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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

mark auch noch eine Nordseeküste, die wie die deutsche dann von dem "Ostsee-
Vierbund" mit verteidigt werden müßte. Kurzum -- die Frage aufwerfen heißt
sie verneinen. Augenblicklich handelt es sich für die englische Regierung weit mehr
um ein Wahlmanöver als um ein Flottenmanöver in der Ostsee. Es ist das ein
tÄrs xr-ma, ein "Wirtschaften auf Prestige," vor dem Bismarck das Deutsche
Reich einst ernstlich gewarnt hat. Wir können dem Kabinett Balfour keinen größern
Gefallen tuu, als uns ärgern und ihm damit zu einem Wahlerfolg verhelfen.
Auch in der Politik wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Gewiß gibt es
auch recht viele Engländer, denen diese Fahrt des Kanalgeschwaders recht überflüssig
erscheint. Solche Stimmen werden schon laut werden, aber es würde ihnen von
deutscher Seite erschwert, wollten wir jetzt unnötig Unfreundlichkeit gegen England
zeigen. Im Gegenteil! Während die Engländer vor Swinemünde und Neufahr¬
wasser liegen werden, sollten wir mit unsrer Heimatflutte Besuche an der
englischen Küste abstatten, zum Zeichen, daß wir durchaus nichts übel nehmen.

Ein Londoner Sensationsblatt hat nun herausgefunden, daß Deutschland auf
der Suche nach Königskronen für die Söhne des Kaisers, insbesondre den Prinzen
Eitel Fritz sei. Wir können unsre preußischen Prinzen hier zu Hause besser ge¬
brauchen, insbesondre den Prinzen Eitel Fritz, dem sein Vater die Aufgabe "eines
ernsten, dem Leben zugewandten preußischen Offiziers" zugewiesen hat, und der
vielleicht einmal seinem Bruder sein wird, was einst der Prinz von Preußen
dem König Friedrich Wilhelm dem Vierten gewesen ist, das feste Band zwischen
dem Heere und dem Königshause. Eine neue Auflage solcher Gerüchte wird sich
ohne Zweifel an den Besuch Kaiser Wilhelms in Kopenhagen knüpfen. Nachdem
der Kaiser auf seiner Ostseefahrt den König von Schweden und den Kaiser von
Rußland gesehen hat, ist es eine einfache Höflichkeitspflicht, wenn er nun auch bei
dem Nestor der europäischen Souveräne vorspricht, zu dem er in vortrefflichen per¬
sönlichen Beziehungen steht. Es wäre im Gegenteil auffällig, wenn der Besuch in
Kopenhagen unterbliebe, wo eben erst die deutsche Flotte mit so vieler Auszeichnung
und Sympathie aufgenommen worden ist; sie wird ja auch ihren neuen Gro߬
admiral, König Oskar von Schweden, in seiner Hauptstadt begrüßen.

Von der Flotte zur Landarmee. In einem Dresdner Blatt ist kürzlich herz¬
bewegende Klage angestimmt worden Wer "die Nervosität in der Armee."
Daß diese Nervosität leider vorhanden ist, hat niemand nnumwundner zugegeben
als in seiner offnen, verbindlichen Weise der Kriegsminister. Man könnte sagen:
im heutigen Zeitalter des Telephons, des Automobils usw. ist alle Welt nervöser,
weshalb soll es die Armee nicht sein? Aber auch über die Ursachen dieser Ner¬
vosität in der Armee hat sich der Kriegsminister ausgesprochen, und er hat sie,
wenn auch nicht allein, so doch zum größten Teil in den sehr hohen Anforderungen
gefunden, die die zweijährige Dienstzeit an die Offiziere und die Unteroffiziere stellt.

Es ergibt sich das schon aus der Tntsache, daß bei der Kavallerie und der
reitenden Artillerie mit ihrer dreijährigen Dienstzeit die Nervosität viel geringer
ist. Wenn nun Klage geführt wird über die angeblich unaufhörlichen neuen Regle¬
ments, die zahllosen Deckblätter zu bestehenden Vorschriften, wenn ferner als
angebliche Tatsache behauptet wird, daß Offiziere und Unteroffiziere die Dienst¬
vorschriften in der Rocktasche bei sich führen und sie in oder vor der Front nach¬
schlagen, weil niemand mehr wisse, was eigentlich giltige Vorschrift sei (!), so find das
maßlose Übertreibungen, die allenfalls in einem Roman von Bilse am Platze wären,
nicht aber in einer ernsthaften Zeitung. Solche Vorgesetzte würden doch so schnell
wie möglich beseitigt. Sodann aber darf folgendes nicht übersehen werden: gerade
von liberalisierender und reformerischer Seite ist unter den Eindrücken des Buren¬
kriegs viel vou einer "Burentaktik" gefabelt worden, die in Südafrika unter den
dortigen Entfernungs-, Verpflegungs- und Terrainverhältnissen, wo meist berittne
Infanterie gegeneinander zum Gefecht kam, ganz am Platze sein mag, die aber auf
europäische Entscheidungen, bei denen Riesenheere aufeinander stoßen, um womöglich
in einer Schlacht eine grundlegende Wendung des Krieges zu erzwingen, gar


Maßgebliches und Unmaßgebliches

mark auch noch eine Nordseeküste, die wie die deutsche dann von dem „Ostsee-
Vierbund" mit verteidigt werden müßte. Kurzum — die Frage aufwerfen heißt
sie verneinen. Augenblicklich handelt es sich für die englische Regierung weit mehr
um ein Wahlmanöver als um ein Flottenmanöver in der Ostsee. Es ist das ein
tÄrs xr-ma, ein „Wirtschaften auf Prestige," vor dem Bismarck das Deutsche
Reich einst ernstlich gewarnt hat. Wir können dem Kabinett Balfour keinen größern
Gefallen tuu, als uns ärgern und ihm damit zu einem Wahlerfolg verhelfen.
Auch in der Politik wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Gewiß gibt es
auch recht viele Engländer, denen diese Fahrt des Kanalgeschwaders recht überflüssig
erscheint. Solche Stimmen werden schon laut werden, aber es würde ihnen von
deutscher Seite erschwert, wollten wir jetzt unnötig Unfreundlichkeit gegen England
zeigen. Im Gegenteil! Während die Engländer vor Swinemünde und Neufahr¬
wasser liegen werden, sollten wir mit unsrer Heimatflutte Besuche an der
englischen Küste abstatten, zum Zeichen, daß wir durchaus nichts übel nehmen.

Ein Londoner Sensationsblatt hat nun herausgefunden, daß Deutschland auf
der Suche nach Königskronen für die Söhne des Kaisers, insbesondre den Prinzen
Eitel Fritz sei. Wir können unsre preußischen Prinzen hier zu Hause besser ge¬
brauchen, insbesondre den Prinzen Eitel Fritz, dem sein Vater die Aufgabe „eines
ernsten, dem Leben zugewandten preußischen Offiziers" zugewiesen hat, und der
vielleicht einmal seinem Bruder sein wird, was einst der Prinz von Preußen
dem König Friedrich Wilhelm dem Vierten gewesen ist, das feste Band zwischen
dem Heere und dem Königshause. Eine neue Auflage solcher Gerüchte wird sich
ohne Zweifel an den Besuch Kaiser Wilhelms in Kopenhagen knüpfen. Nachdem
der Kaiser auf seiner Ostseefahrt den König von Schweden und den Kaiser von
Rußland gesehen hat, ist es eine einfache Höflichkeitspflicht, wenn er nun auch bei
dem Nestor der europäischen Souveräne vorspricht, zu dem er in vortrefflichen per¬
sönlichen Beziehungen steht. Es wäre im Gegenteil auffällig, wenn der Besuch in
Kopenhagen unterbliebe, wo eben erst die deutsche Flotte mit so vieler Auszeichnung
und Sympathie aufgenommen worden ist; sie wird ja auch ihren neuen Gro߬
admiral, König Oskar von Schweden, in seiner Hauptstadt begrüßen.

Von der Flotte zur Landarmee. In einem Dresdner Blatt ist kürzlich herz¬
bewegende Klage angestimmt worden Wer „die Nervosität in der Armee."
Daß diese Nervosität leider vorhanden ist, hat niemand nnumwundner zugegeben
als in seiner offnen, verbindlichen Weise der Kriegsminister. Man könnte sagen:
im heutigen Zeitalter des Telephons, des Automobils usw. ist alle Welt nervöser,
weshalb soll es die Armee nicht sein? Aber auch über die Ursachen dieser Ner¬
vosität in der Armee hat sich der Kriegsminister ausgesprochen, und er hat sie,
wenn auch nicht allein, so doch zum größten Teil in den sehr hohen Anforderungen
gefunden, die die zweijährige Dienstzeit an die Offiziere und die Unteroffiziere stellt.

Es ergibt sich das schon aus der Tntsache, daß bei der Kavallerie und der
reitenden Artillerie mit ihrer dreijährigen Dienstzeit die Nervosität viel geringer
ist. Wenn nun Klage geführt wird über die angeblich unaufhörlichen neuen Regle¬
ments, die zahllosen Deckblätter zu bestehenden Vorschriften, wenn ferner als
angebliche Tatsache behauptet wird, daß Offiziere und Unteroffiziere die Dienst¬
vorschriften in der Rocktasche bei sich führen und sie in oder vor der Front nach¬
schlagen, weil niemand mehr wisse, was eigentlich giltige Vorschrift sei (!), so find das
maßlose Übertreibungen, die allenfalls in einem Roman von Bilse am Platze wären,
nicht aber in einer ernsthaften Zeitung. Solche Vorgesetzte würden doch so schnell
wie möglich beseitigt. Sodann aber darf folgendes nicht übersehen werden: gerade
von liberalisierender und reformerischer Seite ist unter den Eindrücken des Buren¬
kriegs viel vou einer „Burentaktik" gefabelt worden, die in Südafrika unter den
dortigen Entfernungs-, Verpflegungs- und Terrainverhältnissen, wo meist berittne
Infanterie gegeneinander zum Gefecht kam, ganz am Platze sein mag, die aber auf
europäische Entscheidungen, bei denen Riesenheere aufeinander stoßen, um womöglich
in einer Schlacht eine grundlegende Wendung des Krieges zu erzwingen, gar


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[0285] Maßgebliches und Unmaßgebliches mark auch noch eine Nordseeküste, die wie die deutsche dann von dem „Ostsee- Vierbund" mit verteidigt werden müßte. Kurzum — die Frage aufwerfen heißt sie verneinen. Augenblicklich handelt es sich für die englische Regierung weit mehr um ein Wahlmanöver als um ein Flottenmanöver in der Ostsee. Es ist das ein tÄrs xr-ma, ein „Wirtschaften auf Prestige," vor dem Bismarck das Deutsche Reich einst ernstlich gewarnt hat. Wir können dem Kabinett Balfour keinen größern Gefallen tuu, als uns ärgern und ihm damit zu einem Wahlerfolg verhelfen. Auch in der Politik wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Gewiß gibt es auch recht viele Engländer, denen diese Fahrt des Kanalgeschwaders recht überflüssig erscheint. Solche Stimmen werden schon laut werden, aber es würde ihnen von deutscher Seite erschwert, wollten wir jetzt unnötig Unfreundlichkeit gegen England zeigen. Im Gegenteil! Während die Engländer vor Swinemünde und Neufahr¬ wasser liegen werden, sollten wir mit unsrer Heimatflutte Besuche an der englischen Küste abstatten, zum Zeichen, daß wir durchaus nichts übel nehmen. Ein Londoner Sensationsblatt hat nun herausgefunden, daß Deutschland auf der Suche nach Königskronen für die Söhne des Kaisers, insbesondre den Prinzen Eitel Fritz sei. Wir können unsre preußischen Prinzen hier zu Hause besser ge¬ brauchen, insbesondre den Prinzen Eitel Fritz, dem sein Vater die Aufgabe „eines ernsten, dem Leben zugewandten preußischen Offiziers" zugewiesen hat, und der vielleicht einmal seinem Bruder sein wird, was einst der Prinz von Preußen dem König Friedrich Wilhelm dem Vierten gewesen ist, das feste Band zwischen dem Heere und dem Königshause. Eine neue Auflage solcher Gerüchte wird sich ohne Zweifel an den Besuch Kaiser Wilhelms in Kopenhagen knüpfen. Nachdem der Kaiser auf seiner Ostseefahrt den König von Schweden und den Kaiser von Rußland gesehen hat, ist es eine einfache Höflichkeitspflicht, wenn er nun auch bei dem Nestor der europäischen Souveräne vorspricht, zu dem er in vortrefflichen per¬ sönlichen Beziehungen steht. Es wäre im Gegenteil auffällig, wenn der Besuch in Kopenhagen unterbliebe, wo eben erst die deutsche Flotte mit so vieler Auszeichnung und Sympathie aufgenommen worden ist; sie wird ja auch ihren neuen Gro߬ admiral, König Oskar von Schweden, in seiner Hauptstadt begrüßen. Von der Flotte zur Landarmee. In einem Dresdner Blatt ist kürzlich herz¬ bewegende Klage angestimmt worden Wer „die Nervosität in der Armee." Daß diese Nervosität leider vorhanden ist, hat niemand nnumwundner zugegeben als in seiner offnen, verbindlichen Weise der Kriegsminister. Man könnte sagen: im heutigen Zeitalter des Telephons, des Automobils usw. ist alle Welt nervöser, weshalb soll es die Armee nicht sein? Aber auch über die Ursachen dieser Ner¬ vosität in der Armee hat sich der Kriegsminister ausgesprochen, und er hat sie, wenn auch nicht allein, so doch zum größten Teil in den sehr hohen Anforderungen gefunden, die die zweijährige Dienstzeit an die Offiziere und die Unteroffiziere stellt. Es ergibt sich das schon aus der Tntsache, daß bei der Kavallerie und der reitenden Artillerie mit ihrer dreijährigen Dienstzeit die Nervosität viel geringer ist. Wenn nun Klage geführt wird über die angeblich unaufhörlichen neuen Regle¬ ments, die zahllosen Deckblätter zu bestehenden Vorschriften, wenn ferner als angebliche Tatsache behauptet wird, daß Offiziere und Unteroffiziere die Dienst¬ vorschriften in der Rocktasche bei sich führen und sie in oder vor der Front nach¬ schlagen, weil niemand mehr wisse, was eigentlich giltige Vorschrift sei (!), so find das maßlose Übertreibungen, die allenfalls in einem Roman von Bilse am Platze wären, nicht aber in einer ernsthaften Zeitung. Solche Vorgesetzte würden doch so schnell wie möglich beseitigt. Sodann aber darf folgendes nicht übersehen werden: gerade von liberalisierender und reformerischer Seite ist unter den Eindrücken des Buren¬ kriegs viel vou einer „Burentaktik" gefabelt worden, die in Südafrika unter den dortigen Entfernungs-, Verpflegungs- und Terrainverhältnissen, wo meist berittne Infanterie gegeneinander zum Gefecht kam, ganz am Platze sein mag, die aber auf europäische Entscheidungen, bei denen Riesenheere aufeinander stoßen, um womöglich in einer Schlacht eine grundlegende Wendung des Krieges zu erzwingen, gar

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/285>, abgerufen am 19.10.2024.