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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Mobilmachung von ^3?O

Der König war von dem Inhalt der ihm durch Bismarck vorgelesnen
Depeschen tief bewegt. Er ließ sie zum zweitenmal lesen und stimmte dann
dem Antrage Bismarcks auf Mobilmachung der ganzen Armee zu, was der
Kronprinz den die Empfangshalle dichtgedrängt füllenden Offizieren mit lauter
Stimme und hochgehobnem Helm mitteilte. Die Fahrt nach dem Palais wurde
angetreten, schon 9^ Uhr erging an sämtliche Generalkommandos die tele¬
graphische Benachrichtigung:

Dem Generalkommando wird voraussichtlich in wenigen Stunden der Mobil¬
von Roon. machungsbefehl zugehen.

Kurz nach lO^ Uhr wurde die inzwischen ausgefertigte Order vollzogen
und nach Mitternacht den Generalkommandos der weltgeschichtliche Befehl, von
Novus Hand niedergeschrieben, in nachstehender Form telegraphisch übermittelt:

Auf Allerhöchsten Befehl ist die norddeutsche Bundesarmee planmäßig mobil
zu machen. Der 16. dieses Monats ist der erste Mobilmachungstag. Ausführungs-
von Roon. bestimmungen schriftlich.

Auf die Einzelheiten einzugehn würde hier zu weit führen. Dank dem
großartigen Aufschwünge der Nation und dem einträchtigen und verständnis¬
vollen Zusammenwirken aller berufnen Stellen gelang es, die Mobilmachung
auch in den geführdetsten Teilen des Landes ohne Störung mit staunenswerter
Schnelligkeit und Glattheit durchzuführen und die Feldarmee vielfach noch früher
als planmäßig marschbereit zu stellen. Namentlich hatte das dritte Armeekorps
schon vom 12. Juli ab Maßnahmen zur größten Beschleunigung bei Vehändigung
der Mobilmachungsbefehle und bei Abnahme der Pferde getroffen. Infolgedessen
konnte schon am 23. die Marschbereitschaft der Infanterie, Jäger und Kavallerie
sowie eines Teils der Artillerie gemeldet werden, mit dem Hinzufügen, daß
Teile schon auf dem Marsch seien. Besonders schwierig waren die Verhält¬
nisse beim achten Armeekorps, namentlich bei der sechzehnten Division, wo mit
einer Störung der Mobilmachung durch den Feind gerechnet werden mußte. Ein
Telegramm des Kriegsministeriums vom 15. Juli Nachts wies auf die Mög¬
lichkeit eines plötzlichen Angriffs auf Saarbrücken hin, eine Viertelstunde später
befahl der kommandierende General noch vor Eintreffen der Mobilmachungs¬
order aus Berlin die Mobilmachung des Armeekorps. Auch bei der badischen
Division waren vom 12. ab Vorsichtsmaßregeln durch Einberufung der beur¬
laubten Offiziere und andre Maßnahmen getroffen worden. Am 15. Nach¬
mittags bekamen die Garnisonen Freiburg und Konstanz Order, in der Morgen¬
frühe des nächsten Tages nach Rastatt abzurücken, das Gouvernement Rastatt
wurde am Nachmittag angewiesen, den Rhein sofort durch Kavallerie beobachten
zu lassen und sich überhaupt zu sichern. Namentlich für die Nacht wurde
Sicherung mit größter Vorsicht befohlen. Die Mobilmachung der Division
erfolgte dann im unmittelbaren Anschluß an die Mobilmachung der Armee des
Norddeutschen Bundes.

Die einbcrufnen Mannschaften leisteten, von verschwindenden Ausnahmen
abgesehen, der Order pünktlich und willig Folge. Grobe Ausschreitungen, die
auf fremde Einwirkungen zurückzuführen wäre", fielen nur in vier Bezirken


Die Mobilmachung von ^3?O

Der König war von dem Inhalt der ihm durch Bismarck vorgelesnen
Depeschen tief bewegt. Er ließ sie zum zweitenmal lesen und stimmte dann
dem Antrage Bismarcks auf Mobilmachung der ganzen Armee zu, was der
Kronprinz den die Empfangshalle dichtgedrängt füllenden Offizieren mit lauter
Stimme und hochgehobnem Helm mitteilte. Die Fahrt nach dem Palais wurde
angetreten, schon 9^ Uhr erging an sämtliche Generalkommandos die tele¬
graphische Benachrichtigung:

Dem Generalkommando wird voraussichtlich in wenigen Stunden der Mobil¬
von Roon. machungsbefehl zugehen.

Kurz nach lO^ Uhr wurde die inzwischen ausgefertigte Order vollzogen
und nach Mitternacht den Generalkommandos der weltgeschichtliche Befehl, von
Novus Hand niedergeschrieben, in nachstehender Form telegraphisch übermittelt:

Auf Allerhöchsten Befehl ist die norddeutsche Bundesarmee planmäßig mobil
zu machen. Der 16. dieses Monats ist der erste Mobilmachungstag. Ausführungs-
von Roon. bestimmungen schriftlich.

Auf die Einzelheiten einzugehn würde hier zu weit führen. Dank dem
großartigen Aufschwünge der Nation und dem einträchtigen und verständnis¬
vollen Zusammenwirken aller berufnen Stellen gelang es, die Mobilmachung
auch in den geführdetsten Teilen des Landes ohne Störung mit staunenswerter
Schnelligkeit und Glattheit durchzuführen und die Feldarmee vielfach noch früher
als planmäßig marschbereit zu stellen. Namentlich hatte das dritte Armeekorps
schon vom 12. Juli ab Maßnahmen zur größten Beschleunigung bei Vehändigung
der Mobilmachungsbefehle und bei Abnahme der Pferde getroffen. Infolgedessen
konnte schon am 23. die Marschbereitschaft der Infanterie, Jäger und Kavallerie
sowie eines Teils der Artillerie gemeldet werden, mit dem Hinzufügen, daß
Teile schon auf dem Marsch seien. Besonders schwierig waren die Verhält¬
nisse beim achten Armeekorps, namentlich bei der sechzehnten Division, wo mit
einer Störung der Mobilmachung durch den Feind gerechnet werden mußte. Ein
Telegramm des Kriegsministeriums vom 15. Juli Nachts wies auf die Mög¬
lichkeit eines plötzlichen Angriffs auf Saarbrücken hin, eine Viertelstunde später
befahl der kommandierende General noch vor Eintreffen der Mobilmachungs¬
order aus Berlin die Mobilmachung des Armeekorps. Auch bei der badischen
Division waren vom 12. ab Vorsichtsmaßregeln durch Einberufung der beur¬
laubten Offiziere und andre Maßnahmen getroffen worden. Am 15. Nach¬
mittags bekamen die Garnisonen Freiburg und Konstanz Order, in der Morgen¬
frühe des nächsten Tages nach Rastatt abzurücken, das Gouvernement Rastatt
wurde am Nachmittag angewiesen, den Rhein sofort durch Kavallerie beobachten
zu lassen und sich überhaupt zu sichern. Namentlich für die Nacht wurde
Sicherung mit größter Vorsicht befohlen. Die Mobilmachung der Division
erfolgte dann im unmittelbaren Anschluß an die Mobilmachung der Armee des
Norddeutschen Bundes.

Die einbcrufnen Mannschaften leisteten, von verschwindenden Ausnahmen
abgesehen, der Order pünktlich und willig Folge. Grobe Ausschreitungen, die
auf fremde Einwirkungen zurückzuführen wäre«, fielen nur in vier Bezirken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/26>, abgerufen am 22.12.2024.