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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Mobilmachung von ^370

Vor. Ein mit Plünderungen und Erpressungen verbundner militärischer Aufruhr
in Czempiu fand in schwerer Bestrafung der Schuldigen eine gerechte Sühne.
Uber alles Erwarten groß war der Zudrang Freiwilliger zu den Fahnen.
Längst aus der Landwehr cmsgeschiedne Wehrmänner sogar älterer Jahrgänge,
namentlich in den Rheinlanden und Westfalen, Rekruten, die erst im Herbst
zur Einstellung gelangen sollten, baten dringend, ihnen den Eintritt in die
Truppenteile des Feldheeres zu gestatten. Die den Truppen erteilte Er¬
mächtigung, ohne Rücksicht auf Etat und Lebensalter Freiwillige auf Kriegs¬
dauer anzunehmen, hatte ihnen eine außergewöhnlich hohe Zahl von gebildeten
Leuten zugeführt, die schon jetzt ihrer Dienstpflicht als Einjährig-Freiwillige
zu genügen beabsichtigten. Die außerordentlich hohe Zahl der Verheirateten
unter den Einberufnen läßt erkennen, wie tief die Mobilmachung in alle bürger¬
lichen Verhältnisse eingeschnitten hatte, nötigt aber wiederum Bewunderung ab
für die Hingebung und Freudigkeit, mit der dem Mobilmachungsbefehl Folge
geleistet worden ist. So zum Beispiel hatte das Infanterieregiment Ur. 22
unter den Einbeorderten 972 Verheiratete, die höchste Zahl, Ur. 5 908,
Ur. 59 902, Ur. 71 846 usw. Der Mobilmachungsplan hatte sich in allen seinen
Vorschriften glänzend bewährt. Seine Bestimmungen fanden fast überall volles
Verständnis und wurden streng befolgt. Die geringe Anzahl von Verstößen,
deren größter die nichterfolgte Einziehung der Rekruten für die Ersatzbataillone
der Infanterie im Bezirk des sechsten Armeekorps sowie der fünfundzwanzigsten
und der sechsundzwanzigsten Jnfanteriebrigade war, vermochte auf das Gesamt¬
ergebnis keinen irgendwie nennenswerten Einfluß zu üben und konnte das
Gesamturteil nicht ändern, daß die Durchführung der Mobilmachung eine für
alle Zeiten vorbildliche Musterleistung war. Es ist dies um so höher anzu¬
schlagen, als der Mobilmachungsbefehl die Armee wie ein Blitz aus heiterm
Himmel mitten in den Friedensarbeiten und den Vorbereitungen für die Herbst¬
übungen traf, auch eine große Zahl ihrer Führer zum Teil im Auslande auf
Urlaub weilte.

Die Zahl der Truppen, die vor der Vollendung der Mobilmachung zum
Grenzschutz in Bewegung gesetzt wurde, war sehr gering. Aus Frankfurt am
Main wurde am 16. und 17. das Füsilierrcgiment Ur. 34 und aus Koblenz
eine Mineurkompagnie des achten Pionierbataillons nach Rastatt dirigiert,
ein Bataillon des 91. Regiments ging nach Wilhelmshaven; Wesel, Saarlouis
und Geestemünde wurden durch kleine Detachements besetzt und verstärkt. Das
Dragonerregiment Ur. 5 erhielt durch den Chef des Gcneralstabes die Weisung,
am 21. Juli von Frankfurt in drei Märschen zur Beobachtung der bayrisch¬
französischen Grenze nach Kaiserslautern abzugehn. Es war dies die erste
Fühlung, die mit den bayrischen Truppen genommen wurde.

(Schluß folgt)




Die Mobilmachung von ^370

Vor. Ein mit Plünderungen und Erpressungen verbundner militärischer Aufruhr
in Czempiu fand in schwerer Bestrafung der Schuldigen eine gerechte Sühne.
Uber alles Erwarten groß war der Zudrang Freiwilliger zu den Fahnen.
Längst aus der Landwehr cmsgeschiedne Wehrmänner sogar älterer Jahrgänge,
namentlich in den Rheinlanden und Westfalen, Rekruten, die erst im Herbst
zur Einstellung gelangen sollten, baten dringend, ihnen den Eintritt in die
Truppenteile des Feldheeres zu gestatten. Die den Truppen erteilte Er¬
mächtigung, ohne Rücksicht auf Etat und Lebensalter Freiwillige auf Kriegs¬
dauer anzunehmen, hatte ihnen eine außergewöhnlich hohe Zahl von gebildeten
Leuten zugeführt, die schon jetzt ihrer Dienstpflicht als Einjährig-Freiwillige
zu genügen beabsichtigten. Die außerordentlich hohe Zahl der Verheirateten
unter den Einberufnen läßt erkennen, wie tief die Mobilmachung in alle bürger¬
lichen Verhältnisse eingeschnitten hatte, nötigt aber wiederum Bewunderung ab
für die Hingebung und Freudigkeit, mit der dem Mobilmachungsbefehl Folge
geleistet worden ist. So zum Beispiel hatte das Infanterieregiment Ur. 22
unter den Einbeorderten 972 Verheiratete, die höchste Zahl, Ur. 5 908,
Ur. 59 902, Ur. 71 846 usw. Der Mobilmachungsplan hatte sich in allen seinen
Vorschriften glänzend bewährt. Seine Bestimmungen fanden fast überall volles
Verständnis und wurden streng befolgt. Die geringe Anzahl von Verstößen,
deren größter die nichterfolgte Einziehung der Rekruten für die Ersatzbataillone
der Infanterie im Bezirk des sechsten Armeekorps sowie der fünfundzwanzigsten
und der sechsundzwanzigsten Jnfanteriebrigade war, vermochte auf das Gesamt¬
ergebnis keinen irgendwie nennenswerten Einfluß zu üben und konnte das
Gesamturteil nicht ändern, daß die Durchführung der Mobilmachung eine für
alle Zeiten vorbildliche Musterleistung war. Es ist dies um so höher anzu¬
schlagen, als der Mobilmachungsbefehl die Armee wie ein Blitz aus heiterm
Himmel mitten in den Friedensarbeiten und den Vorbereitungen für die Herbst¬
übungen traf, auch eine große Zahl ihrer Führer zum Teil im Auslande auf
Urlaub weilte.

Die Zahl der Truppen, die vor der Vollendung der Mobilmachung zum
Grenzschutz in Bewegung gesetzt wurde, war sehr gering. Aus Frankfurt am
Main wurde am 16. und 17. das Füsilierrcgiment Ur. 34 und aus Koblenz
eine Mineurkompagnie des achten Pionierbataillons nach Rastatt dirigiert,
ein Bataillon des 91. Regiments ging nach Wilhelmshaven; Wesel, Saarlouis
und Geestemünde wurden durch kleine Detachements besetzt und verstärkt. Das
Dragonerregiment Ur. 5 erhielt durch den Chef des Gcneralstabes die Weisung,
am 21. Juli von Frankfurt in drei Märschen zur Beobachtung der bayrisch¬
französischen Grenze nach Kaiserslautern abzugehn. Es war dies die erste
Fühlung, die mit den bayrischen Truppen genommen wurde.

(Schluß folgt)




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[0027] Die Mobilmachung von ^370 Vor. Ein mit Plünderungen und Erpressungen verbundner militärischer Aufruhr in Czempiu fand in schwerer Bestrafung der Schuldigen eine gerechte Sühne. Uber alles Erwarten groß war der Zudrang Freiwilliger zu den Fahnen. Längst aus der Landwehr cmsgeschiedne Wehrmänner sogar älterer Jahrgänge, namentlich in den Rheinlanden und Westfalen, Rekruten, die erst im Herbst zur Einstellung gelangen sollten, baten dringend, ihnen den Eintritt in die Truppenteile des Feldheeres zu gestatten. Die den Truppen erteilte Er¬ mächtigung, ohne Rücksicht auf Etat und Lebensalter Freiwillige auf Kriegs¬ dauer anzunehmen, hatte ihnen eine außergewöhnlich hohe Zahl von gebildeten Leuten zugeführt, die schon jetzt ihrer Dienstpflicht als Einjährig-Freiwillige zu genügen beabsichtigten. Die außerordentlich hohe Zahl der Verheirateten unter den Einberufnen läßt erkennen, wie tief die Mobilmachung in alle bürger¬ lichen Verhältnisse eingeschnitten hatte, nötigt aber wiederum Bewunderung ab für die Hingebung und Freudigkeit, mit der dem Mobilmachungsbefehl Folge geleistet worden ist. So zum Beispiel hatte das Infanterieregiment Ur. 22 unter den Einbeorderten 972 Verheiratete, die höchste Zahl, Ur. 5 908, Ur. 59 902, Ur. 71 846 usw. Der Mobilmachungsplan hatte sich in allen seinen Vorschriften glänzend bewährt. Seine Bestimmungen fanden fast überall volles Verständnis und wurden streng befolgt. Die geringe Anzahl von Verstößen, deren größter die nichterfolgte Einziehung der Rekruten für die Ersatzbataillone der Infanterie im Bezirk des sechsten Armeekorps sowie der fünfundzwanzigsten und der sechsundzwanzigsten Jnfanteriebrigade war, vermochte auf das Gesamt¬ ergebnis keinen irgendwie nennenswerten Einfluß zu üben und konnte das Gesamturteil nicht ändern, daß die Durchführung der Mobilmachung eine für alle Zeiten vorbildliche Musterleistung war. Es ist dies um so höher anzu¬ schlagen, als der Mobilmachungsbefehl die Armee wie ein Blitz aus heiterm Himmel mitten in den Friedensarbeiten und den Vorbereitungen für die Herbst¬ übungen traf, auch eine große Zahl ihrer Führer zum Teil im Auslande auf Urlaub weilte. Die Zahl der Truppen, die vor der Vollendung der Mobilmachung zum Grenzschutz in Bewegung gesetzt wurde, war sehr gering. Aus Frankfurt am Main wurde am 16. und 17. das Füsilierrcgiment Ur. 34 und aus Koblenz eine Mineurkompagnie des achten Pionierbataillons nach Rastatt dirigiert, ein Bataillon des 91. Regiments ging nach Wilhelmshaven; Wesel, Saarlouis und Geestemünde wurden durch kleine Detachements besetzt und verstärkt. Das Dragonerregiment Ur. 5 erhielt durch den Chef des Gcneralstabes die Weisung, am 21. Juli von Frankfurt in drei Märschen zur Beobachtung der bayrisch¬ französischen Grenze nach Kaiserslautern abzugehn. Es war dies die erste Fühlung, die mit den bayrischen Truppen genommen wurde. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/27>, abgerufen am 22.12.2024.