Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

tous, die letzte Silbe um Schallfülle verliert, das mittelalterliche ptiossl. Nun ist
die Endsilbe des Wortes, die früher noch einen Nebenton (pkiasÄ) trug, tonlos
geworden, oder anders ausgedrückt: der Redende verschwendet alle Energie des
Tons an die erste Silbe, sodaß er für die zweite nichts mehr übrig hat und sie
verkümmern läßt, während früher der Ton auf beide Silben, wenn auch nicht
gleichmäßig, verteilt wurde. Diese Schwächung der Endsilbe tritt auch im Nieder¬
deutschen ein; dagegen bleibt hier der alte Amiant ebenso wie der Vokal der ersten
Silbe unverändert, sodaß die lautgerechte Form das noch jetzt bestehende xssol ist.
Durch die Lautverschiebung erhalten wir übrigens einen Fingerzeig, wenn wir die
Zeit, wo das fremde Wort nach Deutschland gelangt ist, genauer bestimmen wollen.
Denn wenn man annehmen darf, daß diese Bewegung etwa in der Mitte oder am
Ausgang des sechsten Jahrhunderts beginnt, so muß unser Wort um diese Zeit
schon in Deutschland bekannt gewesen sein, sonst wäre es nicht mehr von der Laut¬
verschiebung betroffen, sondern es hätte wie manches nach dem Abschluß dieser Be¬
wegung, seit dem Ende des achten Jahrhunderts etwa aufgenommne Wort den
lateinischen Amiant gewahrt (vgl. pM aus pollis, xoin aus xosng. u. a.). Wenn
man später manchmal tissl für Msssl geschrieben findet, so kommt das daher, daß
späterhin in Mitteldeutschland das infolge einer leicht erklärbaren Erleichterung
der Aussprache in reines k (die Spirans) überging. Bekanntlich sprechen die meisten
Mitteldeutschen und ebenso die Niederdeutschen, wenn sie hochdeutsch reden, nicht
xttai^k, sondern klein^iz, nicht xtsrä, sondern tora usw., was ihnen oft von den
Süddeutschen vorgehalten wird, obwohl es ja im Grunde auf einem ähnlichen Vor¬
gange beruht, als der ist, wodurch ehemals in Süddeutschland das x in xk ver¬
wandelt wurde. Und wie das xt, so ist auch später das is in einen Laut zusammen¬
gezogen.

Man nimmt gewöhnlich an, das Wort xsnsils sei von xsnsuw abzuleiten und
habe zunächst den Raum bezeichnet, worin die Frauen ihr xsusum, d. h. das ihnen
zugewogne Quantum Wolle, zu verarbeiten pflegten. Aber das ist schwerlich richtig;
das Wort hängt vielmehr, wie auch Kluge im Etymologischen Wörterbuch angibt,
mit den xsusilös bg.1mög.iz zusammen, die nach dem Zeugnis des Plinius und andrer
von einem gewissen Sergius Orakels, einem bekannten Lebemann, erfunden sind;
das waren Badestuben, die über einem Untergeschoß errichtet waren und von hier
ans geheizt wurden (sog. b^povaustg.), also, wenn man den lateinischen Ausdruck
Wiedergeben will, darüber "hingen oder schwebten," wie ja auch die schwebenden
Gärten der Semiramis auf einem terrassenartigen Unterbau liegend gedacht sind.
Z?önsi1<z ist also nur ein abgekürzter Ausdruck für äomns oder dalinsg. xensilis und
bedeutete zunächst wie dieses die Badestube, sodann mit Betonung des charakteristischen
Merkmals der Heizbarkeit jedes heizbare Gemach, weiterhin, weil die Frauen bei
ihren Handarbeiten in der winterlichen Jahreszeit eines geheizten Raumes bedurften,
das Frauenzimmer, schließlich jeden Wvhnrcinm auch ohne Rücksicht auf die Heizbar¬
keit, während noch ein besondrer Strang zu der oben besprochnen, heute noch in
Bayern und Österreich geltenden Bedeutung führt.

Wie sich leicht denken läßt, ist das Wort auch dem Romanischen verblieben.
Wenigstens gilt das für das Französische. Hier wurde xiz(r>)fils nach der Laut¬
regel, wonach langes ü durch si in ol übergeht (vgl. of, moi, moi, rsAsru, rsi,
roi usw.), in xoislo und weiterhin nach dem Schwund des s (vgl. !1s für Isis) in
polls verwandelt. Wenn man später, wie noch heute, xoölg schrieb, so gab man
damit nur den Laut wieder, da ol lange Zeit, bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts, wie vo gesprochen worden ist (vgl. ovos aus wuiboich. Nun spricht
man bekanntlich xoÄö, wie ja überall für das ol die breite plebejische Aussprache os,
durchgedrungen ist. ?c>ki"z bedeutet aber uicht wie das Grundwort xensils die
Badestube, sondern den Ofen (xools im Sinne von Pfanne kommt von dem
lateinischen Mslia her).

Sonnt ist im Französischen der Bedeutungswandel so ziemlich in der entgegen¬
gesetzten Richtung verlaufen wie im Deutschen. Wenn sich hier der Inhalt des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

tous, die letzte Silbe um Schallfülle verliert, das mittelalterliche ptiossl. Nun ist
die Endsilbe des Wortes, die früher noch einen Nebenton (pkiasÄ) trug, tonlos
geworden, oder anders ausgedrückt: der Redende verschwendet alle Energie des
Tons an die erste Silbe, sodaß er für die zweite nichts mehr übrig hat und sie
verkümmern läßt, während früher der Ton auf beide Silben, wenn auch nicht
gleichmäßig, verteilt wurde. Diese Schwächung der Endsilbe tritt auch im Nieder¬
deutschen ein; dagegen bleibt hier der alte Amiant ebenso wie der Vokal der ersten
Silbe unverändert, sodaß die lautgerechte Form das noch jetzt bestehende xssol ist.
Durch die Lautverschiebung erhalten wir übrigens einen Fingerzeig, wenn wir die
Zeit, wo das fremde Wort nach Deutschland gelangt ist, genauer bestimmen wollen.
Denn wenn man annehmen darf, daß diese Bewegung etwa in der Mitte oder am
Ausgang des sechsten Jahrhunderts beginnt, so muß unser Wort um diese Zeit
schon in Deutschland bekannt gewesen sein, sonst wäre es nicht mehr von der Laut¬
verschiebung betroffen, sondern es hätte wie manches nach dem Abschluß dieser Be¬
wegung, seit dem Ende des achten Jahrhunderts etwa aufgenommne Wort den
lateinischen Amiant gewahrt (vgl. pM aus pollis, xoin aus xosng. u. a.). Wenn
man später manchmal tissl für Msssl geschrieben findet, so kommt das daher, daß
späterhin in Mitteldeutschland das infolge einer leicht erklärbaren Erleichterung
der Aussprache in reines k (die Spirans) überging. Bekanntlich sprechen die meisten
Mitteldeutschen und ebenso die Niederdeutschen, wenn sie hochdeutsch reden, nicht
xttai^k, sondern klein^iz, nicht xtsrä, sondern tora usw., was ihnen oft von den
Süddeutschen vorgehalten wird, obwohl es ja im Grunde auf einem ähnlichen Vor¬
gange beruht, als der ist, wodurch ehemals in Süddeutschland das x in xk ver¬
wandelt wurde. Und wie das xt, so ist auch später das is in einen Laut zusammen¬
gezogen.

Man nimmt gewöhnlich an, das Wort xsnsils sei von xsnsuw abzuleiten und
habe zunächst den Raum bezeichnet, worin die Frauen ihr xsusum, d. h. das ihnen
zugewogne Quantum Wolle, zu verarbeiten pflegten. Aber das ist schwerlich richtig;
das Wort hängt vielmehr, wie auch Kluge im Etymologischen Wörterbuch angibt,
mit den xsusilös bg.1mög.iz zusammen, die nach dem Zeugnis des Plinius und andrer
von einem gewissen Sergius Orakels, einem bekannten Lebemann, erfunden sind;
das waren Badestuben, die über einem Untergeschoß errichtet waren und von hier
ans geheizt wurden (sog. b^povaustg.), also, wenn man den lateinischen Ausdruck
Wiedergeben will, darüber „hingen oder schwebten," wie ja auch die schwebenden
Gärten der Semiramis auf einem terrassenartigen Unterbau liegend gedacht sind.
Z?önsi1<z ist also nur ein abgekürzter Ausdruck für äomns oder dalinsg. xensilis und
bedeutete zunächst wie dieses die Badestube, sodann mit Betonung des charakteristischen
Merkmals der Heizbarkeit jedes heizbare Gemach, weiterhin, weil die Frauen bei
ihren Handarbeiten in der winterlichen Jahreszeit eines geheizten Raumes bedurften,
das Frauenzimmer, schließlich jeden Wvhnrcinm auch ohne Rücksicht auf die Heizbar¬
keit, während noch ein besondrer Strang zu der oben besprochnen, heute noch in
Bayern und Österreich geltenden Bedeutung führt.

Wie sich leicht denken läßt, ist das Wort auch dem Romanischen verblieben.
Wenigstens gilt das für das Französische. Hier wurde xiz(r>)fils nach der Laut¬
regel, wonach langes ü durch si in ol übergeht (vgl. of, moi, moi, rsAsru, rsi,
roi usw.), in xoislo und weiterhin nach dem Schwund des s (vgl. !1s für Isis) in
polls verwandelt. Wenn man später, wie noch heute, xoölg schrieb, so gab man
damit nur den Laut wieder, da ol lange Zeit, bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts, wie vo gesprochen worden ist (vgl. ovos aus wuiboich. Nun spricht
man bekanntlich xoÄö, wie ja überall für das ol die breite plebejische Aussprache os,
durchgedrungen ist. ?c>ki«z bedeutet aber uicht wie das Grundwort xensils die
Badestube, sondern den Ofen (xools im Sinne von Pfanne kommt von dem
lateinischen Mslia her).

Sonnt ist im Französischen der Bedeutungswandel so ziemlich in der entgegen¬
gesetzten Richtung verlaufen wie im Deutschen. Wenn sich hier der Inhalt des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297582"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_231" prev="#ID_230"> tous, die letzte Silbe um Schallfülle verliert, das mittelalterliche ptiossl. Nun ist<lb/>
die Endsilbe des Wortes, die früher noch einen Nebenton (pkiasÄ) trug, tonlos<lb/>
geworden, oder anders ausgedrückt: der Redende verschwendet alle Energie des<lb/>
Tons an die erste Silbe, sodaß er für die zweite nichts mehr übrig hat und sie<lb/>
verkümmern läßt, während früher der Ton auf beide Silben, wenn auch nicht<lb/>
gleichmäßig, verteilt wurde. Diese Schwächung der Endsilbe tritt auch im Nieder¬<lb/>
deutschen ein; dagegen bleibt hier der alte Amiant ebenso wie der Vokal der ersten<lb/>
Silbe unverändert, sodaß die lautgerechte Form das noch jetzt bestehende xssol ist.<lb/>
Durch die Lautverschiebung erhalten wir übrigens einen Fingerzeig, wenn wir die<lb/>
Zeit, wo das fremde Wort nach Deutschland gelangt ist, genauer bestimmen wollen.<lb/>
Denn wenn man annehmen darf, daß diese Bewegung etwa in der Mitte oder am<lb/>
Ausgang des sechsten Jahrhunderts beginnt, so muß unser Wort um diese Zeit<lb/>
schon in Deutschland bekannt gewesen sein, sonst wäre es nicht mehr von der Laut¬<lb/>
verschiebung betroffen, sondern es hätte wie manches nach dem Abschluß dieser Be¬<lb/>
wegung, seit dem Ende des achten Jahrhunderts etwa aufgenommne Wort den<lb/>
lateinischen Amiant gewahrt (vgl. pM aus pollis, xoin aus xosng. u. a.). Wenn<lb/>
man später manchmal tissl für Msssl geschrieben findet, so kommt das daher, daß<lb/>
späterhin in Mitteldeutschland das infolge einer leicht erklärbaren Erleichterung<lb/>
der Aussprache in reines k (die Spirans) überging. Bekanntlich sprechen die meisten<lb/>
Mitteldeutschen und ebenso die Niederdeutschen, wenn sie hochdeutsch reden, nicht<lb/>
xttai^k, sondern klein^iz, nicht xtsrä, sondern tora usw., was ihnen oft von den<lb/>
Süddeutschen vorgehalten wird, obwohl es ja im Grunde auf einem ähnlichen Vor¬<lb/>
gange beruht, als der ist, wodurch ehemals in Süddeutschland das x in xk ver¬<lb/>
wandelt wurde. Und wie das xt, so ist auch später das is in einen Laut zusammen¬<lb/>
gezogen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_232"> Man nimmt gewöhnlich an, das Wort xsnsils sei von xsnsuw abzuleiten und<lb/>
habe zunächst den Raum bezeichnet, worin die Frauen ihr xsusum, d. h. das ihnen<lb/>
zugewogne Quantum Wolle, zu verarbeiten pflegten. Aber das ist schwerlich richtig;<lb/>
das Wort hängt vielmehr, wie auch Kluge im Etymologischen Wörterbuch angibt,<lb/>
mit den xsusilös bg.1mög.iz zusammen, die nach dem Zeugnis des Plinius und andrer<lb/>
von einem gewissen Sergius Orakels, einem bekannten Lebemann, erfunden sind;<lb/>
das waren Badestuben, die über einem Untergeschoß errichtet waren und von hier<lb/>
ans geheizt wurden (sog. b^povaustg.), also, wenn man den lateinischen Ausdruck<lb/>
Wiedergeben will, darüber &#x201E;hingen oder schwebten," wie ja auch die schwebenden<lb/>
Gärten der Semiramis auf einem terrassenartigen Unterbau liegend gedacht sind.<lb/>
Z?önsi1&lt;z ist also nur ein abgekürzter Ausdruck für äomns oder dalinsg. xensilis und<lb/>
bedeutete zunächst wie dieses die Badestube, sodann mit Betonung des charakteristischen<lb/>
Merkmals der Heizbarkeit jedes heizbare Gemach, weiterhin, weil die Frauen bei<lb/>
ihren Handarbeiten in der winterlichen Jahreszeit eines geheizten Raumes bedurften,<lb/>
das Frauenzimmer, schließlich jeden Wvhnrcinm auch ohne Rücksicht auf die Heizbar¬<lb/>
keit, während noch ein besondrer Strang zu der oben besprochnen, heute noch in<lb/>
Bayern und Österreich geltenden Bedeutung führt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_233"> Wie sich leicht denken läßt, ist das Wort auch dem Romanischen verblieben.<lb/>
Wenigstens gilt das für das Französische. Hier wurde xiz(r&gt;)fils nach der Laut¬<lb/>
regel, wonach langes ü durch si in ol übergeht (vgl. of, moi, moi, rsAsru, rsi,<lb/>
roi usw.), in xoislo und weiterhin nach dem Schwund des s (vgl. !1s für Isis) in<lb/>
polls verwandelt. Wenn man später, wie noch heute, xoölg schrieb, so gab man<lb/>
damit nur den Laut wieder, da ol lange Zeit, bis zum Ende des achtzehnten<lb/>
Jahrhunderts, wie vo gesprochen worden ist (vgl. ovos aus wuiboich. Nun spricht<lb/>
man bekanntlich xoÄö, wie ja überall für das ol die breite plebejische Aussprache os,<lb/>
durchgedrungen ist. ?c&gt;ki«z bedeutet aber uicht wie das Grundwort xensils die<lb/>
Badestube, sondern den Ofen (xools im Sinne von Pfanne kommt von dem<lb/>
lateinischen Mslia her).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_234" next="#ID_235"> Sonnt ist im Französischen der Bedeutungswandel so ziemlich in der entgegen¬<lb/>
gesetzten Richtung verlaufen wie im Deutschen.  Wenn sich hier der Inhalt des</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] Maßgebliches und Unmaßgebliches tous, die letzte Silbe um Schallfülle verliert, das mittelalterliche ptiossl. Nun ist die Endsilbe des Wortes, die früher noch einen Nebenton (pkiasÄ) trug, tonlos geworden, oder anders ausgedrückt: der Redende verschwendet alle Energie des Tons an die erste Silbe, sodaß er für die zweite nichts mehr übrig hat und sie verkümmern läßt, während früher der Ton auf beide Silben, wenn auch nicht gleichmäßig, verteilt wurde. Diese Schwächung der Endsilbe tritt auch im Nieder¬ deutschen ein; dagegen bleibt hier der alte Amiant ebenso wie der Vokal der ersten Silbe unverändert, sodaß die lautgerechte Form das noch jetzt bestehende xssol ist. Durch die Lautverschiebung erhalten wir übrigens einen Fingerzeig, wenn wir die Zeit, wo das fremde Wort nach Deutschland gelangt ist, genauer bestimmen wollen. Denn wenn man annehmen darf, daß diese Bewegung etwa in der Mitte oder am Ausgang des sechsten Jahrhunderts beginnt, so muß unser Wort um diese Zeit schon in Deutschland bekannt gewesen sein, sonst wäre es nicht mehr von der Laut¬ verschiebung betroffen, sondern es hätte wie manches nach dem Abschluß dieser Be¬ wegung, seit dem Ende des achten Jahrhunderts etwa aufgenommne Wort den lateinischen Amiant gewahrt (vgl. pM aus pollis, xoin aus xosng. u. a.). Wenn man später manchmal tissl für Msssl geschrieben findet, so kommt das daher, daß späterhin in Mitteldeutschland das infolge einer leicht erklärbaren Erleichterung der Aussprache in reines k (die Spirans) überging. Bekanntlich sprechen die meisten Mitteldeutschen und ebenso die Niederdeutschen, wenn sie hochdeutsch reden, nicht xttai^k, sondern klein^iz, nicht xtsrä, sondern tora usw., was ihnen oft von den Süddeutschen vorgehalten wird, obwohl es ja im Grunde auf einem ähnlichen Vor¬ gange beruht, als der ist, wodurch ehemals in Süddeutschland das x in xk ver¬ wandelt wurde. Und wie das xt, so ist auch später das is in einen Laut zusammen¬ gezogen. Man nimmt gewöhnlich an, das Wort xsnsils sei von xsnsuw abzuleiten und habe zunächst den Raum bezeichnet, worin die Frauen ihr xsusum, d. h. das ihnen zugewogne Quantum Wolle, zu verarbeiten pflegten. Aber das ist schwerlich richtig; das Wort hängt vielmehr, wie auch Kluge im Etymologischen Wörterbuch angibt, mit den xsusilös bg.1mög.iz zusammen, die nach dem Zeugnis des Plinius und andrer von einem gewissen Sergius Orakels, einem bekannten Lebemann, erfunden sind; das waren Badestuben, die über einem Untergeschoß errichtet waren und von hier ans geheizt wurden (sog. b^povaustg.), also, wenn man den lateinischen Ausdruck Wiedergeben will, darüber „hingen oder schwebten," wie ja auch die schwebenden Gärten der Semiramis auf einem terrassenartigen Unterbau liegend gedacht sind. Z?önsi1<z ist also nur ein abgekürzter Ausdruck für äomns oder dalinsg. xensilis und bedeutete zunächst wie dieses die Badestube, sodann mit Betonung des charakteristischen Merkmals der Heizbarkeit jedes heizbare Gemach, weiterhin, weil die Frauen bei ihren Handarbeiten in der winterlichen Jahreszeit eines geheizten Raumes bedurften, das Frauenzimmer, schließlich jeden Wvhnrcinm auch ohne Rücksicht auf die Heizbar¬ keit, während noch ein besondrer Strang zu der oben besprochnen, heute noch in Bayern und Österreich geltenden Bedeutung führt. Wie sich leicht denken läßt, ist das Wort auch dem Romanischen verblieben. Wenigstens gilt das für das Französische. Hier wurde xiz(r>)fils nach der Laut¬ regel, wonach langes ü durch si in ol übergeht (vgl. of, moi, moi, rsAsru, rsi, roi usw.), in xoislo und weiterhin nach dem Schwund des s (vgl. !1s für Isis) in polls verwandelt. Wenn man später, wie noch heute, xoölg schrieb, so gab man damit nur den Laut wieder, da ol lange Zeit, bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts, wie vo gesprochen worden ist (vgl. ovos aus wuiboich. Nun spricht man bekanntlich xoÄö, wie ja überall für das ol die breite plebejische Aussprache os, durchgedrungen ist. ?c>ki«z bedeutet aber uicht wie das Grundwort xensils die Badestube, sondern den Ofen (xools im Sinne von Pfanne kommt von dem lateinischen Mslia her). Sonnt ist im Französischen der Bedeutungswandel so ziemlich in der entgegen¬ gesetzten Richtung verlaufen wie im Deutschen. Wenn sich hier der Inhalt des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/63>, abgerufen am 19.10.2024.