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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

hatten wir nicht viel zu tun, sondern beschäftigten uns mit Reparaturen und der¬
gleichen und konnten über viel freie Zeit verfügen.

Bei dem Dampfkarussell waren außer dem alten Ehepaar Kitzmann der Kom¬
pagnon Mannsfeld und ein Geschäftsführer mit Namen Seehausen, der früher
Schauspieler gewesen war und aus seiner glänzenden Vergangenheit den Brauch
beibehalte" hatte, im Hotel zu logieren, während die übrigen mit den vier An¬
gestellten im Wohnwagen schliefen. Der Wohnwagen war sehr praktisch eingerichtet
und wurde durch eine Scheidewand in zwei Abteilungen geteilt, deren jede eine
besondre Tür hatte. Wir Angestellten bewohnten die Hintere Abteilung, wo wir
anfangs zu je zweien in einem Bett schliefen, während später an jeder Seite zwei
Betten übereinander angebracht wurden. Unter den beiden untern Betten waren
je zwei Kasten zur Aufnahme unsrer Habseligkeiten. Betrat man die andre Ab¬
teilung des Wagens, so gelangte man zuerst in die Küche, deren ganzes Mobiliar
aus einem kleinen Kochherd, einer Bank und einem Küchenschrank bestand, und kam
von hier aus in den Wohnraum, worin ein Tisch, ein paar Klappstühle, ein Kleider¬
schrank und eine Kommode standen, während die beiden Betten für gewöhnlich durch
einen Vorhang verhüllt wurden. In dem untern Bett schlief das Kitzmannsche Ehe¬
paar, in dem obern der Kompagnon.

An dem letzten Sonntage, den wir in Innsbruck zubrachten, heizte der Maschinist
um zwei Uhr Nachmittags den Kessel, wir nahmen die Umhangleinwcmd ab und
eröffneten um drei Uhr das Geschäft. Das Karussell wurde durch eine Zwillings¬
maschine von sechs Pferdekräften getrieben, die Orgel durch einen kleinen Motor
von einer halben Pferdekraft. Die sechs Schiffe des Karussells, die mit Masten und
Segeln dekoriert waren, schaukelten in ihrer Schmalachse; zu jedem Schiffe führte
"me besondre Treppe hinauf. Die beiden Prinzipale und der Geschäftsführer
kassierten an den einzelnen Schiffen, und Frau Kitzmann saß zum Wechseln an der
Kasse. Meine Obliegenheiten waren das Herbeischaffen von Wasser und Feuerungs¬
material sowie die Aufsicht an der Außenseite des Karussells. Die Beleuchtung bestand
aus vierundzwanzig Petroleumlaternen, von denen sechs auf Kandelabern angebracht
waren und mit kreisten, während die übrigen an der Dachkonstruktion hingen.

Am Abend um neun Uhr wurde mit dem Abbrechen begonnen. Am andern
Morgen verluden wir auf der Rampe des Bahnhofes und fuhren über Kufstein
ohne Unterbrechung bis Nürnberg, wo auf dem Plärrer die Messe abgehalten wurde.
Dort sah ich die Menagerie Christian Berg wieder, die sich inzwischen bedeutend
vergrößert hatte; außerdem waren an Sehenswürdigkeiten vorhanden: Philipp Ohrs
Museum, der Zirkus Lorenz Wulf, eine Bude mit Raritäten aus dem Münchner
Aquarium, die hauptsächlich aus ausgestopften Amphibien und Fischen usw. bestanden,
die kleine Menagerie Zscharrer und Sondermcmns Illusion "Die Dame ohne Unter¬
leib, genannt Tauina."

Diese Art der Illusion, die jetzt wohl allgemein von den Meßplätzen ver¬
schwunden ist, wurde in ziemlich einfacher Weise hergestellt. Die ganze Bude samt
dem Zuschauerraum war mit schwarzen Tüchern verhängt, sodaß kein Strahl des
Tageslichts hineindringen konnte. Die Bühne selbst war mit schwarzem Sammet
ausgeschlagen und wurde durch eine Lampe mit blankem Reflektor beleuchtet. Von
der Decke der Bühne hing an zwei Seilen nach Art eines Trapezes ein kleines
Brett, auf dem der Oberkörper einer Dame sichtbar wurde, die sich mit beiden
Händen an den Stricken festhielt. Bei der scharfen Beleuchtung und der absoluten
Dunkelheit des Hintergrundes hatte man vollkommen den Eindruck, als wenn auf
dem Brett tatsächlich nur der Oberkörper einer Dame befestigt sei, und dieser Ein¬
druck wurde dadurch erhöht, daß die das Wunder vorführende Dame mit einem
blanken Degen unter dem Brett herumfuchtelte. Das Geheimnis, oder wie der tech¬
nische Ausdruck lautet, die "Maloge" besteht darin, daß der Unterkörper der zur
Schau gestellten Dame mit schwarzen Sammethosen bekleidet ist und durch den
ebenfalls von der Decke herabhängenden schwarzen Strick in der Schwebe erhalten
wird. Früher machte diese Illusion auf das Publikum großen Eindruck, seit man


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

hatten wir nicht viel zu tun, sondern beschäftigten uns mit Reparaturen und der¬
gleichen und konnten über viel freie Zeit verfügen.

Bei dem Dampfkarussell waren außer dem alten Ehepaar Kitzmann der Kom¬
pagnon Mannsfeld und ein Geschäftsführer mit Namen Seehausen, der früher
Schauspieler gewesen war und aus seiner glänzenden Vergangenheit den Brauch
beibehalte» hatte, im Hotel zu logieren, während die übrigen mit den vier An¬
gestellten im Wohnwagen schliefen. Der Wohnwagen war sehr praktisch eingerichtet
und wurde durch eine Scheidewand in zwei Abteilungen geteilt, deren jede eine
besondre Tür hatte. Wir Angestellten bewohnten die Hintere Abteilung, wo wir
anfangs zu je zweien in einem Bett schliefen, während später an jeder Seite zwei
Betten übereinander angebracht wurden. Unter den beiden untern Betten waren
je zwei Kasten zur Aufnahme unsrer Habseligkeiten. Betrat man die andre Ab¬
teilung des Wagens, so gelangte man zuerst in die Küche, deren ganzes Mobiliar
aus einem kleinen Kochherd, einer Bank und einem Küchenschrank bestand, und kam
von hier aus in den Wohnraum, worin ein Tisch, ein paar Klappstühle, ein Kleider¬
schrank und eine Kommode standen, während die beiden Betten für gewöhnlich durch
einen Vorhang verhüllt wurden. In dem untern Bett schlief das Kitzmannsche Ehe¬
paar, in dem obern der Kompagnon.

An dem letzten Sonntage, den wir in Innsbruck zubrachten, heizte der Maschinist
um zwei Uhr Nachmittags den Kessel, wir nahmen die Umhangleinwcmd ab und
eröffneten um drei Uhr das Geschäft. Das Karussell wurde durch eine Zwillings¬
maschine von sechs Pferdekräften getrieben, die Orgel durch einen kleinen Motor
von einer halben Pferdekraft. Die sechs Schiffe des Karussells, die mit Masten und
Segeln dekoriert waren, schaukelten in ihrer Schmalachse; zu jedem Schiffe führte
«me besondre Treppe hinauf. Die beiden Prinzipale und der Geschäftsführer
kassierten an den einzelnen Schiffen, und Frau Kitzmann saß zum Wechseln an der
Kasse. Meine Obliegenheiten waren das Herbeischaffen von Wasser und Feuerungs¬
material sowie die Aufsicht an der Außenseite des Karussells. Die Beleuchtung bestand
aus vierundzwanzig Petroleumlaternen, von denen sechs auf Kandelabern angebracht
waren und mit kreisten, während die übrigen an der Dachkonstruktion hingen.

Am Abend um neun Uhr wurde mit dem Abbrechen begonnen. Am andern
Morgen verluden wir auf der Rampe des Bahnhofes und fuhren über Kufstein
ohne Unterbrechung bis Nürnberg, wo auf dem Plärrer die Messe abgehalten wurde.
Dort sah ich die Menagerie Christian Berg wieder, die sich inzwischen bedeutend
vergrößert hatte; außerdem waren an Sehenswürdigkeiten vorhanden: Philipp Ohrs
Museum, der Zirkus Lorenz Wulf, eine Bude mit Raritäten aus dem Münchner
Aquarium, die hauptsächlich aus ausgestopften Amphibien und Fischen usw. bestanden,
die kleine Menagerie Zscharrer und Sondermcmns Illusion „Die Dame ohne Unter¬
leib, genannt Tauina."

Diese Art der Illusion, die jetzt wohl allgemein von den Meßplätzen ver¬
schwunden ist, wurde in ziemlich einfacher Weise hergestellt. Die ganze Bude samt
dem Zuschauerraum war mit schwarzen Tüchern verhängt, sodaß kein Strahl des
Tageslichts hineindringen konnte. Die Bühne selbst war mit schwarzem Sammet
ausgeschlagen und wurde durch eine Lampe mit blankem Reflektor beleuchtet. Von
der Decke der Bühne hing an zwei Seilen nach Art eines Trapezes ein kleines
Brett, auf dem der Oberkörper einer Dame sichtbar wurde, die sich mit beiden
Händen an den Stricken festhielt. Bei der scharfen Beleuchtung und der absoluten
Dunkelheit des Hintergrundes hatte man vollkommen den Eindruck, als wenn auf
dem Brett tatsächlich nur der Oberkörper einer Dame befestigt sei, und dieser Ein¬
druck wurde dadurch erhöht, daß die das Wunder vorführende Dame mit einem
blanken Degen unter dem Brett herumfuchtelte. Das Geheimnis, oder wie der tech¬
nische Ausdruck lautet, die „Maloge" besteht darin, daß der Unterkörper der zur
Schau gestellten Dame mit schwarzen Sammethosen bekleidet ist und durch den
ebenfalls von der Decke herabhängenden schwarzen Strick in der Schwebe erhalten
wird. Früher machte diese Illusion auf das Publikum großen Eindruck, seit man


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[0375] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren hatten wir nicht viel zu tun, sondern beschäftigten uns mit Reparaturen und der¬ gleichen und konnten über viel freie Zeit verfügen. Bei dem Dampfkarussell waren außer dem alten Ehepaar Kitzmann der Kom¬ pagnon Mannsfeld und ein Geschäftsführer mit Namen Seehausen, der früher Schauspieler gewesen war und aus seiner glänzenden Vergangenheit den Brauch beibehalte» hatte, im Hotel zu logieren, während die übrigen mit den vier An¬ gestellten im Wohnwagen schliefen. Der Wohnwagen war sehr praktisch eingerichtet und wurde durch eine Scheidewand in zwei Abteilungen geteilt, deren jede eine besondre Tür hatte. Wir Angestellten bewohnten die Hintere Abteilung, wo wir anfangs zu je zweien in einem Bett schliefen, während später an jeder Seite zwei Betten übereinander angebracht wurden. Unter den beiden untern Betten waren je zwei Kasten zur Aufnahme unsrer Habseligkeiten. Betrat man die andre Ab¬ teilung des Wagens, so gelangte man zuerst in die Küche, deren ganzes Mobiliar aus einem kleinen Kochherd, einer Bank und einem Küchenschrank bestand, und kam von hier aus in den Wohnraum, worin ein Tisch, ein paar Klappstühle, ein Kleider¬ schrank und eine Kommode standen, während die beiden Betten für gewöhnlich durch einen Vorhang verhüllt wurden. In dem untern Bett schlief das Kitzmannsche Ehe¬ paar, in dem obern der Kompagnon. An dem letzten Sonntage, den wir in Innsbruck zubrachten, heizte der Maschinist um zwei Uhr Nachmittags den Kessel, wir nahmen die Umhangleinwcmd ab und eröffneten um drei Uhr das Geschäft. Das Karussell wurde durch eine Zwillings¬ maschine von sechs Pferdekräften getrieben, die Orgel durch einen kleinen Motor von einer halben Pferdekraft. Die sechs Schiffe des Karussells, die mit Masten und Segeln dekoriert waren, schaukelten in ihrer Schmalachse; zu jedem Schiffe führte «me besondre Treppe hinauf. Die beiden Prinzipale und der Geschäftsführer kassierten an den einzelnen Schiffen, und Frau Kitzmann saß zum Wechseln an der Kasse. Meine Obliegenheiten waren das Herbeischaffen von Wasser und Feuerungs¬ material sowie die Aufsicht an der Außenseite des Karussells. Die Beleuchtung bestand aus vierundzwanzig Petroleumlaternen, von denen sechs auf Kandelabern angebracht waren und mit kreisten, während die übrigen an der Dachkonstruktion hingen. Am Abend um neun Uhr wurde mit dem Abbrechen begonnen. Am andern Morgen verluden wir auf der Rampe des Bahnhofes und fuhren über Kufstein ohne Unterbrechung bis Nürnberg, wo auf dem Plärrer die Messe abgehalten wurde. Dort sah ich die Menagerie Christian Berg wieder, die sich inzwischen bedeutend vergrößert hatte; außerdem waren an Sehenswürdigkeiten vorhanden: Philipp Ohrs Museum, der Zirkus Lorenz Wulf, eine Bude mit Raritäten aus dem Münchner Aquarium, die hauptsächlich aus ausgestopften Amphibien und Fischen usw. bestanden, die kleine Menagerie Zscharrer und Sondermcmns Illusion „Die Dame ohne Unter¬ leib, genannt Tauina." Diese Art der Illusion, die jetzt wohl allgemein von den Meßplätzen ver¬ schwunden ist, wurde in ziemlich einfacher Weise hergestellt. Die ganze Bude samt dem Zuschauerraum war mit schwarzen Tüchern verhängt, sodaß kein Strahl des Tageslichts hineindringen konnte. Die Bühne selbst war mit schwarzem Sammet ausgeschlagen und wurde durch eine Lampe mit blankem Reflektor beleuchtet. Von der Decke der Bühne hing an zwei Seilen nach Art eines Trapezes ein kleines Brett, auf dem der Oberkörper einer Dame sichtbar wurde, die sich mit beiden Händen an den Stricken festhielt. Bei der scharfen Beleuchtung und der absoluten Dunkelheit des Hintergrundes hatte man vollkommen den Eindruck, als wenn auf dem Brett tatsächlich nur der Oberkörper einer Dame befestigt sei, und dieser Ein¬ druck wurde dadurch erhöht, daß die das Wunder vorführende Dame mit einem blanken Degen unter dem Brett herumfuchtelte. Das Geheimnis, oder wie der tech¬ nische Ausdruck lautet, die „Maloge" besteht darin, daß der Unterkörper der zur Schau gestellten Dame mit schwarzen Sammethosen bekleidet ist und durch den ebenfalls von der Decke herabhängenden schwarzen Strick in der Schwebe erhalten wird. Früher machte diese Illusion auf das Publikum großen Eindruck, seit man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/375>, abgerufen am 20.10.2024.