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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Mobilmachung von I.37O

Feldartillerie noch nicht getrennten Festungsartillerie. Eine schwierige Arbeit
aber war es für das Kriegsministerium, von den neuen Armeekorps das neunte
und das zehnte, Schleswig-Holstein und Hannover, in ihrer Leistungsfähigkeit
den Korps der alten Provinzen auch nur aunüherud gleich zu machen. Das
zehnte Armeekorps hatte im Herbst 1869 einen Bedarf von 4000 Jnfanteristen,
330 Jägern, 1100 Feldartilleristen, 1300 Fußartilleristen, 1090 Pionieren,
2000 Trainsoldaten und 300 Ökonomiehandwerkern, den es im Mobil¬
machungsfall nicht decken konnte, wobei schon in Betracht gezogen war, daß
das siebente Armeekorps freiwillig die Komplettierung seiner hannoverschen
Regimenter übernommen hatte. Ebenso wies das neunte Armeekorps große
Lücken auf.

Die Bewegung der Gemüter in Frankreich, die sich dann unverhältnis¬
mäßig schnell zum Kriegsausbruch steigerte, begann bekanntlich zu Anfang
Juli 1870. Militürbevollmächtigter in Paris war damals der spätere General¬
feldmarschall Graf Waldcrsee, der schon am 9. Juli sein Urteil dahin abgab,
daß er den Krieg für eine beschlossene Sache halte. Am 10. Juli meldete der
Botschafter Graf Solms eine von dem französischen Minister Gramont dem
spanischen Botschafter gegenüber getane Äußerung: "Spanien bleibt für Frank¬
reich ganz aus dem Spiele, wir wollen den Krieg mit Preußen." Graf
Waldersee berichtete unter dem 11. Juli eingehend über positive Kriegsvor¬
bereitungen, die sich auf zwölf verschiedne Punkte erstreckten. Schon am 10.
schrieb er an Oberstleutnant Leszczynski, den Chef des Stabes der badischen
Division: "Alles, was ich hier von Berlin und Ems aus höre, lautet noch
so wunderbar ruhig, daß ich nicht umhin kann, Ihnen mitzuteilen, daß die
Situation so ernsthaft als möglich ist. Nach meiner Überzeugung wollen die
Franzosen den Krieg. Mag der Hohenzoller zurücktreten oder nicht, und mag
auch die Sache momentan applaniert werden, die Absicht ist hier nach meinem
Gefühl unverkennbar, loszuschlagen." Im Pariser Amütsur war ein im
Conseil beratner Artikel erschienen, der die Behauptung aufstellte, wenn Preußen
nicht die Kandidatur Hohenzollern zurücknähme, die Mainlinie nicht zu über¬
schreiten verspräche, Süddeutschland ganz frei ließe, die Grenzen der Herzog¬
tümer regulierte und Mainz abträte, so werde der Krieg unvermeidlich. Eine
gleichlautende Äußerung sollte Gramont dem italienischen Botschafter gegen¬
über getan haben. Graf Waldersee telegraphierte am 11. noch, daß die
vorübergehend beurlaubten Mannschaften, vier bis zwölf Mann per Kompagnie,
zurückbeordert seien, und daß die auf das Land ausgegebnen Artilleriepferde
zurückgenommen würden. Noch sei jedoch kein Truppenteil bewegt, und seien
keine Reserven einbeordert. In einem Briefe an die Königin vom 11. Juli
bemerkte der damals bekanntlich in Ems weilende König zu deu Gramontschen
Forderungen: "Also die größte Festung Deutschlands mitten in Deutschland
in französischen Händen, das grenzt doch an Wahnsinn. Holstein ist heute
hier, um wegen Mainz zu konferieren. Wir tun nichts Bemerkbares, be¬
reiten uns aber still vor." Generalmajor Prinz Holstein, damals Gouverneur
von Mainz, war zur Empfangnahme mündlicher Instruktionen nach Ems be¬
ordert worden, und in der Frühe des 11. Julis ergingen aus Ems von


Die Mobilmachung von I.37O

Feldartillerie noch nicht getrennten Festungsartillerie. Eine schwierige Arbeit
aber war es für das Kriegsministerium, von den neuen Armeekorps das neunte
und das zehnte, Schleswig-Holstein und Hannover, in ihrer Leistungsfähigkeit
den Korps der alten Provinzen auch nur aunüherud gleich zu machen. Das
zehnte Armeekorps hatte im Herbst 1869 einen Bedarf von 4000 Jnfanteristen,
330 Jägern, 1100 Feldartilleristen, 1300 Fußartilleristen, 1090 Pionieren,
2000 Trainsoldaten und 300 Ökonomiehandwerkern, den es im Mobil¬
machungsfall nicht decken konnte, wobei schon in Betracht gezogen war, daß
das siebente Armeekorps freiwillig die Komplettierung seiner hannoverschen
Regimenter übernommen hatte. Ebenso wies das neunte Armeekorps große
Lücken auf.

Die Bewegung der Gemüter in Frankreich, die sich dann unverhältnis¬
mäßig schnell zum Kriegsausbruch steigerte, begann bekanntlich zu Anfang
Juli 1870. Militürbevollmächtigter in Paris war damals der spätere General¬
feldmarschall Graf Waldcrsee, der schon am 9. Juli sein Urteil dahin abgab,
daß er den Krieg für eine beschlossene Sache halte. Am 10. Juli meldete der
Botschafter Graf Solms eine von dem französischen Minister Gramont dem
spanischen Botschafter gegenüber getane Äußerung: „Spanien bleibt für Frank¬
reich ganz aus dem Spiele, wir wollen den Krieg mit Preußen." Graf
Waldersee berichtete unter dem 11. Juli eingehend über positive Kriegsvor¬
bereitungen, die sich auf zwölf verschiedne Punkte erstreckten. Schon am 10.
schrieb er an Oberstleutnant Leszczynski, den Chef des Stabes der badischen
Division: „Alles, was ich hier von Berlin und Ems aus höre, lautet noch
so wunderbar ruhig, daß ich nicht umhin kann, Ihnen mitzuteilen, daß die
Situation so ernsthaft als möglich ist. Nach meiner Überzeugung wollen die
Franzosen den Krieg. Mag der Hohenzoller zurücktreten oder nicht, und mag
auch die Sache momentan applaniert werden, die Absicht ist hier nach meinem
Gefühl unverkennbar, loszuschlagen." Im Pariser Amütsur war ein im
Conseil beratner Artikel erschienen, der die Behauptung aufstellte, wenn Preußen
nicht die Kandidatur Hohenzollern zurücknähme, die Mainlinie nicht zu über¬
schreiten verspräche, Süddeutschland ganz frei ließe, die Grenzen der Herzog¬
tümer regulierte und Mainz abträte, so werde der Krieg unvermeidlich. Eine
gleichlautende Äußerung sollte Gramont dem italienischen Botschafter gegen¬
über getan haben. Graf Waldersee telegraphierte am 11. noch, daß die
vorübergehend beurlaubten Mannschaften, vier bis zwölf Mann per Kompagnie,
zurückbeordert seien, und daß die auf das Land ausgegebnen Artilleriepferde
zurückgenommen würden. Noch sei jedoch kein Truppenteil bewegt, und seien
keine Reserven einbeordert. In einem Briefe an die Königin vom 11. Juli
bemerkte der damals bekanntlich in Ems weilende König zu deu Gramontschen
Forderungen: „Also die größte Festung Deutschlands mitten in Deutschland
in französischen Händen, das grenzt doch an Wahnsinn. Holstein ist heute
hier, um wegen Mainz zu konferieren. Wir tun nichts Bemerkbares, be¬
reiten uns aber still vor." Generalmajor Prinz Holstein, damals Gouverneur
von Mainz, war zur Empfangnahme mündlicher Instruktionen nach Ems be¬
ordert worden, und in der Frühe des 11. Julis ergingen aus Ems von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/23>, abgerufen am 22.12.2024.