Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kredit

Solche Kompagniefirmen genießen bei Leuten, die mit geschäftlichen Verhält¬
nissen wenig vertraut oder leichtgläubig sind, mehr Ansehen und Kredit als
Einzelfirmen. Ebenso benutzen Geschäftsleute, die eine bewegte Vergangenheit
haben, ihre Ehefrauen oder Verwandten zur Bildung von Firmen, als deren
Prokuristen sie sich eintragen lassen. Auf diese Weise suchen sie sich frühern
unerledigten Verpflichtungen zu entziehn, da die Firma der Ehefrau nicht für
die Verbindlichkeiten des Ehemannes haftet.

Eine andre Art offner Beteiligung ist die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung, in der die Gesellschafter mit einer bestimmten eingetragnen Einlage
haften. Diese Form ist gebräuchlich für Geschäfte, die einen spekulativen
Charakter haben, namentlich für Unternehmungen, die nicht Warengeschäfte
sind. Solche Gesellschaften mit beschränkter Haftung befassen sich vor allem
mit der Ausbeutung von Erfindungen, mit wissenschaftlichen, künstlerischen und
journalistischen Unternehmungen. Bei der Gründung wird gewöhnlich der
Wert der Erfindung abgeschätzt, und der Erfinder mit der entsprechenden
Summe als voll eingezahlten Einlage als Gesellschafter ausgenommen, damit
er an dem etwaigen Gewinn Anteil hat. Den übrigen Teil des Stamm¬
kapitals bringen die interessierten Geldleute auf, die das Kapital zur Aus¬
beutung der Erfindung hergeben und sich ebenfalls als Gesellschafter eintragen
lassen. Oft befaßt sich aber die Gesellschaft selbst nicht mit der Ausbeutung,
sondern erwirbt nur die nötigen Patente und verkauft diese an eine von ihr
begründete neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sie sich mit
dem Wert der Patente als Einlage beteiligt. Handelt es sich dabei um ein
großes Unternehmen, das sich über ganze Länder erstreckt, so verkauft die
Muttergesellschaft auch einzelne Lizenzen für bestimmte Bezirke, bleibt aber
immer beteiligt. Auf diese Weise entstehn die sogenannten Schiebungen, die
nicht nur von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch von Aktien¬
gesellschaften gemacht werden.

Hierher gehören auch die Beteiligungen der Banken an industriellen
Unternehmungen. Da das Diskont-, Kommissions-, Lombard-, Rembours-
und Kreditgeschäft für die Aktienbanken nicht lohnend genug ist, daß große
Dividenden verteilt werden könnten, so beteiligen sie sich an allen möglichen
Unternehmungen, die viel Gewinn versprechen. Der Großbankier, dessen Blick
immer ans bedeutende Objekte gerichtet, und der gewohnt ist, mit belangreichen
Summen zu operieren, weist gewöhnlich den kleinen Geschäftsmann, der einen
Kredit von zehn- bis zwanzigtausend Mark verlangt, zurück und befaßt sich
lieber mit weitsichtigen Projekten, die eine Zukunft zu haben scheinen. Ab¬
geneigt ist er nur der Ausbeutung von Erfindungen, die sich in der deutschen
Hochfinanz überhaupt keiner großen Beliebtheit erfreuen, da an ihnen oft viel
Geld verloren wird. Der Engländer und der Amerikaner, der sehr spekulativ
angelegt ist, kommen dem Erfinder mehr entgegen -- daher die technischen
Fortschritte der amerikanischen Industrie, die oft unsre Verwunderung erregen.

Manchmal werden die Banken gegen ihren Willen in Unternehmungen
hineingezogen, die sie durch Kredite gestützt haben. Das geschieht namentlich
bei der Gründung von Aktiengesellschaften und bei der Umwandlung von


Kredit

Solche Kompagniefirmen genießen bei Leuten, die mit geschäftlichen Verhält¬
nissen wenig vertraut oder leichtgläubig sind, mehr Ansehen und Kredit als
Einzelfirmen. Ebenso benutzen Geschäftsleute, die eine bewegte Vergangenheit
haben, ihre Ehefrauen oder Verwandten zur Bildung von Firmen, als deren
Prokuristen sie sich eintragen lassen. Auf diese Weise suchen sie sich frühern
unerledigten Verpflichtungen zu entziehn, da die Firma der Ehefrau nicht für
die Verbindlichkeiten des Ehemannes haftet.

Eine andre Art offner Beteiligung ist die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung, in der die Gesellschafter mit einer bestimmten eingetragnen Einlage
haften. Diese Form ist gebräuchlich für Geschäfte, die einen spekulativen
Charakter haben, namentlich für Unternehmungen, die nicht Warengeschäfte
sind. Solche Gesellschaften mit beschränkter Haftung befassen sich vor allem
mit der Ausbeutung von Erfindungen, mit wissenschaftlichen, künstlerischen und
journalistischen Unternehmungen. Bei der Gründung wird gewöhnlich der
Wert der Erfindung abgeschätzt, und der Erfinder mit der entsprechenden
Summe als voll eingezahlten Einlage als Gesellschafter ausgenommen, damit
er an dem etwaigen Gewinn Anteil hat. Den übrigen Teil des Stamm¬
kapitals bringen die interessierten Geldleute auf, die das Kapital zur Aus¬
beutung der Erfindung hergeben und sich ebenfalls als Gesellschafter eintragen
lassen. Oft befaßt sich aber die Gesellschaft selbst nicht mit der Ausbeutung,
sondern erwirbt nur die nötigen Patente und verkauft diese an eine von ihr
begründete neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sie sich mit
dem Wert der Patente als Einlage beteiligt. Handelt es sich dabei um ein
großes Unternehmen, das sich über ganze Länder erstreckt, so verkauft die
Muttergesellschaft auch einzelne Lizenzen für bestimmte Bezirke, bleibt aber
immer beteiligt. Auf diese Weise entstehn die sogenannten Schiebungen, die
nicht nur von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch von Aktien¬
gesellschaften gemacht werden.

Hierher gehören auch die Beteiligungen der Banken an industriellen
Unternehmungen. Da das Diskont-, Kommissions-, Lombard-, Rembours-
und Kreditgeschäft für die Aktienbanken nicht lohnend genug ist, daß große
Dividenden verteilt werden könnten, so beteiligen sie sich an allen möglichen
Unternehmungen, die viel Gewinn versprechen. Der Großbankier, dessen Blick
immer ans bedeutende Objekte gerichtet, und der gewohnt ist, mit belangreichen
Summen zu operieren, weist gewöhnlich den kleinen Geschäftsmann, der einen
Kredit von zehn- bis zwanzigtausend Mark verlangt, zurück und befaßt sich
lieber mit weitsichtigen Projekten, die eine Zukunft zu haben scheinen. Ab¬
geneigt ist er nur der Ausbeutung von Erfindungen, die sich in der deutschen
Hochfinanz überhaupt keiner großen Beliebtheit erfreuen, da an ihnen oft viel
Geld verloren wird. Der Engländer und der Amerikaner, der sehr spekulativ
angelegt ist, kommen dem Erfinder mehr entgegen — daher die technischen
Fortschritte der amerikanischen Industrie, die oft unsre Verwunderung erregen.

Manchmal werden die Banken gegen ihren Willen in Unternehmungen
hineingezogen, die sie durch Kredite gestützt haben. Das geschieht namentlich
bei der Gründung von Aktiengesellschaften und bei der Umwandlung von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87753"/>
          <fw type="header" place="top"> Kredit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1156" prev="#ID_1155"> Solche Kompagniefirmen genießen bei Leuten, die mit geschäftlichen Verhält¬<lb/>
nissen wenig vertraut oder leichtgläubig sind, mehr Ansehen und Kredit als<lb/>
Einzelfirmen. Ebenso benutzen Geschäftsleute, die eine bewegte Vergangenheit<lb/>
haben, ihre Ehefrauen oder Verwandten zur Bildung von Firmen, als deren<lb/>
Prokuristen sie sich eintragen lassen. Auf diese Weise suchen sie sich frühern<lb/>
unerledigten Verpflichtungen zu entziehn, da die Firma der Ehefrau nicht für<lb/>
die Verbindlichkeiten des Ehemannes haftet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1157"> Eine andre Art offner Beteiligung ist die Gesellschaft mit beschränkter<lb/>
Haftung, in der die Gesellschafter mit einer bestimmten eingetragnen Einlage<lb/>
haften. Diese Form ist gebräuchlich für Geschäfte, die einen spekulativen<lb/>
Charakter haben, namentlich für Unternehmungen, die nicht Warengeschäfte<lb/>
sind. Solche Gesellschaften mit beschränkter Haftung befassen sich vor allem<lb/>
mit der Ausbeutung von Erfindungen, mit wissenschaftlichen, künstlerischen und<lb/>
journalistischen Unternehmungen. Bei der Gründung wird gewöhnlich der<lb/>
Wert der Erfindung abgeschätzt, und der Erfinder mit der entsprechenden<lb/>
Summe als voll eingezahlten Einlage als Gesellschafter ausgenommen, damit<lb/>
er an dem etwaigen Gewinn Anteil hat. Den übrigen Teil des Stamm¬<lb/>
kapitals bringen die interessierten Geldleute auf, die das Kapital zur Aus¬<lb/>
beutung der Erfindung hergeben und sich ebenfalls als Gesellschafter eintragen<lb/>
lassen. Oft befaßt sich aber die Gesellschaft selbst nicht mit der Ausbeutung,<lb/>
sondern erwirbt nur die nötigen Patente und verkauft diese an eine von ihr<lb/>
begründete neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sie sich mit<lb/>
dem Wert der Patente als Einlage beteiligt. Handelt es sich dabei um ein<lb/>
großes Unternehmen, das sich über ganze Länder erstreckt, so verkauft die<lb/>
Muttergesellschaft auch einzelne Lizenzen für bestimmte Bezirke, bleibt aber<lb/>
immer beteiligt. Auf diese Weise entstehn die sogenannten Schiebungen, die<lb/>
nicht nur von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch von Aktien¬<lb/>
gesellschaften gemacht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1158"> Hierher gehören auch die Beteiligungen der Banken an industriellen<lb/>
Unternehmungen. Da das Diskont-, Kommissions-, Lombard-, Rembours-<lb/>
und Kreditgeschäft für die Aktienbanken nicht lohnend genug ist, daß große<lb/>
Dividenden verteilt werden könnten, so beteiligen sie sich an allen möglichen<lb/>
Unternehmungen, die viel Gewinn versprechen. Der Großbankier, dessen Blick<lb/>
immer ans bedeutende Objekte gerichtet, und der gewohnt ist, mit belangreichen<lb/>
Summen zu operieren, weist gewöhnlich den kleinen Geschäftsmann, der einen<lb/>
Kredit von zehn- bis zwanzigtausend Mark verlangt, zurück und befaßt sich<lb/>
lieber mit weitsichtigen Projekten, die eine Zukunft zu haben scheinen. Ab¬<lb/>
geneigt ist er nur der Ausbeutung von Erfindungen, die sich in der deutschen<lb/>
Hochfinanz überhaupt keiner großen Beliebtheit erfreuen, da an ihnen oft viel<lb/>
Geld verloren wird. Der Engländer und der Amerikaner, der sehr spekulativ<lb/>
angelegt ist, kommen dem Erfinder mehr entgegen &#x2014; daher die technischen<lb/>
Fortschritte der amerikanischen Industrie, die oft unsre Verwunderung erregen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1159" next="#ID_1160"> Manchmal werden die Banken gegen ihren Willen in Unternehmungen<lb/>
hineingezogen, die sie durch Kredite gestützt haben. Das geschieht namentlich<lb/>
bei der Gründung von Aktiengesellschaften und bei der Umwandlung von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0275] Kredit Solche Kompagniefirmen genießen bei Leuten, die mit geschäftlichen Verhält¬ nissen wenig vertraut oder leichtgläubig sind, mehr Ansehen und Kredit als Einzelfirmen. Ebenso benutzen Geschäftsleute, die eine bewegte Vergangenheit haben, ihre Ehefrauen oder Verwandten zur Bildung von Firmen, als deren Prokuristen sie sich eintragen lassen. Auf diese Weise suchen sie sich frühern unerledigten Verpflichtungen zu entziehn, da die Firma der Ehefrau nicht für die Verbindlichkeiten des Ehemannes haftet. Eine andre Art offner Beteiligung ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die Gesellschafter mit einer bestimmten eingetragnen Einlage haften. Diese Form ist gebräuchlich für Geschäfte, die einen spekulativen Charakter haben, namentlich für Unternehmungen, die nicht Warengeschäfte sind. Solche Gesellschaften mit beschränkter Haftung befassen sich vor allem mit der Ausbeutung von Erfindungen, mit wissenschaftlichen, künstlerischen und journalistischen Unternehmungen. Bei der Gründung wird gewöhnlich der Wert der Erfindung abgeschätzt, und der Erfinder mit der entsprechenden Summe als voll eingezahlten Einlage als Gesellschafter ausgenommen, damit er an dem etwaigen Gewinn Anteil hat. Den übrigen Teil des Stamm¬ kapitals bringen die interessierten Geldleute auf, die das Kapital zur Aus¬ beutung der Erfindung hergeben und sich ebenfalls als Gesellschafter eintragen lassen. Oft befaßt sich aber die Gesellschaft selbst nicht mit der Ausbeutung, sondern erwirbt nur die nötigen Patente und verkauft diese an eine von ihr begründete neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sie sich mit dem Wert der Patente als Einlage beteiligt. Handelt es sich dabei um ein großes Unternehmen, das sich über ganze Länder erstreckt, so verkauft die Muttergesellschaft auch einzelne Lizenzen für bestimmte Bezirke, bleibt aber immer beteiligt. Auf diese Weise entstehn die sogenannten Schiebungen, die nicht nur von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch von Aktien¬ gesellschaften gemacht werden. Hierher gehören auch die Beteiligungen der Banken an industriellen Unternehmungen. Da das Diskont-, Kommissions-, Lombard-, Rembours- und Kreditgeschäft für die Aktienbanken nicht lohnend genug ist, daß große Dividenden verteilt werden könnten, so beteiligen sie sich an allen möglichen Unternehmungen, die viel Gewinn versprechen. Der Großbankier, dessen Blick immer ans bedeutende Objekte gerichtet, und der gewohnt ist, mit belangreichen Summen zu operieren, weist gewöhnlich den kleinen Geschäftsmann, der einen Kredit von zehn- bis zwanzigtausend Mark verlangt, zurück und befaßt sich lieber mit weitsichtigen Projekten, die eine Zukunft zu haben scheinen. Ab¬ geneigt ist er nur der Ausbeutung von Erfindungen, die sich in der deutschen Hochfinanz überhaupt keiner großen Beliebtheit erfreuen, da an ihnen oft viel Geld verloren wird. Der Engländer und der Amerikaner, der sehr spekulativ angelegt ist, kommen dem Erfinder mehr entgegen — daher die technischen Fortschritte der amerikanischen Industrie, die oft unsre Verwunderung erregen. Manchmal werden die Banken gegen ihren Willen in Unternehmungen hineingezogen, die sie durch Kredite gestützt haben. Das geschieht namentlich bei der Gründung von Aktiengesellschaften und bei der Umwandlung von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/275
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/275>, abgerufen am 22.12.2024.