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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Junge Herzen

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Sie mußte das Lied äa, e^po singen, besonders der Refrain, bei dein sie
Guck guck mit den Herren spielte, fand großen Anklang.

Frau Sörensen und Nielsine, die nicht daran gewöhnt waren, Komödie zu
sehen, lachten ununterbrochen und sehr laut, namentlich während des französischen
Proverbes; bei dem Hirtenlied wurde es aber so arg, daß sie die Aufmerksamkeit
des Parketts auf sich zogen.

Pächter Sörensen kniff seine Frau in den Arm und flüsterte ihr zu: Bist du
verrückt, Bentine!

Jetzt wurde es aber vollends arg; der Sohn wurde angesteckt und lachte mit.
Schließlich zischte das Publikum zu dem Balkon hinauf und gebot Ruhe.

Während eines langen Zwischenaktes promenierte man im Foyer, wo man
alle Honoratioren der Stadt und der Umgegend sah.

Die Schüler der Lateinschule umstanden den jungen Sörensen im Kreise und
warfen bewundernde Blicke zu Helene hinüber, die von der gräflichen Familie an¬
geredet wurde, und mit der sich namentlich der Stammherr eifrig unterhielt, sehr
beneidet von seinen Kameraden.

Im letzten Augenblick tauchte Herr Sörensen mit Familie auf. Der Graf
verneigte sich vor Frau Sörensen und Nielsine und reichte dem Pächter die Finger¬
spitzen, während dieser murmelte: Ich habe die Ehre --

Da klingelte es.

Jetzt wurden Nielsine und die Mutter getrennt. Helene setzte sich zwischen
sie. Und der Vater nahm zwischen Mutter und Sohn Platz.

So verlief der Abend ohne weitere Störung.

Zum Schluß wurden mit recht guter Wirkung "Die Dänen in Paris" auf¬
geführt. Die Primadonna spielte die Juliette, und als sie mit besonders viel Aus¬
druck die Strophe sang:

traten Helene Tränen in die Augen.

Sie mußte an einen Sommertag denken, wo sie mit den Eltern und der
Schwester den Sund hinaufgefahren war, und sie erinnerte sich namentlich der
Freude des Vaters, die ihren Ausdruck darin gefunden hatte, daß er dieses Lied
vor sich hinsummte.

Sie sah zu Holmsted hinunter, der sein Opernglas offenbar auf ihre Loge
gerichtet hatte, ihm aber schnell eine andre Richtung gab.

Als der Vorhang siel, wurde die Primadonna mehrmals hervorgerufen, und
unter stürmischem Beifallsjubel nahm sie einen Lorveerkranz in Empfang.

Während Helene mit Sörensen die Treppe hinabging, begegneten sie im Ge¬
dränge Holmsted, der ihnen gerade in die Arme lief. Er konnte weder vorwärts
noch rückwärts. Da sagte denn Sörensen: Darf man die Herrschaften nicht mit¬
einander bekannt machen? Dies ist nämlich die Gouvernante bei Apothekers,
Fräulein Nörby, und das ist unser Doktor, Herr Holmsted.

Sie reichten sich lächelnd die Hand.

Es freut mich sehr, die Bekanntschaft des Herrn Doktors zu machen! sagte
Helene.


Junge Herzen

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Sie mußte das Lied äa, e^po singen, besonders der Refrain, bei dein sie
Guck guck mit den Herren spielte, fand großen Anklang.

Frau Sörensen und Nielsine, die nicht daran gewöhnt waren, Komödie zu
sehen, lachten ununterbrochen und sehr laut, namentlich während des französischen
Proverbes; bei dem Hirtenlied wurde es aber so arg, daß sie die Aufmerksamkeit
des Parketts auf sich zogen.

Pächter Sörensen kniff seine Frau in den Arm und flüsterte ihr zu: Bist du
verrückt, Bentine!

Jetzt wurde es aber vollends arg; der Sohn wurde angesteckt und lachte mit.
Schließlich zischte das Publikum zu dem Balkon hinauf und gebot Ruhe.

Während eines langen Zwischenaktes promenierte man im Foyer, wo man
alle Honoratioren der Stadt und der Umgegend sah.

Die Schüler der Lateinschule umstanden den jungen Sörensen im Kreise und
warfen bewundernde Blicke zu Helene hinüber, die von der gräflichen Familie an¬
geredet wurde, und mit der sich namentlich der Stammherr eifrig unterhielt, sehr
beneidet von seinen Kameraden.

Im letzten Augenblick tauchte Herr Sörensen mit Familie auf. Der Graf
verneigte sich vor Frau Sörensen und Nielsine und reichte dem Pächter die Finger¬
spitzen, während dieser murmelte: Ich habe die Ehre —

Da klingelte es.

Jetzt wurden Nielsine und die Mutter getrennt. Helene setzte sich zwischen
sie. Und der Vater nahm zwischen Mutter und Sohn Platz.

So verlief der Abend ohne weitere Störung.

Zum Schluß wurden mit recht guter Wirkung „Die Dänen in Paris" auf¬
geführt. Die Primadonna spielte die Juliette, und als sie mit besonders viel Aus¬
druck die Strophe sang:

traten Helene Tränen in die Augen.

Sie mußte an einen Sommertag denken, wo sie mit den Eltern und der
Schwester den Sund hinaufgefahren war, und sie erinnerte sich namentlich der
Freude des Vaters, die ihren Ausdruck darin gefunden hatte, daß er dieses Lied
vor sich hinsummte.

Sie sah zu Holmsted hinunter, der sein Opernglas offenbar auf ihre Loge
gerichtet hatte, ihm aber schnell eine andre Richtung gab.

Als der Vorhang siel, wurde die Primadonna mehrmals hervorgerufen, und
unter stürmischem Beifallsjubel nahm sie einen Lorveerkranz in Empfang.

Während Helene mit Sörensen die Treppe hinabging, begegneten sie im Ge¬
dränge Holmsted, der ihnen gerade in die Arme lief. Er konnte weder vorwärts
noch rückwärts. Da sagte denn Sörensen: Darf man die Herrschaften nicht mit¬
einander bekannt machen? Dies ist nämlich die Gouvernante bei Apothekers,
Fräulein Nörby, und das ist unser Doktor, Herr Holmsted.

Sie reichten sich lächelnd die Hand.

Es freut mich sehr, die Bekanntschaft des Herrn Doktors zu machen! sagte
Helene.


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[0683] Junge Herzen z ^ Sie mußte das Lied äa, e^po singen, besonders der Refrain, bei dein sie Guck guck mit den Herren spielte, fand großen Anklang. Frau Sörensen und Nielsine, die nicht daran gewöhnt waren, Komödie zu sehen, lachten ununterbrochen und sehr laut, namentlich während des französischen Proverbes; bei dem Hirtenlied wurde es aber so arg, daß sie die Aufmerksamkeit des Parketts auf sich zogen. Pächter Sörensen kniff seine Frau in den Arm und flüsterte ihr zu: Bist du verrückt, Bentine! Jetzt wurde es aber vollends arg; der Sohn wurde angesteckt und lachte mit. Schließlich zischte das Publikum zu dem Balkon hinauf und gebot Ruhe. Während eines langen Zwischenaktes promenierte man im Foyer, wo man alle Honoratioren der Stadt und der Umgegend sah. Die Schüler der Lateinschule umstanden den jungen Sörensen im Kreise und warfen bewundernde Blicke zu Helene hinüber, die von der gräflichen Familie an¬ geredet wurde, und mit der sich namentlich der Stammherr eifrig unterhielt, sehr beneidet von seinen Kameraden. Im letzten Augenblick tauchte Herr Sörensen mit Familie auf. Der Graf verneigte sich vor Frau Sörensen und Nielsine und reichte dem Pächter die Finger¬ spitzen, während dieser murmelte: Ich habe die Ehre — Da klingelte es. Jetzt wurden Nielsine und die Mutter getrennt. Helene setzte sich zwischen sie. Und der Vater nahm zwischen Mutter und Sohn Platz. So verlief der Abend ohne weitere Störung. Zum Schluß wurden mit recht guter Wirkung „Die Dänen in Paris" auf¬ geführt. Die Primadonna spielte die Juliette, und als sie mit besonders viel Aus¬ druck die Strophe sang: traten Helene Tränen in die Augen. Sie mußte an einen Sommertag denken, wo sie mit den Eltern und der Schwester den Sund hinaufgefahren war, und sie erinnerte sich namentlich der Freude des Vaters, die ihren Ausdruck darin gefunden hatte, daß er dieses Lied vor sich hinsummte. Sie sah zu Holmsted hinunter, der sein Opernglas offenbar auf ihre Loge gerichtet hatte, ihm aber schnell eine andre Richtung gab. Als der Vorhang siel, wurde die Primadonna mehrmals hervorgerufen, und unter stürmischem Beifallsjubel nahm sie einen Lorveerkranz in Empfang. Während Helene mit Sörensen die Treppe hinabging, begegneten sie im Ge¬ dränge Holmsted, der ihnen gerade in die Arme lief. Er konnte weder vorwärts noch rückwärts. Da sagte denn Sörensen: Darf man die Herrschaften nicht mit¬ einander bekannt machen? Dies ist nämlich die Gouvernante bei Apothekers, Fräulein Nörby, und das ist unser Doktor, Herr Holmsted. Sie reichten sich lächelnd die Hand. Es freut mich sehr, die Bekanntschaft des Herrn Doktors zu machen! sagte Helene.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/683>, abgerufen am 27.09.2024.