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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sogenannten Kubbestol. Es ist ein massiver Lehnstuhl, der aus einem einzigen
Eichen- oder Rotbuchenstock besteht. Er hat keine Beine, weil der mächtige Stumpf
bis auf den Boden reicht; auch die Rückenlehne ist gleich den beiden Arnim ge¬
wachsenes Holz, der Sitz aus dem Ganzen herausgeschnitten, sodaß man sich gleich¬
sam in den Klotz hineinsetzt. Es ist noch ganz und gar der Baumstumpf, der
draußen im Walde steht, und der gewissermaßen schon den Ansatz zu einem Stuhle
zeigt, weil der Baum von zwei Seiten angehauen zu werden Pflegt; er ist der
Übergang zu unserm Bauernsessel, der herauskommt, sobald man ein Brett absagt
und auf vier Beine stellt. Wenn dann im Laufe der Zeit noch Kissen aufgelegt
und die Felle und die Decken, die bisher als Teppich auf dem Boden lagen,
darüber gebreitet werden, eine Sitte, die nachgerade zur Polsterung und zum Leder¬
überzuge führt: so entsteht allmählich das, was die Griechen als Thron bezeichnen,
und was wir, des Gestells wegen, das die Sitzplatte trägt, als Stuhl ansprechen.

Niemand ahnt Wohl, daß dieses alte deutsche Wort, das in den slawischen
Sprachen die Bedeutung eines Tisches und sogar die des Altars angenommen hat,
auch in dem französischen Fauteuil enthalten und in dieser Verkleidung nach
Deutschland zurückgekehrt ist. Die Soldaten führen jetzt Faltbote; noch älter sind
die Faltstühle, die wir mißbräuchlich Feldstühle benennen. Schon der kurulische Stuhl
der alten Römer war ein Faltstuhl, weil er zusammengelegt werden konnte; im
Mittelalter saß der Bischof nach seiner Inthronisation und bei allen Pontifikalieu
auf einem Faltstuhl, der keine Lehne hatte. Nun das althochdeutsche Valtestuol
wurde im mittelalterlichen Latein zu Faldistolium, und dieses lebt im italienischen
Faldistoro und eben in Fauteuil fort. Es ist der Sache nach dasselbe, was
die Franzosen jetzt ni> sißxo xliant nennen.

In den meisten Sprachen heißt der Stuhl einfach der Sitz, weil man nach
unsern Begriffen erst auf einem Stuhl ordentlich sitzt. Das bedeutet das griechische
Cathedra, das im englischen Chair, im französischen Chaise und in unserm
Katheder fortlebt; das bedeutet das Wort Thron selbst, das lateinische Solium
und das italienische Sedia. In England und Frankreich sagt man einfach: Bitte,
nehmen Sie einen Sitz (?ra?, kath a shal; ?rouW un sioAs, s'it vous M!t,)I>
Ursprünglich hat es in jeder Familie nur einen einzigen Sitz gegeben, der dem
Familienhaupte, dem Vorsitzenden zukam. Der Vorsitzende war der Chairman,
wie man in England sagt. Die übrigen Hausgenossen, die Knechte und die Mägde,
saßen auf Bänken, wie die Schüler auf den Subsellien, auf den die Wände ent¬
lang laufenden hölzernen Bänken, die die erste Sitzgelegenheit für die Familie
waren, und aus denen nachgerade der Diwan und das Sofa entstanden ist. Die
Bank ist, nach dem Orient zu urteilen, älter als der Stuhl, ein solcher wurde erst
nachmals abgesondert und für den Herrn als Ehrensitz hingestellt, während die
Knechte und die Mägde wie die Schüler auf der Bank verblieben.

Genau dieselbe Entwicklung, wie der Stuhl, hat auch das Bett gehabt; auch
dieses ist vom Erdboden aufgestiegen. Zunächst schlafen die Menschen wie die Land¬
streicher bei Mutter Grün; allmählich legen sie sich eine Decke oder eine Matratze
unter, liegen aber noch immer auf der Erde. Hierauf folgt der Diwan, der bei
Nacht die Stelle des Bettes vertreten muß und zum Schlafsofa wird: auf den
Polstern, auf denen er am Tage gesessen, lagert sich der Türke auch des Abends,
um zu schlafen; er behält sogar die nämlichen Kleider an. Zu einer Bettstelle hat
er sich noch nicht aufgeschwungen. Die Einzelbettstelle sondert sich erst vom Diwan
ab, wie der Stuhl von der Bank. Auch davon finden sich noch Spuren in Griechen¬
land: auch in wohlhabenden Häusern bekommt man hier das Bett auf dem Fu߬
boden gemacht, während schon die alten Griechen eigne hölzerne und bronzene Bett¬
stellen hatten. Ist denn kein Bett da? fragt der Ankömmling verwundert. So
Rudolf Rleinxaul wenig Wie ein Stuhl.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

sogenannten Kubbestol. Es ist ein massiver Lehnstuhl, der aus einem einzigen
Eichen- oder Rotbuchenstock besteht. Er hat keine Beine, weil der mächtige Stumpf
bis auf den Boden reicht; auch die Rückenlehne ist gleich den beiden Arnim ge¬
wachsenes Holz, der Sitz aus dem Ganzen herausgeschnitten, sodaß man sich gleich¬
sam in den Klotz hineinsetzt. Es ist noch ganz und gar der Baumstumpf, der
draußen im Walde steht, und der gewissermaßen schon den Ansatz zu einem Stuhle
zeigt, weil der Baum von zwei Seiten angehauen zu werden Pflegt; er ist der
Übergang zu unserm Bauernsessel, der herauskommt, sobald man ein Brett absagt
und auf vier Beine stellt. Wenn dann im Laufe der Zeit noch Kissen aufgelegt
und die Felle und die Decken, die bisher als Teppich auf dem Boden lagen,
darüber gebreitet werden, eine Sitte, die nachgerade zur Polsterung und zum Leder¬
überzuge führt: so entsteht allmählich das, was die Griechen als Thron bezeichnen,
und was wir, des Gestells wegen, das die Sitzplatte trägt, als Stuhl ansprechen.

Niemand ahnt Wohl, daß dieses alte deutsche Wort, das in den slawischen
Sprachen die Bedeutung eines Tisches und sogar die des Altars angenommen hat,
auch in dem französischen Fauteuil enthalten und in dieser Verkleidung nach
Deutschland zurückgekehrt ist. Die Soldaten führen jetzt Faltbote; noch älter sind
die Faltstühle, die wir mißbräuchlich Feldstühle benennen. Schon der kurulische Stuhl
der alten Römer war ein Faltstuhl, weil er zusammengelegt werden konnte; im
Mittelalter saß der Bischof nach seiner Inthronisation und bei allen Pontifikalieu
auf einem Faltstuhl, der keine Lehne hatte. Nun das althochdeutsche Valtestuol
wurde im mittelalterlichen Latein zu Faldistolium, und dieses lebt im italienischen
Faldistoro und eben in Fauteuil fort. Es ist der Sache nach dasselbe, was
die Franzosen jetzt ni> sißxo xliant nennen.

In den meisten Sprachen heißt der Stuhl einfach der Sitz, weil man nach
unsern Begriffen erst auf einem Stuhl ordentlich sitzt. Das bedeutet das griechische
Cathedra, das im englischen Chair, im französischen Chaise und in unserm
Katheder fortlebt; das bedeutet das Wort Thron selbst, das lateinische Solium
und das italienische Sedia. In England und Frankreich sagt man einfach: Bitte,
nehmen Sie einen Sitz (?ra?, kath a shal; ?rouW un sioAs, s'it vous M!t,)I>
Ursprünglich hat es in jeder Familie nur einen einzigen Sitz gegeben, der dem
Familienhaupte, dem Vorsitzenden zukam. Der Vorsitzende war der Chairman,
wie man in England sagt. Die übrigen Hausgenossen, die Knechte und die Mägde,
saßen auf Bänken, wie die Schüler auf den Subsellien, auf den die Wände ent¬
lang laufenden hölzernen Bänken, die die erste Sitzgelegenheit für die Familie
waren, und aus denen nachgerade der Diwan und das Sofa entstanden ist. Die
Bank ist, nach dem Orient zu urteilen, älter als der Stuhl, ein solcher wurde erst
nachmals abgesondert und für den Herrn als Ehrensitz hingestellt, während die
Knechte und die Mägde wie die Schüler auf der Bank verblieben.

Genau dieselbe Entwicklung, wie der Stuhl, hat auch das Bett gehabt; auch
dieses ist vom Erdboden aufgestiegen. Zunächst schlafen die Menschen wie die Land¬
streicher bei Mutter Grün; allmählich legen sie sich eine Decke oder eine Matratze
unter, liegen aber noch immer auf der Erde. Hierauf folgt der Diwan, der bei
Nacht die Stelle des Bettes vertreten muß und zum Schlafsofa wird: auf den
Polstern, auf denen er am Tage gesessen, lagert sich der Türke auch des Abends,
um zu schlafen; er behält sogar die nämlichen Kleider an. Zu einer Bettstelle hat
er sich noch nicht aufgeschwungen. Die Einzelbettstelle sondert sich erst vom Diwan
ab, wie der Stuhl von der Bank. Auch davon finden sich noch Spuren in Griechen¬
land: auch in wohlhabenden Häusern bekommt man hier das Bett auf dem Fu߬
boden gemacht, während schon die alten Griechen eigne hölzerne und bronzene Bett¬
stellen hatten. Ist denn kein Bett da? fragt der Ankömmling verwundert. So
Rudolf Rleinxaul wenig Wie ein Stuhl.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
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[0344] Maßgebliches und Unmaßgebliches sogenannten Kubbestol. Es ist ein massiver Lehnstuhl, der aus einem einzigen Eichen- oder Rotbuchenstock besteht. Er hat keine Beine, weil der mächtige Stumpf bis auf den Boden reicht; auch die Rückenlehne ist gleich den beiden Arnim ge¬ wachsenes Holz, der Sitz aus dem Ganzen herausgeschnitten, sodaß man sich gleich¬ sam in den Klotz hineinsetzt. Es ist noch ganz und gar der Baumstumpf, der draußen im Walde steht, und der gewissermaßen schon den Ansatz zu einem Stuhle zeigt, weil der Baum von zwei Seiten angehauen zu werden Pflegt; er ist der Übergang zu unserm Bauernsessel, der herauskommt, sobald man ein Brett absagt und auf vier Beine stellt. Wenn dann im Laufe der Zeit noch Kissen aufgelegt und die Felle und die Decken, die bisher als Teppich auf dem Boden lagen, darüber gebreitet werden, eine Sitte, die nachgerade zur Polsterung und zum Leder¬ überzuge führt: so entsteht allmählich das, was die Griechen als Thron bezeichnen, und was wir, des Gestells wegen, das die Sitzplatte trägt, als Stuhl ansprechen. Niemand ahnt Wohl, daß dieses alte deutsche Wort, das in den slawischen Sprachen die Bedeutung eines Tisches und sogar die des Altars angenommen hat, auch in dem französischen Fauteuil enthalten und in dieser Verkleidung nach Deutschland zurückgekehrt ist. Die Soldaten führen jetzt Faltbote; noch älter sind die Faltstühle, die wir mißbräuchlich Feldstühle benennen. Schon der kurulische Stuhl der alten Römer war ein Faltstuhl, weil er zusammengelegt werden konnte; im Mittelalter saß der Bischof nach seiner Inthronisation und bei allen Pontifikalieu auf einem Faltstuhl, der keine Lehne hatte. Nun das althochdeutsche Valtestuol wurde im mittelalterlichen Latein zu Faldistolium, und dieses lebt im italienischen Faldistoro und eben in Fauteuil fort. Es ist der Sache nach dasselbe, was die Franzosen jetzt ni> sißxo xliant nennen. In den meisten Sprachen heißt der Stuhl einfach der Sitz, weil man nach unsern Begriffen erst auf einem Stuhl ordentlich sitzt. Das bedeutet das griechische Cathedra, das im englischen Chair, im französischen Chaise und in unserm Katheder fortlebt; das bedeutet das Wort Thron selbst, das lateinische Solium und das italienische Sedia. In England und Frankreich sagt man einfach: Bitte, nehmen Sie einen Sitz (?ra?, kath a shal; ?rouW un sioAs, s'it vous M!t,)I> Ursprünglich hat es in jeder Familie nur einen einzigen Sitz gegeben, der dem Familienhaupte, dem Vorsitzenden zukam. Der Vorsitzende war der Chairman, wie man in England sagt. Die übrigen Hausgenossen, die Knechte und die Mägde, saßen auf Bänken, wie die Schüler auf den Subsellien, auf den die Wände ent¬ lang laufenden hölzernen Bänken, die die erste Sitzgelegenheit für die Familie waren, und aus denen nachgerade der Diwan und das Sofa entstanden ist. Die Bank ist, nach dem Orient zu urteilen, älter als der Stuhl, ein solcher wurde erst nachmals abgesondert und für den Herrn als Ehrensitz hingestellt, während die Knechte und die Mägde wie die Schüler auf der Bank verblieben. Genau dieselbe Entwicklung, wie der Stuhl, hat auch das Bett gehabt; auch dieses ist vom Erdboden aufgestiegen. Zunächst schlafen die Menschen wie die Land¬ streicher bei Mutter Grün; allmählich legen sie sich eine Decke oder eine Matratze unter, liegen aber noch immer auf der Erde. Hierauf folgt der Diwan, der bei Nacht die Stelle des Bettes vertreten muß und zum Schlafsofa wird: auf den Polstern, auf denen er am Tage gesessen, lagert sich der Türke auch des Abends, um zu schlafen; er behält sogar die nämlichen Kleider an. Zu einer Bettstelle hat er sich noch nicht aufgeschwungen. Die Einzelbettstelle sondert sich erst vom Diwan ab, wie der Stuhl von der Bank. Auch davon finden sich noch Spuren in Griechen¬ land: auch in wohlhabenden Häusern bekommt man hier das Bett auf dem Fu߬ boden gemacht, während schon die alten Griechen eigne hölzerne und bronzene Bett¬ stellen hatten. Ist denn kein Bett da? fragt der Ankömmling verwundert. So Rudolf Rleinxaul wenig Wie ein Stuhl. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/344>, abgerufen am 20.10.2024.