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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Im alten Brüssel

Rosalie hatte von einer Freundin, deren Verwandte bei Neues Eltern diente,
die Verlobung des jungen Herrn erfahren. Sogleich beschloß die vernünftige, be¬
sonnene Rosalie, ihrer Herrin zu kündigen.

Fintje saß tatenlos in dem tiefen Lehnsessel beim Kamin, zu ihren Füßen
ruhte lang ausgestreckt der schlafende Ilm. Sie hatte keine Lust zu sticken oder zu
lesen. Was sollten ihr die fremden Geschichten und Gedanken? Sie hatte genug
mit den eignen zu schaffen.

Herein! rief sie müde auf Roscilieus Klopfen. Wollte sie die wieder mit dem
Menu für den nächste" Mittag plagen?

Rosalie aber blieb halb in der geöffneten Tür stehn. Ich wollte Madame
nur sagen, daß ich mit dem Ersten den Dienst verlasse" mochte.

Warum denn, Rosalie, was paßt Ihnen hier nicht?

Es paßt mir schon soweit alles hier, aber ich mochte nicht mit Madame den
Herrn wechseln, und da Monsieur schon so bald heiratet, wird Madame ja auch
nicht länger hier wohnen bleiben. Oder wollte Monsieur trotz seiner Heirat weiter
bei Madame verkehren?

Was reden Sie nur für grauenhaften Unsinn, Rosalie? fragte Fintje mit
weitgeöffneten Augen.

Ja weiß Madame es denn am Ende selbst noch nicht -- mit Monsieurs
Verlobung? stotterte das Mädchen, jetzt selbst ehrlich erschrocken.

Die junge Herrin saß so unnatürlich aufrecht in ihrem bequemen Sessel, mit
einem so weißen, starren Gesicht, und die ringüberladnen Fingerchen krallten sich
so fest um die Armlehnen wie die eines erschrocknen Kindes.

Gehn Sie nur, Rosalie, es ist gut, ich werde später wegen der Kündigung
mit Ihnen sprechen.

Ganz sacht zog das sonst derbe Mädchen die Tür hinter sich zu und blieb
einen Augenblick horchend davor stehn, in einer Regung weiblichen Mitgefühls.
So schlimm hatte sie es nicht machen wollen. Sie hatte wirklich geglaubt,
Madame wisse längst um Monsieurs Verlobung. Es nun so auf einmal zu hören,
mußte weh tun, denn auch "so eine" hatte doch Wohl noch einiges Gefühl wie
andre ehrliche Leute. Und die kleine Madame war noch so jung, kaum achtzehn
Jahr, und auch nicht hochmütig oder bösartig! So gespannt aber Rosalie auch
lauschte, es blieb alles still im Zinnner. Die kleine Madame schien es doch merk¬
würdig ruhig zu nehmen. Kopfschüttelnd tappte Rosalie in ihre Küche hinunter,
sie hatte nicht länger Zeit, hier Wache zu halten, denn um diese Zeit kam ihr
Bräutigam ans Souterrainfenster, um sich von ihr die Reste des Mittagessens
durch das Eisengitter hinausreichen zu lassen. Kommendes Frühjahr wollte er sie
heiraten, sie hatte sich ein hübsches Vermögen in ihren langen Dienstjahren erspart.
Ältlich und häßlich war sie darüber geworden, aber was schadete das? Geld war
wichtiger als Schönheit, und im Frühjahr wollte er sie heiraten.

Fintje hatte die fortschleichenden Schritte gehört. Nun brauchte sie sich nicht
länger Zwang anzutun. Nun war sie ganz allein und verlassen und konnte nach¬
denken und das Schreckliche klar zu erfassen suchen. Aber erst mußte sie weinen,
unvernünftig weinen, damit das unheimliche, atemberaubende Gefühl am Herzen
wegschmolz, und die Starrheit der Glieder sich löste. Auf den Boden mußte sie
sich gleiten lassen, weil das Stillesitzen nicht länger auszuhalten war. Da konnte
sie die schmerzenden Glieder ausstrecken und das Gesicht tief in des Hundes
weiches, weißes Fell wühlen, selbst nichts besseres als ein armer, getretner, ver¬
wundeter Hund.

Warum nur ist sie noch so heftig erschrocken bei der bösen Mitteilung? Aus
heitern, Himmel hat sie der Schlag ja nicht getroffen. Schon lange hat es drohend
in der Ferne gegrollt, dieses unerbittlich näherrückende Unheil; als unsichtbare nur
geahnte Scheidewand hat es sich aufgetürmt zwischen ihr und Neue. Und als sie
ihm die kleinen bittenden Briefe schrieb, höhnte eine innere verständige Stimme


Im alten Brüssel

Rosalie hatte von einer Freundin, deren Verwandte bei Neues Eltern diente,
die Verlobung des jungen Herrn erfahren. Sogleich beschloß die vernünftige, be¬
sonnene Rosalie, ihrer Herrin zu kündigen.

Fintje saß tatenlos in dem tiefen Lehnsessel beim Kamin, zu ihren Füßen
ruhte lang ausgestreckt der schlafende Ilm. Sie hatte keine Lust zu sticken oder zu
lesen. Was sollten ihr die fremden Geschichten und Gedanken? Sie hatte genug
mit den eignen zu schaffen.

Herein! rief sie müde auf Roscilieus Klopfen. Wollte sie die wieder mit dem
Menu für den nächste» Mittag plagen?

Rosalie aber blieb halb in der geöffneten Tür stehn. Ich wollte Madame
nur sagen, daß ich mit dem Ersten den Dienst verlasse« mochte.

Warum denn, Rosalie, was paßt Ihnen hier nicht?

Es paßt mir schon soweit alles hier, aber ich mochte nicht mit Madame den
Herrn wechseln, und da Monsieur schon so bald heiratet, wird Madame ja auch
nicht länger hier wohnen bleiben. Oder wollte Monsieur trotz seiner Heirat weiter
bei Madame verkehren?

Was reden Sie nur für grauenhaften Unsinn, Rosalie? fragte Fintje mit
weitgeöffneten Augen.

Ja weiß Madame es denn am Ende selbst noch nicht — mit Monsieurs
Verlobung? stotterte das Mädchen, jetzt selbst ehrlich erschrocken.

Die junge Herrin saß so unnatürlich aufrecht in ihrem bequemen Sessel, mit
einem so weißen, starren Gesicht, und die ringüberladnen Fingerchen krallten sich
so fest um die Armlehnen wie die eines erschrocknen Kindes.

Gehn Sie nur, Rosalie, es ist gut, ich werde später wegen der Kündigung
mit Ihnen sprechen.

Ganz sacht zog das sonst derbe Mädchen die Tür hinter sich zu und blieb
einen Augenblick horchend davor stehn, in einer Regung weiblichen Mitgefühls.
So schlimm hatte sie es nicht machen wollen. Sie hatte wirklich geglaubt,
Madame wisse längst um Monsieurs Verlobung. Es nun so auf einmal zu hören,
mußte weh tun, denn auch „so eine" hatte doch Wohl noch einiges Gefühl wie
andre ehrliche Leute. Und die kleine Madame war noch so jung, kaum achtzehn
Jahr, und auch nicht hochmütig oder bösartig! So gespannt aber Rosalie auch
lauschte, es blieb alles still im Zinnner. Die kleine Madame schien es doch merk¬
würdig ruhig zu nehmen. Kopfschüttelnd tappte Rosalie in ihre Küche hinunter,
sie hatte nicht länger Zeit, hier Wache zu halten, denn um diese Zeit kam ihr
Bräutigam ans Souterrainfenster, um sich von ihr die Reste des Mittagessens
durch das Eisengitter hinausreichen zu lassen. Kommendes Frühjahr wollte er sie
heiraten, sie hatte sich ein hübsches Vermögen in ihren langen Dienstjahren erspart.
Ältlich und häßlich war sie darüber geworden, aber was schadete das? Geld war
wichtiger als Schönheit, und im Frühjahr wollte er sie heiraten.

Fintje hatte die fortschleichenden Schritte gehört. Nun brauchte sie sich nicht
länger Zwang anzutun. Nun war sie ganz allein und verlassen und konnte nach¬
denken und das Schreckliche klar zu erfassen suchen. Aber erst mußte sie weinen,
unvernünftig weinen, damit das unheimliche, atemberaubende Gefühl am Herzen
wegschmolz, und die Starrheit der Glieder sich löste. Auf den Boden mußte sie
sich gleiten lassen, weil das Stillesitzen nicht länger auszuhalten war. Da konnte
sie die schmerzenden Glieder ausstrecken und das Gesicht tief in des Hundes
weiches, weißes Fell wühlen, selbst nichts besseres als ein armer, getretner, ver¬
wundeter Hund.

Warum nur ist sie noch so heftig erschrocken bei der bösen Mitteilung? Aus
heitern, Himmel hat sie der Schlag ja nicht getroffen. Schon lange hat es drohend
in der Ferne gegrollt, dieses unerbittlich näherrückende Unheil; als unsichtbare nur
geahnte Scheidewand hat es sich aufgetürmt zwischen ihr und Neue. Und als sie
ihm die kleinen bittenden Briefe schrieb, höhnte eine innere verständige Stimme


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[0358] Im alten Brüssel Rosalie hatte von einer Freundin, deren Verwandte bei Neues Eltern diente, die Verlobung des jungen Herrn erfahren. Sogleich beschloß die vernünftige, be¬ sonnene Rosalie, ihrer Herrin zu kündigen. Fintje saß tatenlos in dem tiefen Lehnsessel beim Kamin, zu ihren Füßen ruhte lang ausgestreckt der schlafende Ilm. Sie hatte keine Lust zu sticken oder zu lesen. Was sollten ihr die fremden Geschichten und Gedanken? Sie hatte genug mit den eignen zu schaffen. Herein! rief sie müde auf Roscilieus Klopfen. Wollte sie die wieder mit dem Menu für den nächste» Mittag plagen? Rosalie aber blieb halb in der geöffneten Tür stehn. Ich wollte Madame nur sagen, daß ich mit dem Ersten den Dienst verlasse« mochte. Warum denn, Rosalie, was paßt Ihnen hier nicht? Es paßt mir schon soweit alles hier, aber ich mochte nicht mit Madame den Herrn wechseln, und da Monsieur schon so bald heiratet, wird Madame ja auch nicht länger hier wohnen bleiben. Oder wollte Monsieur trotz seiner Heirat weiter bei Madame verkehren? Was reden Sie nur für grauenhaften Unsinn, Rosalie? fragte Fintje mit weitgeöffneten Augen. Ja weiß Madame es denn am Ende selbst noch nicht — mit Monsieurs Verlobung? stotterte das Mädchen, jetzt selbst ehrlich erschrocken. Die junge Herrin saß so unnatürlich aufrecht in ihrem bequemen Sessel, mit einem so weißen, starren Gesicht, und die ringüberladnen Fingerchen krallten sich so fest um die Armlehnen wie die eines erschrocknen Kindes. Gehn Sie nur, Rosalie, es ist gut, ich werde später wegen der Kündigung mit Ihnen sprechen. Ganz sacht zog das sonst derbe Mädchen die Tür hinter sich zu und blieb einen Augenblick horchend davor stehn, in einer Regung weiblichen Mitgefühls. So schlimm hatte sie es nicht machen wollen. Sie hatte wirklich geglaubt, Madame wisse längst um Monsieurs Verlobung. Es nun so auf einmal zu hören, mußte weh tun, denn auch „so eine" hatte doch Wohl noch einiges Gefühl wie andre ehrliche Leute. Und die kleine Madame war noch so jung, kaum achtzehn Jahr, und auch nicht hochmütig oder bösartig! So gespannt aber Rosalie auch lauschte, es blieb alles still im Zinnner. Die kleine Madame schien es doch merk¬ würdig ruhig zu nehmen. Kopfschüttelnd tappte Rosalie in ihre Küche hinunter, sie hatte nicht länger Zeit, hier Wache zu halten, denn um diese Zeit kam ihr Bräutigam ans Souterrainfenster, um sich von ihr die Reste des Mittagessens durch das Eisengitter hinausreichen zu lassen. Kommendes Frühjahr wollte er sie heiraten, sie hatte sich ein hübsches Vermögen in ihren langen Dienstjahren erspart. Ältlich und häßlich war sie darüber geworden, aber was schadete das? Geld war wichtiger als Schönheit, und im Frühjahr wollte er sie heiraten. Fintje hatte die fortschleichenden Schritte gehört. Nun brauchte sie sich nicht länger Zwang anzutun. Nun war sie ganz allein und verlassen und konnte nach¬ denken und das Schreckliche klar zu erfassen suchen. Aber erst mußte sie weinen, unvernünftig weinen, damit das unheimliche, atemberaubende Gefühl am Herzen wegschmolz, und die Starrheit der Glieder sich löste. Auf den Boden mußte sie sich gleiten lassen, weil das Stillesitzen nicht länger auszuhalten war. Da konnte sie die schmerzenden Glieder ausstrecken und das Gesicht tief in des Hundes weiches, weißes Fell wühlen, selbst nichts besseres als ein armer, getretner, ver¬ wundeter Hund. Warum nur ist sie noch so heftig erschrocken bei der bösen Mitteilung? Aus heitern, Himmel hat sie der Schlag ja nicht getroffen. Schon lange hat es drohend in der Ferne gegrollt, dieses unerbittlich näherrückende Unheil; als unsichtbare nur geahnte Scheidewand hat es sich aufgetürmt zwischen ihr und Neue. Und als sie ihm die kleinen bittenden Briefe schrieb, höhnte eine innere verständige Stimme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/358>, abgerufen am 22.12.2024.