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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Warum fragen Sie, erwiderte die Arte Beit, den gestrengen Amtshauptmann
dreist ansehend, was Sie sich allein sagen können?

Wo sind die Reste der letzten Mahlzeit dieser Leute?

Sie haben alles aufgegessen.

Natürlich! Und dann hat man schön aufgeräumt, um etwaige Spuren zu ver¬
wischen. Wer hat den Alten Flinsen gegeben?

Herr Pogge.

Waas? -- Herr Pogge hat doch nicht Flinsen gebacken?

Nein, aber er hat das Geld gegeben, und sie haben sich die Flinsen selbst
gebacken.

Und wer hat den Zucker darauf gestreut?

Ich nicht, sagte die Arte.

Ich glaube in der Tat, Herr Amtshauptmanu, sagte Pogge, der während
dieses Gesprächs herangetreten war, daß ich an der Sache nicht unbeteiligt bin. Ich
habe es zu gut gemeint. Ich habe ihnen zu viel Geld gegeben, und sie haben zu
viel Flinsen gebacken und sich daran tot gegessen.

Seien Sie beruhigt, antwortete Groppoff, diese Sorte ißt sich an Flinsen nicht
tot, wenn nicht sonst eine Teufelei dabei ist.

Dies beruhigte Pogge ungemein, erweckte aber die Frage, wer diese Teufelei
wohl ausgeübt haben möchte.

Nun folgte eine Haussuchung. Man brauchte nicht lange zu suchen, so fand
man in der Schlafkammer von Jurgis offen auf dem Schranke stehend eine Flasche,
in der sich ein weißes Pulver unter einer gelblichen Flüssigkeit befand. Auf der
Etikette war ein Totenkopf und zwei Kreuze abgebildet. Groppoff ergriff diese
Flasche und kehrte zu Kondrot zurück.

Was ist das? fragte er.

Arsenik, antwortete Kondrot mit tonloser Stimme.

Wozu haben Sie diesen Arsenik im Hause nötig?

Mein Sohn braucht ihn zu seinen Vogelbälgen.

Jawohl! Und um Ratten zu vergiften, und um ihn in den Zucker zu mischen.
Kondrot, Sie sind verhaftet.

Kondrot sank in sich zusammen. Die Schande dieser Verhaftung drückte thu
zu Boden. Mein Gott, mein Gott, flüsterte er, ist meine Sünde so schwer, daß
du mich so straffe?

Sehen Sie, Sie Tor, fuhr Groppoff mit leiser Stimme fort, dahin haben
Sie sich gebracht. Bedanken Sie sich bei dem, der Ihnen eingegeben hat, mir
^chM' (Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Die Begegnung des Kaisers mit dem König von Schweden
ist von einigen deutschen Zeitungen zum Gegenstand einer Kritik gemacht worden,
deren Bedeutung nur in einem auffällig hervorragenden Grade von politischer
Kurzsichtigkeit beruht und allein aus diesem Grunde eine Erwähnung beanspruchen
darf. Die Rheinisch-Westfälische Zeitung findet in dieser Begegnung und in der
Verleihung der Würde eines Großadmirals an den König Oskar eine öffentliche
Parteinahme. Die durch ein zwanzigjähriges wohlwollendes Verhalten in Nor¬
wegen geschaffne sympathische Stimmung gegen Deutschland werde dadurch aus¬
gelöscht, unsrer Politik fehle es, wie schon so oft beklagt worden sei, an innerm
Zusammenhang und logischer Folgerichtigkeit, sie werde von persönlichen Ein-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Warum fragen Sie, erwiderte die Arte Beit, den gestrengen Amtshauptmann
dreist ansehend, was Sie sich allein sagen können?

Wo sind die Reste der letzten Mahlzeit dieser Leute?

Sie haben alles aufgegessen.

Natürlich! Und dann hat man schön aufgeräumt, um etwaige Spuren zu ver¬
wischen. Wer hat den Alten Flinsen gegeben?

Herr Pogge.

Waas? — Herr Pogge hat doch nicht Flinsen gebacken?

Nein, aber er hat das Geld gegeben, und sie haben sich die Flinsen selbst
gebacken.

Und wer hat den Zucker darauf gestreut?

Ich nicht, sagte die Arte.

Ich glaube in der Tat, Herr Amtshauptmanu, sagte Pogge, der während
dieses Gesprächs herangetreten war, daß ich an der Sache nicht unbeteiligt bin. Ich
habe es zu gut gemeint. Ich habe ihnen zu viel Geld gegeben, und sie haben zu
viel Flinsen gebacken und sich daran tot gegessen.

Seien Sie beruhigt, antwortete Groppoff, diese Sorte ißt sich an Flinsen nicht
tot, wenn nicht sonst eine Teufelei dabei ist.

Dies beruhigte Pogge ungemein, erweckte aber die Frage, wer diese Teufelei
wohl ausgeübt haben möchte.

Nun folgte eine Haussuchung. Man brauchte nicht lange zu suchen, so fand
man in der Schlafkammer von Jurgis offen auf dem Schranke stehend eine Flasche,
in der sich ein weißes Pulver unter einer gelblichen Flüssigkeit befand. Auf der
Etikette war ein Totenkopf und zwei Kreuze abgebildet. Groppoff ergriff diese
Flasche und kehrte zu Kondrot zurück.

Was ist das? fragte er.

Arsenik, antwortete Kondrot mit tonloser Stimme.

Wozu haben Sie diesen Arsenik im Hause nötig?

Mein Sohn braucht ihn zu seinen Vogelbälgen.

Jawohl! Und um Ratten zu vergiften, und um ihn in den Zucker zu mischen.
Kondrot, Sie sind verhaftet.

Kondrot sank in sich zusammen. Die Schande dieser Verhaftung drückte thu
zu Boden. Mein Gott, mein Gott, flüsterte er, ist meine Sünde so schwer, daß
du mich so straffe?

Sehen Sie, Sie Tor, fuhr Groppoff mit leiser Stimme fort, dahin haben
Sie sich gebracht. Bedanken Sie sich bei dem, der Ihnen eingegeben hat, mir
^chM' (Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Die Begegnung des Kaisers mit dem König von Schweden
ist von einigen deutschen Zeitungen zum Gegenstand einer Kritik gemacht worden,
deren Bedeutung nur in einem auffällig hervorragenden Grade von politischer
Kurzsichtigkeit beruht und allein aus diesem Grunde eine Erwähnung beanspruchen
darf. Die Rheinisch-Westfälische Zeitung findet in dieser Begegnung und in der
Verleihung der Würde eines Großadmirals an den König Oskar eine öffentliche
Parteinahme. Die durch ein zwanzigjähriges wohlwollendes Verhalten in Nor¬
wegen geschaffne sympathische Stimmung gegen Deutschland werde dadurch aus¬
gelöscht, unsrer Politik fehle es, wie schon so oft beklagt worden sei, an innerm
Zusammenhang und logischer Folgerichtigkeit, sie werde von persönlichen Ein-


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[0226] Maßgebliches und Unmaßgebliches Warum fragen Sie, erwiderte die Arte Beit, den gestrengen Amtshauptmann dreist ansehend, was Sie sich allein sagen können? Wo sind die Reste der letzten Mahlzeit dieser Leute? Sie haben alles aufgegessen. Natürlich! Und dann hat man schön aufgeräumt, um etwaige Spuren zu ver¬ wischen. Wer hat den Alten Flinsen gegeben? Herr Pogge. Waas? — Herr Pogge hat doch nicht Flinsen gebacken? Nein, aber er hat das Geld gegeben, und sie haben sich die Flinsen selbst gebacken. Und wer hat den Zucker darauf gestreut? Ich nicht, sagte die Arte. Ich glaube in der Tat, Herr Amtshauptmanu, sagte Pogge, der während dieses Gesprächs herangetreten war, daß ich an der Sache nicht unbeteiligt bin. Ich habe es zu gut gemeint. Ich habe ihnen zu viel Geld gegeben, und sie haben zu viel Flinsen gebacken und sich daran tot gegessen. Seien Sie beruhigt, antwortete Groppoff, diese Sorte ißt sich an Flinsen nicht tot, wenn nicht sonst eine Teufelei dabei ist. Dies beruhigte Pogge ungemein, erweckte aber die Frage, wer diese Teufelei wohl ausgeübt haben möchte. Nun folgte eine Haussuchung. Man brauchte nicht lange zu suchen, so fand man in der Schlafkammer von Jurgis offen auf dem Schranke stehend eine Flasche, in der sich ein weißes Pulver unter einer gelblichen Flüssigkeit befand. Auf der Etikette war ein Totenkopf und zwei Kreuze abgebildet. Groppoff ergriff diese Flasche und kehrte zu Kondrot zurück. Was ist das? fragte er. Arsenik, antwortete Kondrot mit tonloser Stimme. Wozu haben Sie diesen Arsenik im Hause nötig? Mein Sohn braucht ihn zu seinen Vogelbälgen. Jawohl! Und um Ratten zu vergiften, und um ihn in den Zucker zu mischen. Kondrot, Sie sind verhaftet. Kondrot sank in sich zusammen. Die Schande dieser Verhaftung drückte thu zu Boden. Mein Gott, mein Gott, flüsterte er, ist meine Sünde so schwer, daß du mich so straffe? Sehen Sie, Sie Tor, fuhr Groppoff mit leiser Stimme fort, dahin haben Sie sich gebracht. Bedanken Sie sich bei dem, der Ihnen eingegeben hat, mir ^chM' (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. Die Begegnung des Kaisers mit dem König von Schweden ist von einigen deutschen Zeitungen zum Gegenstand einer Kritik gemacht worden, deren Bedeutung nur in einem auffällig hervorragenden Grade von politischer Kurzsichtigkeit beruht und allein aus diesem Grunde eine Erwähnung beanspruchen darf. Die Rheinisch-Westfälische Zeitung findet in dieser Begegnung und in der Verleihung der Würde eines Großadmirals an den König Oskar eine öffentliche Parteinahme. Die durch ein zwanzigjähriges wohlwollendes Verhalten in Nor¬ wegen geschaffne sympathische Stimmung gegen Deutschland werde dadurch aus¬ gelöscht, unsrer Politik fehle es, wie schon so oft beklagt worden sei, an innerm Zusammenhang und logischer Folgerichtigkeit, sie werde von persönlichen Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/226>, abgerufen am 27.09.2024.