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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Junge Herzen

worin die Primadonna und ihr Gatte, aliwechselnd gegen einen großen Kamin ge¬
lehnt, ein pikantes französisches Proverbe aufführten.

Er spielte fortwährend mit den weiblichen Zuschauerinnen, und sie mit den
männlichen Besuchern des Theaters. Ein Zusammenspiel, das zur Folge hatte, das;
das Stück einen großen Erfolg hatte.

Die nächste Nummer war eine Komposition von Beethoven, die ein bekannter
Klavierpauker aus der Hauptstadt spielte. Er trat in tadellosem Dreß ein, legte
seinen Chapeau elaque auf den hereingcrollteu Flügel, setzte sich, schlug ein paar
Akkorde an, machte eine kleine Pause, als sei er erstaunt, daß es wirklich ein Klavier
sei, griff dann mit aller Macht in die Tasten und hämmerte aus Leibeskräften
drauf los; bald warf er sich rechts, bald links. Dann spielte er mit den Händen
über kreuz, zwischendurch einmal mit der einen Hand allein, leise anschlagend, während
er von Zeit zu Zeit die Hände so hoch hob, daß man fürchtete, er würde die
Tasten nicht wieder treffen, dann ein Piano -- ein Pianissimo -- und zum Schluß
schlug er fast mit dem Kopf auf die Tasten -- ein fürchterliches Getrommel!
Finale! Er sprang auf, verneigte sich, den Chapeau claqne ans Herz gepreßt. --
Ohrenbetäubender Beifall.

Kurze Pause vor offnem Vorhang.

Nach einer Weile wurde die Primadonna von dem Pianisten hereingeführt,
der sich an den Flügel setzte.

Sie hatte jetzt ein sehr kokettes Nvlokokostüm um: kurze Röcke, blaue seidne
Strümpfe, weiße Atlasschuhe mit blauen Schleifen, das Haar hoch frisiert, einen
Schäferhut mit Rosenkranz darauf und eiuen Hirtenstab in der Hand.

Und nun zwitscherte sie einige allerliebste Lieder a, ig. hol^vro, wie auf dem
Programm stand.

Namentlich das folgende fand starken Beifall:

Die Schäferin hinter der Hecke saß,
Lalala,
Die Schäferin jung im duftigen Gras,
Lalala.
Die Lämmer fraßen ihr aus der Hand
-- Sie hatten alle ein rosa Band --,
Aus der kleinen, kleinen Hand
Lalala.
Sie konnte durch die Zweige sehn,
Guck guck!
Da sah sie den Schäfer keck und schön,
. Guck guck!
Er kam auf die Hecke zu und sang --
Wie lieblich es über die Wiese klang,
Über die blühende Wiese klang:
Guck guck, lalala.
Sie bog die Zweige zur Seite sacht.
Guck guck --
Da hält er ihr Köpfchen gefangen und lacht
Guck guck!
Und küßte ihr weiches Wcmgelein,
Der kecke Schäfer, als dürfe es sein,
Ihr rosiges weiches Wängelein --
Guck guck, guck guck, lalala.
Da lachten sie beide und sangen zu zwein
Lalala --
Nicht küssen, nur singen, nicht küssen, nein nein
Du Böser, das Küssen, das darf nicht sein!
Lalala, nein nein!

Junge Herzen

worin die Primadonna und ihr Gatte, aliwechselnd gegen einen großen Kamin ge¬
lehnt, ein pikantes französisches Proverbe aufführten.

Er spielte fortwährend mit den weiblichen Zuschauerinnen, und sie mit den
männlichen Besuchern des Theaters. Ein Zusammenspiel, das zur Folge hatte, das;
das Stück einen großen Erfolg hatte.

Die nächste Nummer war eine Komposition von Beethoven, die ein bekannter
Klavierpauker aus der Hauptstadt spielte. Er trat in tadellosem Dreß ein, legte
seinen Chapeau elaque auf den hereingcrollteu Flügel, setzte sich, schlug ein paar
Akkorde an, machte eine kleine Pause, als sei er erstaunt, daß es wirklich ein Klavier
sei, griff dann mit aller Macht in die Tasten und hämmerte aus Leibeskräften
drauf los; bald warf er sich rechts, bald links. Dann spielte er mit den Händen
über kreuz, zwischendurch einmal mit der einen Hand allein, leise anschlagend, während
er von Zeit zu Zeit die Hände so hoch hob, daß man fürchtete, er würde die
Tasten nicht wieder treffen, dann ein Piano — ein Pianissimo — und zum Schluß
schlug er fast mit dem Kopf auf die Tasten — ein fürchterliches Getrommel!
Finale! Er sprang auf, verneigte sich, den Chapeau claqne ans Herz gepreßt. —
Ohrenbetäubender Beifall.

Kurze Pause vor offnem Vorhang.

Nach einer Weile wurde die Primadonna von dem Pianisten hereingeführt,
der sich an den Flügel setzte.

Sie hatte jetzt ein sehr kokettes Nvlokokostüm um: kurze Röcke, blaue seidne
Strümpfe, weiße Atlasschuhe mit blauen Schleifen, das Haar hoch frisiert, einen
Schäferhut mit Rosenkranz darauf und eiuen Hirtenstab in der Hand.

Und nun zwitscherte sie einige allerliebste Lieder a, ig. hol^vro, wie auf dem
Programm stand.

Namentlich das folgende fand starken Beifall:

Die Schäferin hinter der Hecke saß,
Lalala,
Die Schäferin jung im duftigen Gras,
Lalala.
Die Lämmer fraßen ihr aus der Hand
— Sie hatten alle ein rosa Band —,
Aus der kleinen, kleinen Hand
Lalala.
Sie konnte durch die Zweige sehn,
Guck guck!
Da sah sie den Schäfer keck und schön,
. Guck guck!
Er kam auf die Hecke zu und sang —
Wie lieblich es über die Wiese klang,
Über die blühende Wiese klang:
Guck guck, lalala.
Sie bog die Zweige zur Seite sacht.
Guck guck —
Da hält er ihr Köpfchen gefangen und lacht
Guck guck!
Und küßte ihr weiches Wcmgelein,
Der kecke Schäfer, als dürfe es sein,
Ihr rosiges weiches Wängelein —
Guck guck, guck guck, lalala.
Da lachten sie beide und sangen zu zwein
Lalala —
Nicht küssen, nur singen, nicht küssen, nein nein
Du Böser, das Küssen, das darf nicht sein!
Lalala, nein nein!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/682>, abgerufen am 20.10.2024.