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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

vier Schlachtpferde dorthin zu bringen, spannte unsern Ponyhengst vor einen kleinen
Wagen und band die vier Pferde hinten an. Da der Ponyhengst scharf zog, die
vier Schlachtpferde aber nicht recht von der Stelle konnten, rissen sie mir mitten
auf der Landstraße meinen Wagen auseinander, und ich war genötigt, ihn im
nächsten Dorfe mit Hilfe von Stricken und Nägeln, die mir ein Tischler gab, einst¬
weilen notdürftig zu reparieren. Am Abend kehrte ich in einem Dorfgasthof ein,
übernachtete mit meinen fünf Pferden im Stall und fuhr in der Frühe des nächsten
Morgens weiter, bis ich um drei Uhr am Nachmittag in Waldkirch anlangte. Dort
standen die Menageriewagen schon auf der Straße vor der Wiese und wurden mit
Hilfe von Bohlen und Hebebäumen ans den Platz geschafft. Ich fragte nach dem
Prinzipal und hörte, daß dieser krank sei und im Wohnwagen liege. Als ich ihn
besuchte, war er sehr hinfällig und klagte, daß ihm alle Glieder weh täten. Er
hatte den Gelenkrheumatismus, und ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu
dürfen, daß seine Erkrankung auf eine Blutvergiftung durch den Tigerbiß zurück¬
zuführen war.

Nun mußte ich wieder den Krankenpfleger spielen, und zwar nur des Nachts,
wo ich aber mit dem Patienten soviel zu tun hatte, daß ich selbst kaum zu einer
Viertelstunde Schlaf kam. Im Wohnwagen war dicht bei der Tür das Bett des
Dienstmädchens, dann kam der Kinderwagen, und hinter diesem lag mein Stroh¬
sack. Hatte ich Webelhorst zurechtgelegt und mich auf mein Lager gestreckt, so rief
er, ich möchte ihm doch zu trinken geben. Ich erhob mich, erfüllte seinen Wunsch
und legte mich wieder hin. Kaum lag ich, so bat er mich, ihm den Schweiß zu
trocknen; war das geschehen, so vergingen wenig Minuten, und er rief wieder, ich
möchte ihm das Kopfkissen zurechtrücken. In dieser Weise ging es die ganze Nacht
weiter, was für mich um so weniger eine Erholung war, als ich den Tag über
gehörig arbeiten mußte. Die Lohnverhältnisse wurden immer schlechter, und als
wir am Sonnabend vor Ostern ein schönes gesundes Pferd schlachteten, ließ sich
Fran Webelhorst ein Stück davon geben, das sie uns am ersten Feiertag als Fest¬
braten vorsetzte. Ich bin keineswegs ein Verächter von gutem Pferdefleisch, aber
es ging mir doch über die Hutschnur, daß wir an einem solchen Feiertage keinen
andern Braten erhielten.

Nachdem wir abgebrochen hatten, brachten wir die Wagen wieder mit der
Hand von der Wiese auf die Straße. Da der Elefantenwagen sehr schwer war,
erbat ich von unserm Prinzipal die Erlaubnis, den Elefanten samt dem Pudel,
seinem Gesellschafter, aus dem Wagen nehmen zu dürfen und ihn so lange auf
der Wiese stehn zu lassen, bis der Wagen ans der Straße stünde. Ich legte also
ein Heubündel zurecht, holte den Elefanten heraus und hielt bei ihm Wache,
während die Musikanten den Wagen wegschoben. Plötzlich kam eine Prozession
mit lautem Gesänge die Straße herunter, und der Elefant wurde darauf auf¬
merksam. Er stellte die Ohren auseinander, trompetete und machte Miene durch-
zugehn. Ich faßte ihn mit dem Haken hinter dem Ohr und drehte ihn so, daß
er die Prozession nicht mehr sehen konnte, worauf er sich denn auch beruhigte.
Zum Glück hatten die Leute den Elefauten rechtzeitig bemerkt und ihren Gesang
eingestellt.

Von Waldkirch fuhren wir ans der Achse nach Emmendingen. Hier bekam
das kleine Kind von Webelhorst die Masern, und der Wohnwagen wurde immer
mehr zu einem Lazarett. Zum Überfluß bekam ich noch Streit mit dem Dienst¬
mädchen, das mir das Brennholz wegnahm, das ich mir bei einem Stellmacher
geholt und sorgfältig zerkleinert hatte, weil ich damit das Wasser für die Wärm¬
flaschen der Schlangen wärmen wollte. Da Frau Webelhorst die Partei des
Dienstmädchens ergriff, erklärte ich, daß ich in vierzehn Tagen mit der Arbeit auf¬
hören werde. Wir fuhren weiter nach Freiburg im Breisgau zur Messe.

Nachdem ich bei der Menagerie ausgetreten war, hielt ich mich einen ganzen
Tag lang auf dem Meßplatz auf, um zu sehen, ob sich nicht Arbeit für mich fände.


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

vier Schlachtpferde dorthin zu bringen, spannte unsern Ponyhengst vor einen kleinen
Wagen und band die vier Pferde hinten an. Da der Ponyhengst scharf zog, die
vier Schlachtpferde aber nicht recht von der Stelle konnten, rissen sie mir mitten
auf der Landstraße meinen Wagen auseinander, und ich war genötigt, ihn im
nächsten Dorfe mit Hilfe von Stricken und Nägeln, die mir ein Tischler gab, einst¬
weilen notdürftig zu reparieren. Am Abend kehrte ich in einem Dorfgasthof ein,
übernachtete mit meinen fünf Pferden im Stall und fuhr in der Frühe des nächsten
Morgens weiter, bis ich um drei Uhr am Nachmittag in Waldkirch anlangte. Dort
standen die Menageriewagen schon auf der Straße vor der Wiese und wurden mit
Hilfe von Bohlen und Hebebäumen ans den Platz geschafft. Ich fragte nach dem
Prinzipal und hörte, daß dieser krank sei und im Wohnwagen liege. Als ich ihn
besuchte, war er sehr hinfällig und klagte, daß ihm alle Glieder weh täten. Er
hatte den Gelenkrheumatismus, und ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu
dürfen, daß seine Erkrankung auf eine Blutvergiftung durch den Tigerbiß zurück¬
zuführen war.

Nun mußte ich wieder den Krankenpfleger spielen, und zwar nur des Nachts,
wo ich aber mit dem Patienten soviel zu tun hatte, daß ich selbst kaum zu einer
Viertelstunde Schlaf kam. Im Wohnwagen war dicht bei der Tür das Bett des
Dienstmädchens, dann kam der Kinderwagen, und hinter diesem lag mein Stroh¬
sack. Hatte ich Webelhorst zurechtgelegt und mich auf mein Lager gestreckt, so rief
er, ich möchte ihm doch zu trinken geben. Ich erhob mich, erfüllte seinen Wunsch
und legte mich wieder hin. Kaum lag ich, so bat er mich, ihm den Schweiß zu
trocknen; war das geschehen, so vergingen wenig Minuten, und er rief wieder, ich
möchte ihm das Kopfkissen zurechtrücken. In dieser Weise ging es die ganze Nacht
weiter, was für mich um so weniger eine Erholung war, als ich den Tag über
gehörig arbeiten mußte. Die Lohnverhältnisse wurden immer schlechter, und als
wir am Sonnabend vor Ostern ein schönes gesundes Pferd schlachteten, ließ sich
Fran Webelhorst ein Stück davon geben, das sie uns am ersten Feiertag als Fest¬
braten vorsetzte. Ich bin keineswegs ein Verächter von gutem Pferdefleisch, aber
es ging mir doch über die Hutschnur, daß wir an einem solchen Feiertage keinen
andern Braten erhielten.

Nachdem wir abgebrochen hatten, brachten wir die Wagen wieder mit der
Hand von der Wiese auf die Straße. Da der Elefantenwagen sehr schwer war,
erbat ich von unserm Prinzipal die Erlaubnis, den Elefanten samt dem Pudel,
seinem Gesellschafter, aus dem Wagen nehmen zu dürfen und ihn so lange auf
der Wiese stehn zu lassen, bis der Wagen ans der Straße stünde. Ich legte also
ein Heubündel zurecht, holte den Elefanten heraus und hielt bei ihm Wache,
während die Musikanten den Wagen wegschoben. Plötzlich kam eine Prozession
mit lautem Gesänge die Straße herunter, und der Elefant wurde darauf auf¬
merksam. Er stellte die Ohren auseinander, trompetete und machte Miene durch-
zugehn. Ich faßte ihn mit dem Haken hinter dem Ohr und drehte ihn so, daß
er die Prozession nicht mehr sehen konnte, worauf er sich denn auch beruhigte.
Zum Glück hatten die Leute den Elefauten rechtzeitig bemerkt und ihren Gesang
eingestellt.

Von Waldkirch fuhren wir ans der Achse nach Emmendingen. Hier bekam
das kleine Kind von Webelhorst die Masern, und der Wohnwagen wurde immer
mehr zu einem Lazarett. Zum Überfluß bekam ich noch Streit mit dem Dienst¬
mädchen, das mir das Brennholz wegnahm, das ich mir bei einem Stellmacher
geholt und sorgfältig zerkleinert hatte, weil ich damit das Wasser für die Wärm¬
flaschen der Schlangen wärmen wollte. Da Frau Webelhorst die Partei des
Dienstmädchens ergriff, erklärte ich, daß ich in vierzehn Tagen mit der Arbeit auf¬
hören werde. Wir fuhren weiter nach Freiburg im Breisgau zur Messe.

Nachdem ich bei der Menagerie ausgetreten war, hielt ich mich einen ganzen
Tag lang auf dem Meßplatz auf, um zu sehen, ob sich nicht Arbeit für mich fände.


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[0725] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren vier Schlachtpferde dorthin zu bringen, spannte unsern Ponyhengst vor einen kleinen Wagen und band die vier Pferde hinten an. Da der Ponyhengst scharf zog, die vier Schlachtpferde aber nicht recht von der Stelle konnten, rissen sie mir mitten auf der Landstraße meinen Wagen auseinander, und ich war genötigt, ihn im nächsten Dorfe mit Hilfe von Stricken und Nägeln, die mir ein Tischler gab, einst¬ weilen notdürftig zu reparieren. Am Abend kehrte ich in einem Dorfgasthof ein, übernachtete mit meinen fünf Pferden im Stall und fuhr in der Frühe des nächsten Morgens weiter, bis ich um drei Uhr am Nachmittag in Waldkirch anlangte. Dort standen die Menageriewagen schon auf der Straße vor der Wiese und wurden mit Hilfe von Bohlen und Hebebäumen ans den Platz geschafft. Ich fragte nach dem Prinzipal und hörte, daß dieser krank sei und im Wohnwagen liege. Als ich ihn besuchte, war er sehr hinfällig und klagte, daß ihm alle Glieder weh täten. Er hatte den Gelenkrheumatismus, und ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu dürfen, daß seine Erkrankung auf eine Blutvergiftung durch den Tigerbiß zurück¬ zuführen war. Nun mußte ich wieder den Krankenpfleger spielen, und zwar nur des Nachts, wo ich aber mit dem Patienten soviel zu tun hatte, daß ich selbst kaum zu einer Viertelstunde Schlaf kam. Im Wohnwagen war dicht bei der Tür das Bett des Dienstmädchens, dann kam der Kinderwagen, und hinter diesem lag mein Stroh¬ sack. Hatte ich Webelhorst zurechtgelegt und mich auf mein Lager gestreckt, so rief er, ich möchte ihm doch zu trinken geben. Ich erhob mich, erfüllte seinen Wunsch und legte mich wieder hin. Kaum lag ich, so bat er mich, ihm den Schweiß zu trocknen; war das geschehen, so vergingen wenig Minuten, und er rief wieder, ich möchte ihm das Kopfkissen zurechtrücken. In dieser Weise ging es die ganze Nacht weiter, was für mich um so weniger eine Erholung war, als ich den Tag über gehörig arbeiten mußte. Die Lohnverhältnisse wurden immer schlechter, und als wir am Sonnabend vor Ostern ein schönes gesundes Pferd schlachteten, ließ sich Fran Webelhorst ein Stück davon geben, das sie uns am ersten Feiertag als Fest¬ braten vorsetzte. Ich bin keineswegs ein Verächter von gutem Pferdefleisch, aber es ging mir doch über die Hutschnur, daß wir an einem solchen Feiertage keinen andern Braten erhielten. Nachdem wir abgebrochen hatten, brachten wir die Wagen wieder mit der Hand von der Wiese auf die Straße. Da der Elefantenwagen sehr schwer war, erbat ich von unserm Prinzipal die Erlaubnis, den Elefanten samt dem Pudel, seinem Gesellschafter, aus dem Wagen nehmen zu dürfen und ihn so lange auf der Wiese stehn zu lassen, bis der Wagen ans der Straße stünde. Ich legte also ein Heubündel zurecht, holte den Elefanten heraus und hielt bei ihm Wache, während die Musikanten den Wagen wegschoben. Plötzlich kam eine Prozession mit lautem Gesänge die Straße herunter, und der Elefant wurde darauf auf¬ merksam. Er stellte die Ohren auseinander, trompetete und machte Miene durch- zugehn. Ich faßte ihn mit dem Haken hinter dem Ohr und drehte ihn so, daß er die Prozession nicht mehr sehen konnte, worauf er sich denn auch beruhigte. Zum Glück hatten die Leute den Elefauten rechtzeitig bemerkt und ihren Gesang eingestellt. Von Waldkirch fuhren wir ans der Achse nach Emmendingen. Hier bekam das kleine Kind von Webelhorst die Masern, und der Wohnwagen wurde immer mehr zu einem Lazarett. Zum Überfluß bekam ich noch Streit mit dem Dienst¬ mädchen, das mir das Brennholz wegnahm, das ich mir bei einem Stellmacher geholt und sorgfältig zerkleinert hatte, weil ich damit das Wasser für die Wärm¬ flaschen der Schlangen wärmen wollte. Da Frau Webelhorst die Partei des Dienstmädchens ergriff, erklärte ich, daß ich in vierzehn Tagen mit der Arbeit auf¬ hören werde. Wir fuhren weiter nach Freiburg im Breisgau zur Messe. Nachdem ich bei der Menagerie ausgetreten war, hielt ich mich einen ganzen Tag lang auf dem Meßplatz auf, um zu sehen, ob sich nicht Arbeit für mich fände.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/725>, abgerufen am 20.10.2024.