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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Im alten Brüssel

Marionetten lag. Näeles Stube war das Lazarett des hölzernen Komödianten-
Volkes. Auf dem Kamin, auf der Kleiderkiste, auf der Bank lagen die Könige,
die Musikanten und die Zigeuner herum. Und NLele selber saß hinter dem Tisch
und schnitt Kronen aus Goldpapier und nähte Kleider und klebte zerbrochne
Glieder zusammen. Er war fünf Jahre älter als Fintje, beinahe schon erwachsen,
aber klein, schief und blaß; sie hießen ihn Ovale, den Marionetten-Ovale, das
Puppenonkelchen, sowie sie Toone den Puppenpapa nannten. Pap" Toone ließ bei
den Aufführungen die männlichen Wesen sprechen, und Ovale, sein Sohn, die
weiblichen mit hoher, feiner, rührender Stimme. Er besuchte eine Realschule, Papa
Toone verdiente genügend an seinem Theater, daß er das teure Schulgeld bezahlen
konnte. Er hoffte, es werde sich lohnen, er hegte die Überzeugung, aus diesem
stillen, tiefsinnigen Jungen könnte Wohl einmal ein Dichter werden, wenn er nur
die nötige Bildung dazu erworben hätte. Und Ovale selbst glaubte heimlich auch,
er könne es einmal dahin bringen, neue Stücke für seine Marionetten zu dichten.

In Oomkes Stube, die nur ein kleines Fenster hatte, das auf eine Mauer
hinaussah, die dem Licht den Eingang verwehrte, brannte auch bei Tage, sobald
er von der Schule zurück war, eine grün umschirmte Petroleumlampe auf dem Tisch.
Das verlieh dem kleinen Raum etwas seltsam Trauliches.

Wenn Fintje nach wildem Umhertollen mit den Kindern der Nachbarschaft
von der schmutzigen Gasse hereingestürmt kam in die Stube, wo still die Lampe
brannte und ihren warmen Lichtkranz über die Tischplatte warf, auf der die bunten,
hölzernen Menschenkinder, das Flittergold und die Farbentöpfchen zerstreut umher¬
standen und lagen, und einen hellen Schein auch über das ernste, kränkliche
Knabengesicht und über die magern, vorsichtig arbeitenden Hände des Puppen¬
doktors breitete, da blieb sie immer erst tief aufatmend unter der Tür stehn und
ging dann auf den Zehenspitzen zu ihrem Platz am Tisch, und das Wetterleuchten
in ihren Augen wandelte sich langsam in einen stillen, träumerischen Glanz.

Ovale sah Fintje gern bei sich am Tisch, er schob ihr immer die ange¬
nehmsten Arbeiten zu. Sie durfte der Königin die goldne Papierkrone auf die
glatte weiße Stiru kleben, sie durfte dem niedlichen Schäfermädchen den Hirten¬
stab vergolden und über den kahlen Schädel des Hanswursts, des "Pouchenelleken,"
die neue Schellenkappe mit den klingenden Glöckchen streifen. Vielleicht duldete der
Sohn des Hauses die kleine Kellerratte nur deshalb an seinem Tische, weil er
allein mit ihr von der Zeit reden konnte, von der er so gern sprach: Wenn ich
einmal die Stücke für unser Theater schreiben werde -- er hatte sonst niemand,
zu dem er davon sprechen konnte, denn den Vater nahmen am Tage die Kunden
der Schenkstube und Abends die Vorstellungen im Keller in Anspruch, und Kameraden
hatte der scheue, schmächtige Knabe nicht.

Zuweilen kehrte auch Fintjes unheimliche Großmutter in Oomkes traulicher
Werkstatt ein. Dann schwieg der vorher gesprächige Junge, und die Hexe aus dein
Poucheuellekeller, das alte, strenge, verbitterte Weib, führte allein das Wort. Die
Kinder kannten ihre Geschichten, ihre traurigen, grolldurchbebten Erinnerungen alle,
aber Fintje stachelte sie immer von neuem zum Erzählen an.

Großmutter, wie wars doch damals, als du noch jung warst, wie die Senne
noch offen durch die Stadt floß, und du des Sonntags mit den kleinen Schwestern
auf deiner Verte Allele^) am Kanal lang spaziertest? Sprich noch mal davon.

Dann erging sich die Alte in der Beschreibung des einst so beliebten Spazier¬
gangs des alten Brüssels längs dem Kanal, der lustige Vergnügungsschiffe und bunte
Nachen trug.

Heute ist er schmutzig und stumm geworden und trägt seine Lasten wie ein
müder Arbeiter, und die frischgrünen Bäume der Allee sind alt und kahl, sie
sterben dahin einer nach dem andern, und niemand kümmert sich darum. Wie sie



Verte Ältere Allee Verte.
Im alten Brüssel

Marionetten lag. Näeles Stube war das Lazarett des hölzernen Komödianten-
Volkes. Auf dem Kamin, auf der Kleiderkiste, auf der Bank lagen die Könige,
die Musikanten und die Zigeuner herum. Und NLele selber saß hinter dem Tisch
und schnitt Kronen aus Goldpapier und nähte Kleider und klebte zerbrochne
Glieder zusammen. Er war fünf Jahre älter als Fintje, beinahe schon erwachsen,
aber klein, schief und blaß; sie hießen ihn Ovale, den Marionetten-Ovale, das
Puppenonkelchen, sowie sie Toone den Puppenpapa nannten. Pap» Toone ließ bei
den Aufführungen die männlichen Wesen sprechen, und Ovale, sein Sohn, die
weiblichen mit hoher, feiner, rührender Stimme. Er besuchte eine Realschule, Papa
Toone verdiente genügend an seinem Theater, daß er das teure Schulgeld bezahlen
konnte. Er hoffte, es werde sich lohnen, er hegte die Überzeugung, aus diesem
stillen, tiefsinnigen Jungen könnte Wohl einmal ein Dichter werden, wenn er nur
die nötige Bildung dazu erworben hätte. Und Ovale selbst glaubte heimlich auch,
er könne es einmal dahin bringen, neue Stücke für seine Marionetten zu dichten.

In Oomkes Stube, die nur ein kleines Fenster hatte, das auf eine Mauer
hinaussah, die dem Licht den Eingang verwehrte, brannte auch bei Tage, sobald
er von der Schule zurück war, eine grün umschirmte Petroleumlampe auf dem Tisch.
Das verlieh dem kleinen Raum etwas seltsam Trauliches.

Wenn Fintje nach wildem Umhertollen mit den Kindern der Nachbarschaft
von der schmutzigen Gasse hereingestürmt kam in die Stube, wo still die Lampe
brannte und ihren warmen Lichtkranz über die Tischplatte warf, auf der die bunten,
hölzernen Menschenkinder, das Flittergold und die Farbentöpfchen zerstreut umher¬
standen und lagen, und einen hellen Schein auch über das ernste, kränkliche
Knabengesicht und über die magern, vorsichtig arbeitenden Hände des Puppen¬
doktors breitete, da blieb sie immer erst tief aufatmend unter der Tür stehn und
ging dann auf den Zehenspitzen zu ihrem Platz am Tisch, und das Wetterleuchten
in ihren Augen wandelte sich langsam in einen stillen, träumerischen Glanz.

Ovale sah Fintje gern bei sich am Tisch, er schob ihr immer die ange¬
nehmsten Arbeiten zu. Sie durfte der Königin die goldne Papierkrone auf die
glatte weiße Stiru kleben, sie durfte dem niedlichen Schäfermädchen den Hirten¬
stab vergolden und über den kahlen Schädel des Hanswursts, des „Pouchenelleken,"
die neue Schellenkappe mit den klingenden Glöckchen streifen. Vielleicht duldete der
Sohn des Hauses die kleine Kellerratte nur deshalb an seinem Tische, weil er
allein mit ihr von der Zeit reden konnte, von der er so gern sprach: Wenn ich
einmal die Stücke für unser Theater schreiben werde — er hatte sonst niemand,
zu dem er davon sprechen konnte, denn den Vater nahmen am Tage die Kunden
der Schenkstube und Abends die Vorstellungen im Keller in Anspruch, und Kameraden
hatte der scheue, schmächtige Knabe nicht.

Zuweilen kehrte auch Fintjes unheimliche Großmutter in Oomkes traulicher
Werkstatt ein. Dann schwieg der vorher gesprächige Junge, und die Hexe aus dein
Poucheuellekeller, das alte, strenge, verbitterte Weib, führte allein das Wort. Die
Kinder kannten ihre Geschichten, ihre traurigen, grolldurchbebten Erinnerungen alle,
aber Fintje stachelte sie immer von neuem zum Erzählen an.

Großmutter, wie wars doch damals, als du noch jung warst, wie die Senne
noch offen durch die Stadt floß, und du des Sonntags mit den kleinen Schwestern
auf deiner Verte Allele^) am Kanal lang spaziertest? Sprich noch mal davon.

Dann erging sich die Alte in der Beschreibung des einst so beliebten Spazier¬
gangs des alten Brüssels längs dem Kanal, der lustige Vergnügungsschiffe und bunte
Nachen trug.

Heute ist er schmutzig und stumm geworden und trägt seine Lasten wie ein
müder Arbeiter, und die frischgrünen Bäume der Allee sind alt und kahl, sie
sterben dahin einer nach dem andern, und niemand kümmert sich darum. Wie sie



Verte Ältere Allee Verte.
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[0116] Im alten Brüssel Marionetten lag. Näeles Stube war das Lazarett des hölzernen Komödianten- Volkes. Auf dem Kamin, auf der Kleiderkiste, auf der Bank lagen die Könige, die Musikanten und die Zigeuner herum. Und NLele selber saß hinter dem Tisch und schnitt Kronen aus Goldpapier und nähte Kleider und klebte zerbrochne Glieder zusammen. Er war fünf Jahre älter als Fintje, beinahe schon erwachsen, aber klein, schief und blaß; sie hießen ihn Ovale, den Marionetten-Ovale, das Puppenonkelchen, sowie sie Toone den Puppenpapa nannten. Pap» Toone ließ bei den Aufführungen die männlichen Wesen sprechen, und Ovale, sein Sohn, die weiblichen mit hoher, feiner, rührender Stimme. Er besuchte eine Realschule, Papa Toone verdiente genügend an seinem Theater, daß er das teure Schulgeld bezahlen konnte. Er hoffte, es werde sich lohnen, er hegte die Überzeugung, aus diesem stillen, tiefsinnigen Jungen könnte Wohl einmal ein Dichter werden, wenn er nur die nötige Bildung dazu erworben hätte. Und Ovale selbst glaubte heimlich auch, er könne es einmal dahin bringen, neue Stücke für seine Marionetten zu dichten. In Oomkes Stube, die nur ein kleines Fenster hatte, das auf eine Mauer hinaussah, die dem Licht den Eingang verwehrte, brannte auch bei Tage, sobald er von der Schule zurück war, eine grün umschirmte Petroleumlampe auf dem Tisch. Das verlieh dem kleinen Raum etwas seltsam Trauliches. Wenn Fintje nach wildem Umhertollen mit den Kindern der Nachbarschaft von der schmutzigen Gasse hereingestürmt kam in die Stube, wo still die Lampe brannte und ihren warmen Lichtkranz über die Tischplatte warf, auf der die bunten, hölzernen Menschenkinder, das Flittergold und die Farbentöpfchen zerstreut umher¬ standen und lagen, und einen hellen Schein auch über das ernste, kränkliche Knabengesicht und über die magern, vorsichtig arbeitenden Hände des Puppen¬ doktors breitete, da blieb sie immer erst tief aufatmend unter der Tür stehn und ging dann auf den Zehenspitzen zu ihrem Platz am Tisch, und das Wetterleuchten in ihren Augen wandelte sich langsam in einen stillen, träumerischen Glanz. Ovale sah Fintje gern bei sich am Tisch, er schob ihr immer die ange¬ nehmsten Arbeiten zu. Sie durfte der Königin die goldne Papierkrone auf die glatte weiße Stiru kleben, sie durfte dem niedlichen Schäfermädchen den Hirten¬ stab vergolden und über den kahlen Schädel des Hanswursts, des „Pouchenelleken," die neue Schellenkappe mit den klingenden Glöckchen streifen. Vielleicht duldete der Sohn des Hauses die kleine Kellerratte nur deshalb an seinem Tische, weil er allein mit ihr von der Zeit reden konnte, von der er so gern sprach: Wenn ich einmal die Stücke für unser Theater schreiben werde — er hatte sonst niemand, zu dem er davon sprechen konnte, denn den Vater nahmen am Tage die Kunden der Schenkstube und Abends die Vorstellungen im Keller in Anspruch, und Kameraden hatte der scheue, schmächtige Knabe nicht. Zuweilen kehrte auch Fintjes unheimliche Großmutter in Oomkes traulicher Werkstatt ein. Dann schwieg der vorher gesprächige Junge, und die Hexe aus dein Poucheuellekeller, das alte, strenge, verbitterte Weib, führte allein das Wort. Die Kinder kannten ihre Geschichten, ihre traurigen, grolldurchbebten Erinnerungen alle, aber Fintje stachelte sie immer von neuem zum Erzählen an. Großmutter, wie wars doch damals, als du noch jung warst, wie die Senne noch offen durch die Stadt floß, und du des Sonntags mit den kleinen Schwestern auf deiner Verte Allele^) am Kanal lang spaziertest? Sprich noch mal davon. Dann erging sich die Alte in der Beschreibung des einst so beliebten Spazier¬ gangs des alten Brüssels längs dem Kanal, der lustige Vergnügungsschiffe und bunte Nachen trug. Heute ist er schmutzig und stumm geworden und trägt seine Lasten wie ein müder Arbeiter, und die frischgrünen Bäume der Allee sind alt und kahl, sie sterben dahin einer nach dem andern, und niemand kümmert sich darum. Wie sie Verte Ältere Allee Verte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/116>, abgerufen am 23.07.2024.