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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

stellen und die an die französisch-englische "Flottensolidarität" hie und da geknüpften
Besorgnisse auch vor dem eignen Lande und der Wählerschaft abschwächen soll.

Für die deutsche Presse liegt aber wirklich nicht der geringste Anlaß vor, sich
darüber aufzuregen, wenn ein Teil der englischen Flotte, sogar das verstärkte Knnal-
geschwader, in der Ostsee manövriert. Hat nicht unsre Manöverflotte jahrein jahraus
in den englischen Gewässern, im Kanal, an den Küsten von Irland und Schott¬
land usw. geübt, ohne daß auch nur eine Stimme in England darüber laut geworden
wäre, obwohl unsern Vettern der Besuch unsrer Flotte in Irland sicherlich wenig
sympathisch gewesen ist?

Auch siud Wir in den letzten Jahren wiederholt Gäste in englischen Kriegs¬
hafen gewesen. Die Landheere sind in Friedenszeiten an ihre Landesgrenzen ge¬
bunden, Flotten nicht. Flotten bewegen sich frei und unbehindert auf deu Wogen
aller Meere, sie halten an fremden Küsten Schießübungen ab, die ihnen niemand
verübelt, gehn zu Anker und nehmen Kohlen, wo sie wollen und können; sie bleiben
als Gäste immer die schwerbewaffneten Repräsentanten ihres Landes und seiner
Macht. Wollen die Deutschen ein seefahrendes Volk sein, so dürfen sie sich nicht
darüber wundern, wenn fremde Flotten oder Kriegsschiffe, sogar zu Rekognoszierungs¬
zwecken, bei ihnen erscheinen. Kriegsschiffe rekognoszieren immer, stellen Ver¬
messungen an, machen Aufzeichnungen und sehen sich nach den Befestigungen um.
Ob die englische Kanalflotte auf dieser Fahrt in die Ostsee der deutschen Schlacht¬
flotte begegnen wird, hängt von den beiderseitigen Dispositionen ab, die sehr leicht
einer Abänderung für Begegnung oder Nichtbegeguung unterzogen werden können.
Unsre Marineverwaltung wird diese unerwartete englische Machtentfaltung an den
deutschen Küsten sicherlich nicht unlieb sein, sie wird vielen Deutschen als al-Auinoutura
sa bominsm dienen, sich über den Abstand zwischen der deutschen und der eng¬
lischen Seemacht klar zu werden. Damit ist zugleich die "theoretische" Erörterung
zweier Berliner Zeitungen beantwortet, die Ostsee gegen fremde Flotten abzusperren.
Um das Baltische Meer für fremde, "nicht ortszuständige" Flotten zu schließen,
ist Deutschland heute auch im Bunde mit den andern Ostseeländern doch nicht
stark genug, dazu würde mindestens Rußland über eine wesentlich andre Seemacht
verfügen müssen, als sie ihm heute zur Verfügung steht. England würde sich gut¬
willig eine solche Sperrung schwerlich gefallen lassen, und was wollte Deutschland
machen, wenn die Sperrung der Ostsee von englischer Seite mit einer Sperrung des
Kanals beantwortet würde, die auszuführen für England sehr viel leichter sein dürfte
als die Sperrung der Ostsee für die Ostseestaaten. Auf alle Fälle würde die eine
Wie die andre Sperre den Krieg bedeuten. Sie wäre auch dem Wesen des Meeres,
das Völker verbinden und nicht trennen soll, völlig zuwider. Wie sich diese Ver¬
hältnisse bei Eintritt eines Kriegsfalles gestalten würden, ist eine andre Frage, aber
doch ebenfalls eine Machtfrage, deren Schwierigkeit für Deutschland nicht zum
wenigsten darin besteht, daß die beiden Belte nicht in seiner Hand sind. Statt
uns darüber aufzuregen und "theoretische" Räsonnements zu veranstalten, die
dem uus unfreundlich gesinnten englischen Kabinett Wahlvorspann leisten, sollten
wir darauf bedacht sein, in aller Stille und ohne viel Aufhebens unsre Flotte
weiterzubauen: große schnelle Linienschiffe mit vorzüglichster Artilleriebewaffnung,
tüchtige Panzerkreuzer, die an Kampffähigkeit und an Geschwindigkeit von denen
der andern Nationen nicht übertroffen würden, und daneben für eine möglichst
lückenlose Küstenbefestigung sorgen. Darin ist noch sehr viel zu tun. Für den
Krieg müssen wir ausgiebig sorgen, da darf nichts fehlen. Aber im Frieden
der englischen Flotte die Ostsee verwehren wollen, wenn sie ein Bedürfnis fühlt,
sich dort sehen zu lassen, hat in der Tat keinen Sinn und läßt uns das Er¬
reichbare mit dem Wünschenswerten verwechseln, hätte außerdem einen ewigen
Bund mit Rußland, Schweden und Dänemark zur unabweisbaren Voraussetzung.
Daß ein solcher Bund, auch wenn er allen vier Staaten augenblicklich sehr opportun
erschiene, was keineswegs sicher ist, in hohem Grade von populären Strömungen
in Dänemark und in Schweden abhängig sein würde, ist gewiß. Dazu hat Däne-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

stellen und die an die französisch-englische „Flottensolidarität" hie und da geknüpften
Besorgnisse auch vor dem eignen Lande und der Wählerschaft abschwächen soll.

Für die deutsche Presse liegt aber wirklich nicht der geringste Anlaß vor, sich
darüber aufzuregen, wenn ein Teil der englischen Flotte, sogar das verstärkte Knnal-
geschwader, in der Ostsee manövriert. Hat nicht unsre Manöverflotte jahrein jahraus
in den englischen Gewässern, im Kanal, an den Küsten von Irland und Schott¬
land usw. geübt, ohne daß auch nur eine Stimme in England darüber laut geworden
wäre, obwohl unsern Vettern der Besuch unsrer Flotte in Irland sicherlich wenig
sympathisch gewesen ist?

Auch siud Wir in den letzten Jahren wiederholt Gäste in englischen Kriegs¬
hafen gewesen. Die Landheere sind in Friedenszeiten an ihre Landesgrenzen ge¬
bunden, Flotten nicht. Flotten bewegen sich frei und unbehindert auf deu Wogen
aller Meere, sie halten an fremden Küsten Schießübungen ab, die ihnen niemand
verübelt, gehn zu Anker und nehmen Kohlen, wo sie wollen und können; sie bleiben
als Gäste immer die schwerbewaffneten Repräsentanten ihres Landes und seiner
Macht. Wollen die Deutschen ein seefahrendes Volk sein, so dürfen sie sich nicht
darüber wundern, wenn fremde Flotten oder Kriegsschiffe, sogar zu Rekognoszierungs¬
zwecken, bei ihnen erscheinen. Kriegsschiffe rekognoszieren immer, stellen Ver¬
messungen an, machen Aufzeichnungen und sehen sich nach den Befestigungen um.
Ob die englische Kanalflotte auf dieser Fahrt in die Ostsee der deutschen Schlacht¬
flotte begegnen wird, hängt von den beiderseitigen Dispositionen ab, die sehr leicht
einer Abänderung für Begegnung oder Nichtbegeguung unterzogen werden können.
Unsre Marineverwaltung wird diese unerwartete englische Machtentfaltung an den
deutschen Küsten sicherlich nicht unlieb sein, sie wird vielen Deutschen als al-Auinoutura
sa bominsm dienen, sich über den Abstand zwischen der deutschen und der eng¬
lischen Seemacht klar zu werden. Damit ist zugleich die „theoretische" Erörterung
zweier Berliner Zeitungen beantwortet, die Ostsee gegen fremde Flotten abzusperren.
Um das Baltische Meer für fremde, „nicht ortszuständige" Flotten zu schließen,
ist Deutschland heute auch im Bunde mit den andern Ostseeländern doch nicht
stark genug, dazu würde mindestens Rußland über eine wesentlich andre Seemacht
verfügen müssen, als sie ihm heute zur Verfügung steht. England würde sich gut¬
willig eine solche Sperrung schwerlich gefallen lassen, und was wollte Deutschland
machen, wenn die Sperrung der Ostsee von englischer Seite mit einer Sperrung des
Kanals beantwortet würde, die auszuführen für England sehr viel leichter sein dürfte
als die Sperrung der Ostsee für die Ostseestaaten. Auf alle Fälle würde die eine
Wie die andre Sperre den Krieg bedeuten. Sie wäre auch dem Wesen des Meeres,
das Völker verbinden und nicht trennen soll, völlig zuwider. Wie sich diese Ver¬
hältnisse bei Eintritt eines Kriegsfalles gestalten würden, ist eine andre Frage, aber
doch ebenfalls eine Machtfrage, deren Schwierigkeit für Deutschland nicht zum
wenigsten darin besteht, daß die beiden Belte nicht in seiner Hand sind. Statt
uns darüber aufzuregen und „theoretische" Räsonnements zu veranstalten, die
dem uus unfreundlich gesinnten englischen Kabinett Wahlvorspann leisten, sollten
wir darauf bedacht sein, in aller Stille und ohne viel Aufhebens unsre Flotte
weiterzubauen: große schnelle Linienschiffe mit vorzüglichster Artilleriebewaffnung,
tüchtige Panzerkreuzer, die an Kampffähigkeit und an Geschwindigkeit von denen
der andern Nationen nicht übertroffen würden, und daneben für eine möglichst
lückenlose Küstenbefestigung sorgen. Darin ist noch sehr viel zu tun. Für den
Krieg müssen wir ausgiebig sorgen, da darf nichts fehlen. Aber im Frieden
der englischen Flotte die Ostsee verwehren wollen, wenn sie ein Bedürfnis fühlt,
sich dort sehen zu lassen, hat in der Tat keinen Sinn und läßt uns das Er¬
reichbare mit dem Wünschenswerten verwechseln, hätte außerdem einen ewigen
Bund mit Rußland, Schweden und Dänemark zur unabweisbaren Voraussetzung.
Daß ein solcher Bund, auch wenn er allen vier Staaten augenblicklich sehr opportun
erschiene, was keineswegs sicher ist, in hohem Grade von populären Strömungen
in Dänemark und in Schweden abhängig sein würde, ist gewiß. Dazu hat Däne-


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[0284] Maßgebliches und Unmaßgebliches stellen und die an die französisch-englische „Flottensolidarität" hie und da geknüpften Besorgnisse auch vor dem eignen Lande und der Wählerschaft abschwächen soll. Für die deutsche Presse liegt aber wirklich nicht der geringste Anlaß vor, sich darüber aufzuregen, wenn ein Teil der englischen Flotte, sogar das verstärkte Knnal- geschwader, in der Ostsee manövriert. Hat nicht unsre Manöverflotte jahrein jahraus in den englischen Gewässern, im Kanal, an den Küsten von Irland und Schott¬ land usw. geübt, ohne daß auch nur eine Stimme in England darüber laut geworden wäre, obwohl unsern Vettern der Besuch unsrer Flotte in Irland sicherlich wenig sympathisch gewesen ist? Auch siud Wir in den letzten Jahren wiederholt Gäste in englischen Kriegs¬ hafen gewesen. Die Landheere sind in Friedenszeiten an ihre Landesgrenzen ge¬ bunden, Flotten nicht. Flotten bewegen sich frei und unbehindert auf deu Wogen aller Meere, sie halten an fremden Küsten Schießübungen ab, die ihnen niemand verübelt, gehn zu Anker und nehmen Kohlen, wo sie wollen und können; sie bleiben als Gäste immer die schwerbewaffneten Repräsentanten ihres Landes und seiner Macht. Wollen die Deutschen ein seefahrendes Volk sein, so dürfen sie sich nicht darüber wundern, wenn fremde Flotten oder Kriegsschiffe, sogar zu Rekognoszierungs¬ zwecken, bei ihnen erscheinen. Kriegsschiffe rekognoszieren immer, stellen Ver¬ messungen an, machen Aufzeichnungen und sehen sich nach den Befestigungen um. Ob die englische Kanalflotte auf dieser Fahrt in die Ostsee der deutschen Schlacht¬ flotte begegnen wird, hängt von den beiderseitigen Dispositionen ab, die sehr leicht einer Abänderung für Begegnung oder Nichtbegeguung unterzogen werden können. Unsre Marineverwaltung wird diese unerwartete englische Machtentfaltung an den deutschen Küsten sicherlich nicht unlieb sein, sie wird vielen Deutschen als al-Auinoutura sa bominsm dienen, sich über den Abstand zwischen der deutschen und der eng¬ lischen Seemacht klar zu werden. Damit ist zugleich die „theoretische" Erörterung zweier Berliner Zeitungen beantwortet, die Ostsee gegen fremde Flotten abzusperren. Um das Baltische Meer für fremde, „nicht ortszuständige" Flotten zu schließen, ist Deutschland heute auch im Bunde mit den andern Ostseeländern doch nicht stark genug, dazu würde mindestens Rußland über eine wesentlich andre Seemacht verfügen müssen, als sie ihm heute zur Verfügung steht. England würde sich gut¬ willig eine solche Sperrung schwerlich gefallen lassen, und was wollte Deutschland machen, wenn die Sperrung der Ostsee von englischer Seite mit einer Sperrung des Kanals beantwortet würde, die auszuführen für England sehr viel leichter sein dürfte als die Sperrung der Ostsee für die Ostseestaaten. Auf alle Fälle würde die eine Wie die andre Sperre den Krieg bedeuten. Sie wäre auch dem Wesen des Meeres, das Völker verbinden und nicht trennen soll, völlig zuwider. Wie sich diese Ver¬ hältnisse bei Eintritt eines Kriegsfalles gestalten würden, ist eine andre Frage, aber doch ebenfalls eine Machtfrage, deren Schwierigkeit für Deutschland nicht zum wenigsten darin besteht, daß die beiden Belte nicht in seiner Hand sind. Statt uns darüber aufzuregen und „theoretische" Räsonnements zu veranstalten, die dem uus unfreundlich gesinnten englischen Kabinett Wahlvorspann leisten, sollten wir darauf bedacht sein, in aller Stille und ohne viel Aufhebens unsre Flotte weiterzubauen: große schnelle Linienschiffe mit vorzüglichster Artilleriebewaffnung, tüchtige Panzerkreuzer, die an Kampffähigkeit und an Geschwindigkeit von denen der andern Nationen nicht übertroffen würden, und daneben für eine möglichst lückenlose Küstenbefestigung sorgen. Darin ist noch sehr viel zu tun. Für den Krieg müssen wir ausgiebig sorgen, da darf nichts fehlen. Aber im Frieden der englischen Flotte die Ostsee verwehren wollen, wenn sie ein Bedürfnis fühlt, sich dort sehen zu lassen, hat in der Tat keinen Sinn und läßt uns das Er¬ reichbare mit dem Wünschenswerten verwechseln, hätte außerdem einen ewigen Bund mit Rußland, Schweden und Dänemark zur unabweisbaren Voraussetzung. Daß ein solcher Bund, auch wenn er allen vier Staaten augenblicklich sehr opportun erschiene, was keineswegs sicher ist, in hohem Grade von populären Strömungen in Dänemark und in Schweden abhängig sein würde, ist gewiß. Dazu hat Däne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/284>, abgerufen am 27.09.2024.