer als ich, fügte sich willig in alles, war fleißig und sittsam und ließ sich überhaupt nichts zuschulden kommen. Da plötzlich gegen Weihnachten verbreitete sich das Gerücht, der Quin¬ taner Meier habe sich auf die schlechte Seite gelegt, treibe sich Sonntag für Sonntag auf den Tanzböden herum und tanze dabei — es ist schrecklich zu sagen — immer nur mit einem und demselben Mädchen. Nun wurde eine Synode abgehalten und ein hochnotpeinliches Gericht veranstaltet. Quintaner M. wurde zitiert und erschien, der Rektor hielt ihm eine schöne Rede, die Kollegen musterten ihn, mit grimmigen Blicken die einen, die andern stumm und erwartungsvoll. Meier stand unbeweglich und er¬ widerte auf alle Anklagen nichts, bis ihn endlich der Rektor mit bebender Stimme fragte, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen habe, und ob er denn nicht selbst einsehe, wie unrecht es sei, daß er als Quintaner den Tanzboden besuche und mit einem Mädchen tanze, und wer denn diese sei. Da sagte Meier, und stolzes Selbstbewußtsein leuchtete aus seinen Augen: Entschuldigen Sie, Herr Rektor, es ist meine Frau. Und so war es, Meier war verheiratet, und zwar glücklich ver¬ heiratet seit ungefähr zwei Jahren. Bei der Aufnahme hatte man ihn zwar nach dem Impfschein usw. gefragt, uach dem Trauschein aber nicht." Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Mcirqucirt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/364>, abgerufen am 23.07.2024.