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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gebungen beherrscht, und was dergleichen mehr ist. Als ob der Essener Nedaktions-
tisch der Ort wäre, über den innern Zusammenhang und die logische Folgerichtigkeit
einer Politik zu rechten, von deren Zusammenhang mau dort offenbar absolut nichts
weiß und allem Anschein nach auch nichts versteht. Wer über auswärtige Politik
aburteilen will, sollte das doch nur mit Sachkenntnis und mit dem Gefühl der Ver¬
antwortlichkeit dafür tun, daß er möglicherweise durch eine unbedachte und einfältige
Kritik die Interessen seines Landes schwer schädigt. Man darf nachgerade meinen,
daß die Leitung der deutschen Politik für jeden auf nationalem Boden stehenden
Publizisten hinreichende Beweise von innerm Zusammenhang und logischer Folge¬
richtigkeit gegeben habe. Namentlich von persönlichen Eingebungen kann in diesem
Sinne durchaus keine Rede sein, der Besuch in Tanger vollzog sich nicht nur im
vollsten Einverständnis mit dem Reichskanzler, sondern war auch eine sehr positive
Zahl in dessen politischer Rechnung, und diese Rechnung war keineswegs kurzerhand
aufgestellt.

Ganz dasselbe gilt von der Begegnung mit dem König von Schweden. Was
die Sympathien der Norweger anlangt, so find sie zum allergrößten Teil
materieller Natur. Die Besuche Kaiser Wilhelms haben dem Lande einen Fremden¬
strom zugeführt und dort eine "Fremdenindustrie" erzeugt, vou der man vordem
keine Ahnung hatte. Es sind mithin sehr reale Interessen, auf denen die Sympathien
der Norweger für die Deutschen oder eigentlich für den deutschen Kaiser beruhen.
Als sich nun die Norweger ihres rechtmäßigen Königs in einer wenig löblichen
Weise entledigten, war keine Möglichkeit mehr für den Kaiser, Norwegen zu be¬
suchen. Nicht um einer "Neutralität" willen, denn diese kann es im vorliegenden
Falle für einen Monarchen überhaupt nicht geben, sondern um nicht in die Lage
zu kommen, daß sein Besuch als eine Anerkennung des Verhaltens der Norweger
und ihrer Regierung mißdeutet würde. Wäre Kaiser Wilhelm der Erste nach
Gastein gegangen, wenn das Salzburger Laud in Aufruhr gegen den Kaiser Franz
Joseph gewesen wäre und dessen Absetzung ausgesprochen hätte? Das Verhalten
der Norweger gegen ihren König war nicht nur eine Beleidigung dieses Monarchen,
sondern ein Verstoß gegen das monarchische Prinzip überhaupt, und da ist es für
einen Souverän von dem starken Herrschergefühl Kaiser Wilhelms ganz selbstver¬
ständlich, daß er seine Besuche in Norwegen vorläufig einstellt. Das ist nicht
etwa "Neutralität," zu einer solchen lag und liegt gar keine Veranlassung vor,
sondern die ganz selbstverständliche Stellung eines dem König Oskar persönlich so
nahe stehenden mächtigen Herrschers. Der Rheinisch-Westfälischen Zeitung scheint
als mustergiltig für den Kaiser das Beispiel jenes Oberpräsidenten der Provinz
Sachsen vorzuschweben, der nach den Märztagen des Jahres 1848 eine Bekannt¬
machung des Inhalts erließ: "In Berlin hat eine Revolution stattgefunden, ich
werde meine Stellung über den Parteien nehmen." Sein König war ihm einfach
"Partei." In dem Streite zwischen Schweden und Norwegen kann König Oskar
für Kaiser Wilhelm aber nicht "Partei" sein. Zudem ist der Kaiser bei seinen
langjährigen persönlichen Beziehungen zu König Oskar, der ein intimer Freund
seines Vaters war und Pate eines seiner Söhne ist, wie bei seinen langjährigen
Besuchen in Norwegen über die einschlägigen politischen Verhältnisse so hinreichend
orientiert, daß er über den innern Zusammenhang und die Folgerichtigkeit der
deutschen Politik keinen Augenblick im unklaren sein konnte.

Der schwedisch-norwegische Konflikt ist nicht Plötzlich und unerwartet zum Aus-^
bruns gekommen, sondern er ist das Resultat langjähriger Spannungen, die sich
immer mehr zu unvereinbarer Gegensätzen entwickelt haben, ein Verhältnis, das
ebenso wie bei einer unglücklichen Ehe zu einer Scheidung drängte, von deren
früherer oder späterer Notwendigkeit einsichtige Schweden ebenso überzeugt waren
wie die politischen Führer in Norwegen. Aber die Art, wie der Bruch herbei¬
geführt worden ist, setzt die Norweger ins Unrecht. Der Kronprinz von Schweden
ist bekanntlich erst vor sechs Wochen als Hochzeitsgast bei der Vermählung unsers


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gebungen beherrscht, und was dergleichen mehr ist. Als ob der Essener Nedaktions-
tisch der Ort wäre, über den innern Zusammenhang und die logische Folgerichtigkeit
einer Politik zu rechten, von deren Zusammenhang mau dort offenbar absolut nichts
weiß und allem Anschein nach auch nichts versteht. Wer über auswärtige Politik
aburteilen will, sollte das doch nur mit Sachkenntnis und mit dem Gefühl der Ver¬
antwortlichkeit dafür tun, daß er möglicherweise durch eine unbedachte und einfältige
Kritik die Interessen seines Landes schwer schädigt. Man darf nachgerade meinen,
daß die Leitung der deutschen Politik für jeden auf nationalem Boden stehenden
Publizisten hinreichende Beweise von innerm Zusammenhang und logischer Folge¬
richtigkeit gegeben habe. Namentlich von persönlichen Eingebungen kann in diesem
Sinne durchaus keine Rede sein, der Besuch in Tanger vollzog sich nicht nur im
vollsten Einverständnis mit dem Reichskanzler, sondern war auch eine sehr positive
Zahl in dessen politischer Rechnung, und diese Rechnung war keineswegs kurzerhand
aufgestellt.

Ganz dasselbe gilt von der Begegnung mit dem König von Schweden. Was
die Sympathien der Norweger anlangt, so find sie zum allergrößten Teil
materieller Natur. Die Besuche Kaiser Wilhelms haben dem Lande einen Fremden¬
strom zugeführt und dort eine „Fremdenindustrie" erzeugt, vou der man vordem
keine Ahnung hatte. Es sind mithin sehr reale Interessen, auf denen die Sympathien
der Norweger für die Deutschen oder eigentlich für den deutschen Kaiser beruhen.
Als sich nun die Norweger ihres rechtmäßigen Königs in einer wenig löblichen
Weise entledigten, war keine Möglichkeit mehr für den Kaiser, Norwegen zu be¬
suchen. Nicht um einer „Neutralität" willen, denn diese kann es im vorliegenden
Falle für einen Monarchen überhaupt nicht geben, sondern um nicht in die Lage
zu kommen, daß sein Besuch als eine Anerkennung des Verhaltens der Norweger
und ihrer Regierung mißdeutet würde. Wäre Kaiser Wilhelm der Erste nach
Gastein gegangen, wenn das Salzburger Laud in Aufruhr gegen den Kaiser Franz
Joseph gewesen wäre und dessen Absetzung ausgesprochen hätte? Das Verhalten
der Norweger gegen ihren König war nicht nur eine Beleidigung dieses Monarchen,
sondern ein Verstoß gegen das monarchische Prinzip überhaupt, und da ist es für
einen Souverän von dem starken Herrschergefühl Kaiser Wilhelms ganz selbstver¬
ständlich, daß er seine Besuche in Norwegen vorläufig einstellt. Das ist nicht
etwa „Neutralität," zu einer solchen lag und liegt gar keine Veranlassung vor,
sondern die ganz selbstverständliche Stellung eines dem König Oskar persönlich so
nahe stehenden mächtigen Herrschers. Der Rheinisch-Westfälischen Zeitung scheint
als mustergiltig für den Kaiser das Beispiel jenes Oberpräsidenten der Provinz
Sachsen vorzuschweben, der nach den Märztagen des Jahres 1848 eine Bekannt¬
machung des Inhalts erließ: „In Berlin hat eine Revolution stattgefunden, ich
werde meine Stellung über den Parteien nehmen." Sein König war ihm einfach
„Partei." In dem Streite zwischen Schweden und Norwegen kann König Oskar
für Kaiser Wilhelm aber nicht „Partei" sein. Zudem ist der Kaiser bei seinen
langjährigen persönlichen Beziehungen zu König Oskar, der ein intimer Freund
seines Vaters war und Pate eines seiner Söhne ist, wie bei seinen langjährigen
Besuchen in Norwegen über die einschlägigen politischen Verhältnisse so hinreichend
orientiert, daß er über den innern Zusammenhang und die Folgerichtigkeit der
deutschen Politik keinen Augenblick im unklaren sein konnte.

Der schwedisch-norwegische Konflikt ist nicht Plötzlich und unerwartet zum Aus-^
bruns gekommen, sondern er ist das Resultat langjähriger Spannungen, die sich
immer mehr zu unvereinbarer Gegensätzen entwickelt haben, ein Verhältnis, das
ebenso wie bei einer unglücklichen Ehe zu einer Scheidung drängte, von deren
früherer oder späterer Notwendigkeit einsichtige Schweden ebenso überzeugt waren
wie die politischen Führer in Norwegen. Aber die Art, wie der Bruch herbei¬
geführt worden ist, setzt die Norweger ins Unrecht. Der Kronprinz von Schweden
ist bekanntlich erst vor sechs Wochen als Hochzeitsgast bei der Vermählung unsers


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[0227] Maßgebliches und Unmaßgebliches gebungen beherrscht, und was dergleichen mehr ist. Als ob der Essener Nedaktions- tisch der Ort wäre, über den innern Zusammenhang und die logische Folgerichtigkeit einer Politik zu rechten, von deren Zusammenhang mau dort offenbar absolut nichts weiß und allem Anschein nach auch nichts versteht. Wer über auswärtige Politik aburteilen will, sollte das doch nur mit Sachkenntnis und mit dem Gefühl der Ver¬ antwortlichkeit dafür tun, daß er möglicherweise durch eine unbedachte und einfältige Kritik die Interessen seines Landes schwer schädigt. Man darf nachgerade meinen, daß die Leitung der deutschen Politik für jeden auf nationalem Boden stehenden Publizisten hinreichende Beweise von innerm Zusammenhang und logischer Folge¬ richtigkeit gegeben habe. Namentlich von persönlichen Eingebungen kann in diesem Sinne durchaus keine Rede sein, der Besuch in Tanger vollzog sich nicht nur im vollsten Einverständnis mit dem Reichskanzler, sondern war auch eine sehr positive Zahl in dessen politischer Rechnung, und diese Rechnung war keineswegs kurzerhand aufgestellt. Ganz dasselbe gilt von der Begegnung mit dem König von Schweden. Was die Sympathien der Norweger anlangt, so find sie zum allergrößten Teil materieller Natur. Die Besuche Kaiser Wilhelms haben dem Lande einen Fremden¬ strom zugeführt und dort eine „Fremdenindustrie" erzeugt, vou der man vordem keine Ahnung hatte. Es sind mithin sehr reale Interessen, auf denen die Sympathien der Norweger für die Deutschen oder eigentlich für den deutschen Kaiser beruhen. Als sich nun die Norweger ihres rechtmäßigen Königs in einer wenig löblichen Weise entledigten, war keine Möglichkeit mehr für den Kaiser, Norwegen zu be¬ suchen. Nicht um einer „Neutralität" willen, denn diese kann es im vorliegenden Falle für einen Monarchen überhaupt nicht geben, sondern um nicht in die Lage zu kommen, daß sein Besuch als eine Anerkennung des Verhaltens der Norweger und ihrer Regierung mißdeutet würde. Wäre Kaiser Wilhelm der Erste nach Gastein gegangen, wenn das Salzburger Laud in Aufruhr gegen den Kaiser Franz Joseph gewesen wäre und dessen Absetzung ausgesprochen hätte? Das Verhalten der Norweger gegen ihren König war nicht nur eine Beleidigung dieses Monarchen, sondern ein Verstoß gegen das monarchische Prinzip überhaupt, und da ist es für einen Souverän von dem starken Herrschergefühl Kaiser Wilhelms ganz selbstver¬ ständlich, daß er seine Besuche in Norwegen vorläufig einstellt. Das ist nicht etwa „Neutralität," zu einer solchen lag und liegt gar keine Veranlassung vor, sondern die ganz selbstverständliche Stellung eines dem König Oskar persönlich so nahe stehenden mächtigen Herrschers. Der Rheinisch-Westfälischen Zeitung scheint als mustergiltig für den Kaiser das Beispiel jenes Oberpräsidenten der Provinz Sachsen vorzuschweben, der nach den Märztagen des Jahres 1848 eine Bekannt¬ machung des Inhalts erließ: „In Berlin hat eine Revolution stattgefunden, ich werde meine Stellung über den Parteien nehmen." Sein König war ihm einfach „Partei." In dem Streite zwischen Schweden und Norwegen kann König Oskar für Kaiser Wilhelm aber nicht „Partei" sein. Zudem ist der Kaiser bei seinen langjährigen persönlichen Beziehungen zu König Oskar, der ein intimer Freund seines Vaters war und Pate eines seiner Söhne ist, wie bei seinen langjährigen Besuchen in Norwegen über die einschlägigen politischen Verhältnisse so hinreichend orientiert, daß er über den innern Zusammenhang und die Folgerichtigkeit der deutschen Politik keinen Augenblick im unklaren sein konnte. Der schwedisch-norwegische Konflikt ist nicht Plötzlich und unerwartet zum Aus-^ bruns gekommen, sondern er ist das Resultat langjähriger Spannungen, die sich immer mehr zu unvereinbarer Gegensätzen entwickelt haben, ein Verhältnis, das ebenso wie bei einer unglücklichen Ehe zu einer Scheidung drängte, von deren früherer oder späterer Notwendigkeit einsichtige Schweden ebenso überzeugt waren wie die politischen Führer in Norwegen. Aber die Art, wie der Bruch herbei¬ geführt worden ist, setzt die Norweger ins Unrecht. Der Kronprinz von Schweden ist bekanntlich erst vor sechs Wochen als Hochzeitsgast bei der Vermählung unsers

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/227>, abgerufen am 19.10.2024.