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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

winters uvä Sommers dicit, nun ^vsrst bi as msisten clef sowmsvs okr vessnt
bebbsn mit Ström Aosinäs unä Icinciern AsdÄkt, ok äorin so soso kromäen A^se
xsvorst nncio xotraoterst. Nach dem Bremischen Wörterbuch aber bezeichnet oder
bezeichnete das Wort eine kleine Stube mit einem Ofen -- "der warme Winkel"
heißt es in einer andern Quelle --, und auf den friesischen Inseln versteht man
darunter gar den lehmgestampften Küchenraum, wie das z. B. aus W. Jensens
Erzählung "Auf Maus und Fcmö" hervorgeht. Ebenso wurde schon im Mittelalter
das niederländische xrjsel durch oulins, glossiert. Von Holstein aus ist das Wort
auch nach Dänemark und Norwegen vorgedrungen, wo es sich bis heute in der
Lnntform xsis behauptet hat (siehe Nyerup-Vogt: Das Leben der Wörter). Da¬
gegen nach dem Osten, nach Mecklenburg und Pommern, scheint es nicht gekommen
zu sein. Ebenso unbekannt ist es heute in den mitteldeutsche" Mundarten, auch
im Westen, am Rhein, und im Südwesten bei Schwaben und Alemannen findet es
sich nicht. Nur im Bayrisch-Österreichischen ist das Wort noch anzutreffen, natürlich
in der oberdeutschen Lautform xtiessl, es hat aber eine Bedeutung angenommen,
die sich von der oben angegebnen weit genug entfernt. Denn es bezeichnet nach
Schmeller "ein Gemach, in welchem durch einen stark geheizten Ofen das in die
Berkuffen gestoßene ausgesottene Salz auf eignem Gerüste gedörrt und gehärtet
(gepfieselt) wird." Also im äußersten Norden und im fernen Südosten ist das Wort
noch bodenständig, wenngleich, wie gesagt, in sehr verschiednen Sinne angewandt.

Anders im Mittelalter. Da galt das Wort so ziemlich in ganz Deutschland
und hatte im Gegensatz zu seinem jetzt so vieldeutigen Inhalt einen ziemlich fest
umschriebnen Sinn. Denn es bezeichnete vorzugsweise das Zimmer, wo die Frauen
und Mägde zu arbeiten pflegten, das später kurzweg "das Frauenzimmer" genannt
wurde. So läßt in der bunten Legendensammlung, die den Namen Kaiserchronik
trägt, weil sie eine poetische Reichsgeschichte sein will, die Gemahlin des oströmischen
Kaisers Zeno dem Aetius höhnend sagen, er solle in ihren xcksssl kommen, um mit
den Mägden Wolle zu zupfen -- beiläufig gesagt ein grober, aber für die Kaiser¬
chronik nicht ungewöhnlicher Verstoß gegen die Überlieferung, da Zeno und Aetius
keine Zeitgenossen waren, und überdies die Geschichte von Sophia, der Gemahlin
Justins des Zweiten, und dem Gotenbezwinger Narses erzählt wird. Die Ver¬
bindung des Wortes xüsssl mit gaclem (Gemach) ergibt ein xlieselgacism, was man
als eine der Doppelungen ansehen könnte, die wie Imtvurm, maultisr, Mön-vsr-
xnüsssn u. a. zu entstehn pflegen, wenn der Sinn des ersten Wortes ins Schwanken
gerät und sozusagen einer Stütze bedarf, wenn man hier nicht Grund hätte anzu¬
nehmen, daß durch die Zusammensetzung mit xüsssl das Mähen als ein heizbares
charakterisiert werden soll.

Das Wort erscheint schon in althochdeutscher Zeit, die Form Mös,I ist durch
die am Ende des achten Jahrhunderts zusammengestellten, aber auf eine wesentlich
ältere Quelle zurückgehenden Kasseler Glossen bezeugt. Natürlich ist es kein Erb¬
wort, sondern es stammt, worauf schon der Amiant xb, für das man später xk
schrieb, hinweist, aus der Fremde. Aus dem lateinischen Grundwort xensils schwand
zunächst das n vor dem s, das ist eine Lautverändernng, die nicht nur dem jüngern
Latein eigen ist, sondern sich auch in germanischen Mundarten findet, wie die
Doppelformen --infer und ason, F-ins und Avos (englisch Avoss), ssnso und sois und
andre beweisen; dann wird das neu entstandne Miliz durch Lautdifferenzierung in
Male umgeformt, worauf unter dem Druck des auf der ersten Silbe ruhenden
Hochtons das s der letzten Silbe gänzlich verklingt. Nun tritt die Lautverschiebung
ein, wodurch wenigstens in Oberdeutschland die Tennis x durch die Affricata M
oder xk ersetzt wird, wahrend später das e der Stammsilbe mit regelrechtem Laut¬
wechsel (vgl. teZnIa -- sxoouium -- sx>ig,Aa,I) durch Sö, hindurch in is. über¬
geht. Das ist, als wenn jemand heutzutage für Wol erst Isadt und dann mit Er¬
höhung des Tons Ils,de spräche. So entsteht aus xiss-ü zunächst xkgg.8s,1 und-
Msal, weiterhin aber, indem das la zu lo erleichtert wird, und andrerseits,
wiederum durch die Schuld des die erste Silbe nachdrücklichst hervorhebenden Hoch-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

winters uvä Sommers dicit, nun ^vsrst bi as msisten clef sowmsvs okr vessnt
bebbsn mit Ström Aosinäs unä Icinciern AsdÄkt, ok äorin so soso kromäen A^se
xsvorst nncio xotraoterst. Nach dem Bremischen Wörterbuch aber bezeichnet oder
bezeichnete das Wort eine kleine Stube mit einem Ofen — „der warme Winkel"
heißt es in einer andern Quelle —, und auf den friesischen Inseln versteht man
darunter gar den lehmgestampften Küchenraum, wie das z. B. aus W. Jensens
Erzählung „Auf Maus und Fcmö" hervorgeht. Ebenso wurde schon im Mittelalter
das niederländische xrjsel durch oulins, glossiert. Von Holstein aus ist das Wort
auch nach Dänemark und Norwegen vorgedrungen, wo es sich bis heute in der
Lnntform xsis behauptet hat (siehe Nyerup-Vogt: Das Leben der Wörter). Da¬
gegen nach dem Osten, nach Mecklenburg und Pommern, scheint es nicht gekommen
zu sein. Ebenso unbekannt ist es heute in den mitteldeutsche» Mundarten, auch
im Westen, am Rhein, und im Südwesten bei Schwaben und Alemannen findet es
sich nicht. Nur im Bayrisch-Österreichischen ist das Wort noch anzutreffen, natürlich
in der oberdeutschen Lautform xtiessl, es hat aber eine Bedeutung angenommen,
die sich von der oben angegebnen weit genug entfernt. Denn es bezeichnet nach
Schmeller „ein Gemach, in welchem durch einen stark geheizten Ofen das in die
Berkuffen gestoßene ausgesottene Salz auf eignem Gerüste gedörrt und gehärtet
(gepfieselt) wird." Also im äußersten Norden und im fernen Südosten ist das Wort
noch bodenständig, wenngleich, wie gesagt, in sehr verschiednen Sinne angewandt.

Anders im Mittelalter. Da galt das Wort so ziemlich in ganz Deutschland
und hatte im Gegensatz zu seinem jetzt so vieldeutigen Inhalt einen ziemlich fest
umschriebnen Sinn. Denn es bezeichnete vorzugsweise das Zimmer, wo die Frauen
und Mägde zu arbeiten pflegten, das später kurzweg „das Frauenzimmer" genannt
wurde. So läßt in der bunten Legendensammlung, die den Namen Kaiserchronik
trägt, weil sie eine poetische Reichsgeschichte sein will, die Gemahlin des oströmischen
Kaisers Zeno dem Aetius höhnend sagen, er solle in ihren xcksssl kommen, um mit
den Mägden Wolle zu zupfen — beiläufig gesagt ein grober, aber für die Kaiser¬
chronik nicht ungewöhnlicher Verstoß gegen die Überlieferung, da Zeno und Aetius
keine Zeitgenossen waren, und überdies die Geschichte von Sophia, der Gemahlin
Justins des Zweiten, und dem Gotenbezwinger Narses erzählt wird. Die Ver¬
bindung des Wortes xüsssl mit gaclem (Gemach) ergibt ein xlieselgacism, was man
als eine der Doppelungen ansehen könnte, die wie Imtvurm, maultisr, Mön-vsr-
xnüsssn u. a. zu entstehn pflegen, wenn der Sinn des ersten Wortes ins Schwanken
gerät und sozusagen einer Stütze bedarf, wenn man hier nicht Grund hätte anzu¬
nehmen, daß durch die Zusammensetzung mit xüsssl das Mähen als ein heizbares
charakterisiert werden soll.

Das Wort erscheint schon in althochdeutscher Zeit, die Form Mös,I ist durch
die am Ende des achten Jahrhunderts zusammengestellten, aber auf eine wesentlich
ältere Quelle zurückgehenden Kasseler Glossen bezeugt. Natürlich ist es kein Erb¬
wort, sondern es stammt, worauf schon der Amiant xb, für das man später xk
schrieb, hinweist, aus der Fremde. Aus dem lateinischen Grundwort xensils schwand
zunächst das n vor dem s, das ist eine Lautverändernng, die nicht nur dem jüngern
Latein eigen ist, sondern sich auch in germanischen Mundarten findet, wie die
Doppelformen --infer und ason, F-ins und Avos (englisch Avoss), ssnso und sois und
andre beweisen; dann wird das neu entstandne Miliz durch Lautdifferenzierung in
Male umgeformt, worauf unter dem Druck des auf der ersten Silbe ruhenden
Hochtons das s der letzten Silbe gänzlich verklingt. Nun tritt die Lautverschiebung
ein, wodurch wenigstens in Oberdeutschland die Tennis x durch die Affricata M
oder xk ersetzt wird, wahrend später das e der Stammsilbe mit regelrechtem Laut¬
wechsel (vgl. teZnIa — sxoouium — sx>ig,Aa,I) durch Sö, hindurch in is. über¬
geht. Das ist, als wenn jemand heutzutage für Wol erst Isadt und dann mit Er¬
höhung des Tons Ils,de spräche. So entsteht aus xiss-ü zunächst xkgg.8s,1 und-
Msal, weiterhin aber, indem das la zu lo erleichtert wird, und andrerseits,
wiederum durch die Schuld des die erste Silbe nachdrücklichst hervorhebenden Hoch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/62>, abgerufen am 19.10.2024.