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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

stehendes Museum von zoologischen und historischen Objekten und ein größeres
Etagenkarussell besaß. Er hatte eine eigne Fabrik, wo alle diese Geschäfte gebaut,
umgebaut und bei Bedarf repariert wurden. Er verstand aber nicht zu rechnen,
sodaß es nach und nach mit ihm zurückging. Ein schwerer Schlag für ihn war
auch der Tod seiner Frau, die im Jahre 1892 bei der großen Choleraepidemie
starb. Von da an verfolgte ihn das Schicksal ununterbrochen, und als er eines Tages
ein Walfischskelett kaufte und zur Schau stellte, das sich bei näherer Untersuchung
als eine aus Papiermache' angefertigte Nachbildung erwies, wurde er wegen dieser
Täuschung des Publikums gerichtlich belangt und schwer bestraft. Das war der
Anfang vom Ende, und so sank er immer tiefer, bis er sich endlich im Jahre 1904
aus Mißmut über eine schwere Krankheit, die ihn befallen hatte, in Straßburg
mit dem Revolver das Leben nahm."

Von Wandsbeck reisten wir damals mit unsrer "Berg- und Talbahn nach
Harburg zum Schützenfest auf dem Schwarzen Berge.

Hier traf ich wieder mit der Familie Kitzmann zusammen, die ganz erstaunt
war, mich in Harburg zu finden, und ich erleichterte mein Herz, indem ich der
ehemaligen Prinzipalin mein Mißgeschick erzählte. Wir hatten außerordentlich viel
zu tun und mußten die Nacht durch bis früh sieben Uhr arbeiten. Wenn es
Morgens zu dämmern begann, spielten wir mit Vorliebe auf unsrer Orgel das
damals sehr beliebte Lied: "Des Morgens, wenn die Hähne krähn, eh noch der
Wachtel Ruf erschallt."

Von Harburg ging es nach Hannover zum Schützenfest.

Auch hier hatten wir die Nächte durch zu arbeiten, und es war um so merk¬
würdiger, daß sich verschiedne "Kunden" im Karussell unter dem "Berge," der
mit einer Tür versehen war, eingenistet hatten, wo sie auf den Kokssäcken trotz
dem fürchterlichen Lärm der ununterbrochen rollenden Wagen den Schlaf des Ge¬
rechten schliefen, bis wir sie mit einem Eimer Wasser verscheuchten; einen andern
traf ich dabei, wie er, mit dem Oberkörper über eine der Stützen des äußern
Rundganges gelehnt, ebenfalls fest schlief.

Auf dem Schützenfest in Wolfenbüttel hatten wir ein andres sehr heiteres
Erlebnis. An einem Mittwoch Nachmittag, als wir gerade das Karussell in Be¬
trieb setzen wollten, brach ein gewaltiger Orkan los, der uns nötigte, das Dach
mit Ketten festzulegen und unser Geschäft in jeder Weise zu sichern, uns selbst aber
in unsre Wohnwagen zurückzuziehn. Dabei beobachteten wir, wie die auf dem
Platze beschäftigten Leute, sobald sie nur konnten, die Flucht ergriffen, und wie
der Kutscher eines Bierwagens die Pferde ausspannte, mit ihnen das Weite suchte
und den Wagen mit den Bierfässern in unsrer Nähe stehn ließ. Wir warteten
darauf, daß sich der Sturm legen sollte, aber das Unwetter hielt längere Zeit an,
und so waren wir, als wir unser Abendbrot erhielten, noch im Packwagen. Dort
wurde uns natürlich die Zeit lang, und einer von uns erinnerte uns daran,
daß wir zwar kein Geld hätten und den Rest des Abends deswegen in keiner
Schenke verbringen könnten, daß uns aber ein gütiges Geschick den Wagen mit
den Bierfässern zugeführt habe. Die Stimme des Versuchers fand Gehör, einer
von uns erkletterte den Bierwngen und warf ein Faß, das etwa fünfzig Liter ent¬
halten mochte, herab. Wir trugen es in unsern Wagen, schlugen, da uns ein
Schraubhahn fehlte, den Pfropfen hinein und steckten den Gummischlauch, den wir
bei der Dampfmaschine gebrauchten, in das Loch. An Gläsern fehlte es uns nicht,
aber unser rheinischer Kollege machte sich die Sache noch bequemer, indem er sich
nnter das Faß legte, den Schlauch in den Mund nahm und dazu meinte: Hier
möchte ich zeitlebens ein Säugling sein. Als das Faß leer war. warfen wir es
ohne viele Umstände aus dem Wagen.

In Erfurt, wohin wir zum Mitteldeutschen Bundesschießen gereist waren,
bekam ich Differenzen mit dem Geschäftsführer, kündigte und trat an einem Sonntag
Morgen aus.


Grenzboten III 1905 77
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

stehendes Museum von zoologischen und historischen Objekten und ein größeres
Etagenkarussell besaß. Er hatte eine eigne Fabrik, wo alle diese Geschäfte gebaut,
umgebaut und bei Bedarf repariert wurden. Er verstand aber nicht zu rechnen,
sodaß es nach und nach mit ihm zurückging. Ein schwerer Schlag für ihn war
auch der Tod seiner Frau, die im Jahre 1892 bei der großen Choleraepidemie
starb. Von da an verfolgte ihn das Schicksal ununterbrochen, und als er eines Tages
ein Walfischskelett kaufte und zur Schau stellte, das sich bei näherer Untersuchung
als eine aus Papiermache' angefertigte Nachbildung erwies, wurde er wegen dieser
Täuschung des Publikums gerichtlich belangt und schwer bestraft. Das war der
Anfang vom Ende, und so sank er immer tiefer, bis er sich endlich im Jahre 1904
aus Mißmut über eine schwere Krankheit, die ihn befallen hatte, in Straßburg
mit dem Revolver das Leben nahm."

Von Wandsbeck reisten wir damals mit unsrer „Berg- und Talbahn nach
Harburg zum Schützenfest auf dem Schwarzen Berge.

Hier traf ich wieder mit der Familie Kitzmann zusammen, die ganz erstaunt
war, mich in Harburg zu finden, und ich erleichterte mein Herz, indem ich der
ehemaligen Prinzipalin mein Mißgeschick erzählte. Wir hatten außerordentlich viel
zu tun und mußten die Nacht durch bis früh sieben Uhr arbeiten. Wenn es
Morgens zu dämmern begann, spielten wir mit Vorliebe auf unsrer Orgel das
damals sehr beliebte Lied: „Des Morgens, wenn die Hähne krähn, eh noch der
Wachtel Ruf erschallt."

Von Harburg ging es nach Hannover zum Schützenfest.

Auch hier hatten wir die Nächte durch zu arbeiten, und es war um so merk¬
würdiger, daß sich verschiedne „Kunden" im Karussell unter dem „Berge," der
mit einer Tür versehen war, eingenistet hatten, wo sie auf den Kokssäcken trotz
dem fürchterlichen Lärm der ununterbrochen rollenden Wagen den Schlaf des Ge¬
rechten schliefen, bis wir sie mit einem Eimer Wasser verscheuchten; einen andern
traf ich dabei, wie er, mit dem Oberkörper über eine der Stützen des äußern
Rundganges gelehnt, ebenfalls fest schlief.

Auf dem Schützenfest in Wolfenbüttel hatten wir ein andres sehr heiteres
Erlebnis. An einem Mittwoch Nachmittag, als wir gerade das Karussell in Be¬
trieb setzen wollten, brach ein gewaltiger Orkan los, der uns nötigte, das Dach
mit Ketten festzulegen und unser Geschäft in jeder Weise zu sichern, uns selbst aber
in unsre Wohnwagen zurückzuziehn. Dabei beobachteten wir, wie die auf dem
Platze beschäftigten Leute, sobald sie nur konnten, die Flucht ergriffen, und wie
der Kutscher eines Bierwagens die Pferde ausspannte, mit ihnen das Weite suchte
und den Wagen mit den Bierfässern in unsrer Nähe stehn ließ. Wir warteten
darauf, daß sich der Sturm legen sollte, aber das Unwetter hielt längere Zeit an,
und so waren wir, als wir unser Abendbrot erhielten, noch im Packwagen. Dort
wurde uns natürlich die Zeit lang, und einer von uns erinnerte uns daran,
daß wir zwar kein Geld hätten und den Rest des Abends deswegen in keiner
Schenke verbringen könnten, daß uns aber ein gütiges Geschick den Wagen mit
den Bierfässern zugeführt habe. Die Stimme des Versuchers fand Gehör, einer
von uns erkletterte den Bierwngen und warf ein Faß, das etwa fünfzig Liter ent¬
halten mochte, herab. Wir trugen es in unsern Wagen, schlugen, da uns ein
Schraubhahn fehlte, den Pfropfen hinein und steckten den Gummischlauch, den wir
bei der Dampfmaschine gebrauchten, in das Loch. An Gläsern fehlte es uns nicht,
aber unser rheinischer Kollege machte sich die Sache noch bequemer, indem er sich
nnter das Faß legte, den Schlauch in den Mund nahm und dazu meinte: Hier
möchte ich zeitlebens ein Säugling sein. Als das Faß leer war. warfen wir es
ohne viele Umstände aus dem Wagen.

In Erfurt, wohin wir zum Mitteldeutschen Bundesschießen gereist waren,
bekam ich Differenzen mit dem Geschäftsführer, kündigte und trat an einem Sonntag
Morgen aus.


Grenzboten III 1905 77
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[0617] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren stehendes Museum von zoologischen und historischen Objekten und ein größeres Etagenkarussell besaß. Er hatte eine eigne Fabrik, wo alle diese Geschäfte gebaut, umgebaut und bei Bedarf repariert wurden. Er verstand aber nicht zu rechnen, sodaß es nach und nach mit ihm zurückging. Ein schwerer Schlag für ihn war auch der Tod seiner Frau, die im Jahre 1892 bei der großen Choleraepidemie starb. Von da an verfolgte ihn das Schicksal ununterbrochen, und als er eines Tages ein Walfischskelett kaufte und zur Schau stellte, das sich bei näherer Untersuchung als eine aus Papiermache' angefertigte Nachbildung erwies, wurde er wegen dieser Täuschung des Publikums gerichtlich belangt und schwer bestraft. Das war der Anfang vom Ende, und so sank er immer tiefer, bis er sich endlich im Jahre 1904 aus Mißmut über eine schwere Krankheit, die ihn befallen hatte, in Straßburg mit dem Revolver das Leben nahm." Von Wandsbeck reisten wir damals mit unsrer „Berg- und Talbahn nach Harburg zum Schützenfest auf dem Schwarzen Berge. Hier traf ich wieder mit der Familie Kitzmann zusammen, die ganz erstaunt war, mich in Harburg zu finden, und ich erleichterte mein Herz, indem ich der ehemaligen Prinzipalin mein Mißgeschick erzählte. Wir hatten außerordentlich viel zu tun und mußten die Nacht durch bis früh sieben Uhr arbeiten. Wenn es Morgens zu dämmern begann, spielten wir mit Vorliebe auf unsrer Orgel das damals sehr beliebte Lied: „Des Morgens, wenn die Hähne krähn, eh noch der Wachtel Ruf erschallt." Von Harburg ging es nach Hannover zum Schützenfest. Auch hier hatten wir die Nächte durch zu arbeiten, und es war um so merk¬ würdiger, daß sich verschiedne „Kunden" im Karussell unter dem „Berge," der mit einer Tür versehen war, eingenistet hatten, wo sie auf den Kokssäcken trotz dem fürchterlichen Lärm der ununterbrochen rollenden Wagen den Schlaf des Ge¬ rechten schliefen, bis wir sie mit einem Eimer Wasser verscheuchten; einen andern traf ich dabei, wie er, mit dem Oberkörper über eine der Stützen des äußern Rundganges gelehnt, ebenfalls fest schlief. Auf dem Schützenfest in Wolfenbüttel hatten wir ein andres sehr heiteres Erlebnis. An einem Mittwoch Nachmittag, als wir gerade das Karussell in Be¬ trieb setzen wollten, brach ein gewaltiger Orkan los, der uns nötigte, das Dach mit Ketten festzulegen und unser Geschäft in jeder Weise zu sichern, uns selbst aber in unsre Wohnwagen zurückzuziehn. Dabei beobachteten wir, wie die auf dem Platze beschäftigten Leute, sobald sie nur konnten, die Flucht ergriffen, und wie der Kutscher eines Bierwagens die Pferde ausspannte, mit ihnen das Weite suchte und den Wagen mit den Bierfässern in unsrer Nähe stehn ließ. Wir warteten darauf, daß sich der Sturm legen sollte, aber das Unwetter hielt längere Zeit an, und so waren wir, als wir unser Abendbrot erhielten, noch im Packwagen. Dort wurde uns natürlich die Zeit lang, und einer von uns erinnerte uns daran, daß wir zwar kein Geld hätten und den Rest des Abends deswegen in keiner Schenke verbringen könnten, daß uns aber ein gütiges Geschick den Wagen mit den Bierfässern zugeführt habe. Die Stimme des Versuchers fand Gehör, einer von uns erkletterte den Bierwngen und warf ein Faß, das etwa fünfzig Liter ent¬ halten mochte, herab. Wir trugen es in unsern Wagen, schlugen, da uns ein Schraubhahn fehlte, den Pfropfen hinein und steckten den Gummischlauch, den wir bei der Dampfmaschine gebrauchten, in das Loch. An Gläsern fehlte es uns nicht, aber unser rheinischer Kollege machte sich die Sache noch bequemer, indem er sich nnter das Faß legte, den Schlauch in den Mund nahm und dazu meinte: Hier möchte ich zeitlebens ein Säugling sein. Als das Faß leer war. warfen wir es ohne viele Umstände aus dem Wagen. In Erfurt, wohin wir zum Mitteldeutschen Bundesschießen gereist waren, bekam ich Differenzen mit dem Geschäftsführer, kündigte und trat an einem Sonntag Morgen aus. Grenzboten III 1905 77

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/617>, abgerufen am 20.10.2024.