Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.Unter Kunde", Komödianten und wilden Tieren und hatte dann die Schießstände gerade vor sich, während rechts die Festhalle und Außerhalb des Festplatzes stand noch eine Reihe andrer Geschäfte, darunter Eines Morgens besuchte ich mit meinem Freunde Anton Brunner die Bachsche Inzwischen hatte ich bei der Bachschen Menagerie Anstellung gefunden, und Bei Kitzmann und Mannsfeld wurde ich sehr freundlich aufgenommen und Unter Kunde», Komödianten und wilden Tieren und hatte dann die Schießstände gerade vor sich, während rechts die Festhalle und Außerhalb des Festplatzes stand noch eine Reihe andrer Geschäfte, darunter Eines Morgens besuchte ich mit meinem Freunde Anton Brunner die Bachsche Inzwischen hatte ich bei der Bachschen Menagerie Anstellung gefunden, und Bei Kitzmann und Mannsfeld wurde ich sehr freundlich aufgenommen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297893"/> <fw type="header" place="top"> Unter Kunde», Komödianten und wilden Tieren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1703" prev="#ID_1702"> und hatte dann die Schießstände gerade vor sich, während rechts die Festhalle und<lb/> eine Anzahl Schaubuden, links die übrigen Schaubuden stauben. In der Mitte<lb/> des Platzes waren zwei Musikpavillons sowie der Gabentempel errichtet. Von<lb/> Sehenswürdigkeiten und Vergnügungsetablissements waren außer uns und der<lb/> Bachschen Menagerie das Theater Weissenbach, der Kühnertsche Piktus, das Dampf¬<lb/> karussell von Kitzmann und Mannsfeld aus Harburg, Henschel aus Dresden mit<lb/> einer Athletendame, die seine Frau war, und endlich ein sogenannter „Stabuf" vor¬<lb/> handen, worin eine kleine Menagerie, die hauptsächlich Seehunde, Schlangen und<lb/> Krokodile enthielt, gezeigt wurde. Ein „Stabuf" ist eine Schaubude, bei der die<lb/> Bühne in der Mitte, und zwar vertieft, angebracht ist, während das Publikum auf<lb/> einem Podium ringsherum steht. Eine solche Bude ist gewöhnlich mit Zumache¬<lb/> tüchern versehen, die nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden. Merkt der Be¬<lb/> sitzer der Bude, daß das hereinströmende Publikum das vor der Bude stehende<lb/> ebenfalls zum Besuch anlockt, so läßt er die Zumachetücher auf, wo aber das umgekehrte<lb/> der Fall ist, oder wo die Bude schlecht besucht wird, schließt er sie, um die Draußen-<lb/> stehenden über die Anziehungskraft seiner Schaustellung im unklaren zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1704"> Außerhalb des Festplatzes stand noch eine Reihe andrer Geschäfte, darunter<lb/> die Sountagsche Menagerie, ein Zirkus, ein Hippodrom, eine Bude mit Zwergen<lb/> und mehrere Karussells. Am ersten Sonntag früh neun Uhr setzte sich in der Stadt<lb/> der Festzug in Bewegung, an dem viel hundert Schützen aus aller Herren Ländern<lb/> in ihren kleidsamen Trachten und Uniformen sowie eine Anzahl prächtig dekorierter<lb/> Prunkwagen teilnahmen. Wir benutzten jeden freien Augenblick, die Festhalle zu be¬<lb/> suchen, das heitere Treiben zu beobachten und uns mit dem vorzüglichen Bier und<lb/> dem ebenso vortrefflichen Gulasch, der dort verabreicht wurde, zu stärke». Auch<lb/> meine Prinzipalin saß nach Schluß des Geschäfts regelmäßig in der Halle, und ihr<lb/> schiefsitzender Hut bewies, daß sie ebenfalls in die richtige Stimmung gekommen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1705"> Eines Morgens besuchte ich mit meinem Freunde Anton Brunner die Bachsche<lb/> Menagerie und bemerkte von dort aus, daß an unserm Panorama einer der Vor¬<lb/> hänge schon geöffnet war. Wir eilten hin und bekamen Vorwürfe darüber, daß<lb/> wir nicht rechtzeitig auf unserm Posten gewesen wären. Da wir mit Gustav Lindig<lb/> in der letzten Zeit schon häufig in Meinungsverschiedenheiten geraten waren, be¬<lb/> nutzten wir die Gelegenheit, zu kündigen, halfen aber nach Ablauf der vierzehn¬<lb/> tägiger Frist noch bei dem Abbrechen und dem Verladen und suchten uns andre<lb/> Stellen. An eineni der letzten Tage besuchte ich in Gesellschaft der Frau Böhme<lb/> die Stadt, und wir sahen vor dem Portal der Hofburg einige Hofequipageu vor¬<lb/> fahren. Wir stellten uns zu dem schaulustigen Publikum und warteten, bis der<lb/> Kaiser in seiner weißen Uniform herauskam und einen der Wagen bestieg. Der<lb/> Jubel, mit dem er begrüßt wurde, bewies, welcher Beliebtheit sich der alte Herr<lb/> bei seinen Tirolern erfreute.</p><lb/> <p xml:id="ID_1706"> Inzwischen hatte ich bei der Bachschen Menagerie Anstellung gefunden, und<lb/> mein Koffer war schon im Nilpferdwagen untergebracht, als ich von meinem Freunde<lb/> Brunner erfuhr, daß er bei dem Dampfkarussell von Kitzmann und Mannsfeld<lb/> untergekommen sei. Er überredete mich, die Stelle bei der Bachschen Menagerie<lb/> fahren zu lassen und lieber mit dem Dampfkarussell zu gehn, wo man noch einen<lb/> weitern Angestellten suchte. Ich war mit diesem Vorschlag einverstanden, händigte<lb/> Brunner, da ich zum Glück meine Papiere noch nicht abgegeben hatte, meinen Koffer<lb/> ein, den er schleunigst wegtrug, und machte mich selbst aus dem Staube.</p><lb/> <p xml:id="ID_1707" next="#ID_1708"> Bei Kitzmann und Mannsfeld wurde ich sehr freundlich aufgenommen und<lb/> nahm um sieben Uhr am Abendessen teil, das aus Bratkartoffeln, belegten Butter¬<lb/> broten und Tee bestand. Überhaupt war die Kost vorzüglich, als Lohn erhielt ich<lb/> vierundzwauzig Mark im Monat und außerdem einen Anteil am Trinkgeld. Die<lb/> Besitzer waren ältere Leute, und die Frau besorgte mir auch die Wäsche, was bei<lb/> reisenden Leuten etwas ganz Ungewöhnliches ist. Das Dampfkarussell blieb nach<lb/> Schluß des Bundesschießens noch einige Tage in Innsbruck, weil an dem darauf<lb/> folgenden Sonntage noch ein Geschäft gemacht werden sollte. In der Zwischenzeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
Unter Kunde», Komödianten und wilden Tieren
und hatte dann die Schießstände gerade vor sich, während rechts die Festhalle und
eine Anzahl Schaubuden, links die übrigen Schaubuden stauben. In der Mitte
des Platzes waren zwei Musikpavillons sowie der Gabentempel errichtet. Von
Sehenswürdigkeiten und Vergnügungsetablissements waren außer uns und der
Bachschen Menagerie das Theater Weissenbach, der Kühnertsche Piktus, das Dampf¬
karussell von Kitzmann und Mannsfeld aus Harburg, Henschel aus Dresden mit
einer Athletendame, die seine Frau war, und endlich ein sogenannter „Stabuf" vor¬
handen, worin eine kleine Menagerie, die hauptsächlich Seehunde, Schlangen und
Krokodile enthielt, gezeigt wurde. Ein „Stabuf" ist eine Schaubude, bei der die
Bühne in der Mitte, und zwar vertieft, angebracht ist, während das Publikum auf
einem Podium ringsherum steht. Eine solche Bude ist gewöhnlich mit Zumache¬
tüchern versehen, die nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden. Merkt der Be¬
sitzer der Bude, daß das hereinströmende Publikum das vor der Bude stehende
ebenfalls zum Besuch anlockt, so läßt er die Zumachetücher auf, wo aber das umgekehrte
der Fall ist, oder wo die Bude schlecht besucht wird, schließt er sie, um die Draußen-
stehenden über die Anziehungskraft seiner Schaustellung im unklaren zu lassen.
Außerhalb des Festplatzes stand noch eine Reihe andrer Geschäfte, darunter
die Sountagsche Menagerie, ein Zirkus, ein Hippodrom, eine Bude mit Zwergen
und mehrere Karussells. Am ersten Sonntag früh neun Uhr setzte sich in der Stadt
der Festzug in Bewegung, an dem viel hundert Schützen aus aller Herren Ländern
in ihren kleidsamen Trachten und Uniformen sowie eine Anzahl prächtig dekorierter
Prunkwagen teilnahmen. Wir benutzten jeden freien Augenblick, die Festhalle zu be¬
suchen, das heitere Treiben zu beobachten und uns mit dem vorzüglichen Bier und
dem ebenso vortrefflichen Gulasch, der dort verabreicht wurde, zu stärke». Auch
meine Prinzipalin saß nach Schluß des Geschäfts regelmäßig in der Halle, und ihr
schiefsitzender Hut bewies, daß sie ebenfalls in die richtige Stimmung gekommen war.
Eines Morgens besuchte ich mit meinem Freunde Anton Brunner die Bachsche
Menagerie und bemerkte von dort aus, daß an unserm Panorama einer der Vor¬
hänge schon geöffnet war. Wir eilten hin und bekamen Vorwürfe darüber, daß
wir nicht rechtzeitig auf unserm Posten gewesen wären. Da wir mit Gustav Lindig
in der letzten Zeit schon häufig in Meinungsverschiedenheiten geraten waren, be¬
nutzten wir die Gelegenheit, zu kündigen, halfen aber nach Ablauf der vierzehn¬
tägiger Frist noch bei dem Abbrechen und dem Verladen und suchten uns andre
Stellen. An eineni der letzten Tage besuchte ich in Gesellschaft der Frau Böhme
die Stadt, und wir sahen vor dem Portal der Hofburg einige Hofequipageu vor¬
fahren. Wir stellten uns zu dem schaulustigen Publikum und warteten, bis der
Kaiser in seiner weißen Uniform herauskam und einen der Wagen bestieg. Der
Jubel, mit dem er begrüßt wurde, bewies, welcher Beliebtheit sich der alte Herr
bei seinen Tirolern erfreute.
Inzwischen hatte ich bei der Bachschen Menagerie Anstellung gefunden, und
mein Koffer war schon im Nilpferdwagen untergebracht, als ich von meinem Freunde
Brunner erfuhr, daß er bei dem Dampfkarussell von Kitzmann und Mannsfeld
untergekommen sei. Er überredete mich, die Stelle bei der Bachschen Menagerie
fahren zu lassen und lieber mit dem Dampfkarussell zu gehn, wo man noch einen
weitern Angestellten suchte. Ich war mit diesem Vorschlag einverstanden, händigte
Brunner, da ich zum Glück meine Papiere noch nicht abgegeben hatte, meinen Koffer
ein, den er schleunigst wegtrug, und machte mich selbst aus dem Staube.
Bei Kitzmann und Mannsfeld wurde ich sehr freundlich aufgenommen und
nahm um sieben Uhr am Abendessen teil, das aus Bratkartoffeln, belegten Butter¬
broten und Tee bestand. Überhaupt war die Kost vorzüglich, als Lohn erhielt ich
vierundzwauzig Mark im Monat und außerdem einen Anteil am Trinkgeld. Die
Besitzer waren ältere Leute, und die Frau besorgte mir auch die Wäsche, was bei
reisenden Leuten etwas ganz Ungewöhnliches ist. Das Dampfkarussell blieb nach
Schluß des Bundesschießens noch einige Tage in Innsbruck, weil an dem darauf
folgenden Sonntage noch ein Geschäft gemacht werden sollte. In der Zwischenzeit
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