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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Überseeische Telegraxhenverbindungen

die in Kopenhagen ansässige Große Nordische Telegraphengesellschaft im An¬
schluß an die russisch-sibirischen Lautumien ihre Kabel von Wladiwostok aus
allmählich bis Schanghai, Nagasaki und Hongkong vorschob. Ursprünglich gab
es eine große Menge kleinerer Unternehmungen, die Gemeinsamkeit der
Interessen und die Rücksicht auf Betriebsersparnisse führten jedoch bald zu
großen Zusammenschlüssen, und so ist es gekommen, daß etwa seit der Mitte
der siebziger Jahre bis vor kurzem der gesamte Kabelverkehr eigentlich in den
Händen zweier großer Gruppen von Gesellschaften lag. Die eine wurde von
der englischen Eastern Telegraph Co. geleitet, die im Bunde mit der Western
und der Eastern Extension Tel. Co. durch eine Reihe von Tochtergesellschaften
den gesamten Verkehr nach Südamerika, Afrika, Indien und Australien be¬
herrschte, während sie sich an dem Verkehr nach Ostasien ebenfalls ihren Anteil
durch ein Abkommen mit der Jndo-European Telegraph Co. und der Großen
Nordischen gesichert hatte, die beide auch heute noch finanziell aufs engste mit
der Eastern verbunden sind. Die zweite Gruppe umfaßte beinahe alle Gesell¬
schaften, die den Verkehr nach Nordamerika besorgten, zwei englische, darunter
die führende Ungko-American nebst einer amerikanischen und einer französischen,
die allerdings später auftrat: diese alle bildeten und bilden noch heute einen
sogenannten Pook mit gemeinsamer Verrechnung der Einnahmen, wobei Ver¬
kehrsleistung und Gewinn nach einem bestimmten Prozentsatz geteilt werden.
Außerhalb des Pools stand nur die amerikanische Commercial Cable Co., die
im Besitz dreier atlantischer Verbindungen erst nach schwerem Tarifkampf ihre
Selbständigkeit behauptet hatte. Im übrigen aber lag die gesamte Kabel-
telegraphie tatsächlich in den Händen des Pools und der Easterngruppe, die
ihr Monopol dadurch vor allem zu stärken suchte, daß sie und die ihr ver¬
bündeten Gesellschaften in den meisten Staaten das ausschließliche Landungs¬
recht für ihre Kabel erwarben.

Unter diesen Umstünden war die Neichspostverwaltung, als sie sich,
durch die gewaltige kommerzielle Entwicklung Deutschlands bewogen, zum
Bau eigner Linien entschloß, den mächtigen englischen Gesellschaften gegenüber
in einer äußerst schwierigen Lage und war von vornherein auf deren Wohl¬
wollen angewiesen. Durch nichts wird das Verhältnis besser gekennzeichnet
als dadurch, daß die beiden längsten überseeischen Linien in deutschem Besitz,
Emden-Valentia und Emden-Vigo, nur Zubringer waren, die den deutschen
Depeschenverkehr auf die Linien des Pools und der Eastern zu leiten be¬
stimmt waren. Im Laufe der neunziger Jahre nun begannen die Pläne der
Neichspostverwaltung bestimmtere Gestalt anzunehmen, und da der ungeheure
Depeschenverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten eine
glänzende Rentabilität zu sichern schien, so richtete sie vor allem ihr Augen¬
merk auf die Herstellung einer direkten Verbindung zwischen Deutschland und
Nordamerika. Der gewiesne Weg waren natürlich Verhandlungen mit dem
Pook und vor allem mit der Ungko-American Tel. Co., die bis dahin kraft
eines noch bis Ende 1899 laufenden Abkommens den deutschen Verkehr nach
den Vereinigten Staaten über Emden-Valentia besorgt hatte. Aber nach einem
anfänglich günstigen Verlaufe scheiterten die Verhandlungen daran, daß der


Überseeische Telegraxhenverbindungen

die in Kopenhagen ansässige Große Nordische Telegraphengesellschaft im An¬
schluß an die russisch-sibirischen Lautumien ihre Kabel von Wladiwostok aus
allmählich bis Schanghai, Nagasaki und Hongkong vorschob. Ursprünglich gab
es eine große Menge kleinerer Unternehmungen, die Gemeinsamkeit der
Interessen und die Rücksicht auf Betriebsersparnisse führten jedoch bald zu
großen Zusammenschlüssen, und so ist es gekommen, daß etwa seit der Mitte
der siebziger Jahre bis vor kurzem der gesamte Kabelverkehr eigentlich in den
Händen zweier großer Gruppen von Gesellschaften lag. Die eine wurde von
der englischen Eastern Telegraph Co. geleitet, die im Bunde mit der Western
und der Eastern Extension Tel. Co. durch eine Reihe von Tochtergesellschaften
den gesamten Verkehr nach Südamerika, Afrika, Indien und Australien be¬
herrschte, während sie sich an dem Verkehr nach Ostasien ebenfalls ihren Anteil
durch ein Abkommen mit der Jndo-European Telegraph Co. und der Großen
Nordischen gesichert hatte, die beide auch heute noch finanziell aufs engste mit
der Eastern verbunden sind. Die zweite Gruppe umfaßte beinahe alle Gesell¬
schaften, die den Verkehr nach Nordamerika besorgten, zwei englische, darunter
die führende Ungko-American nebst einer amerikanischen und einer französischen,
die allerdings später auftrat: diese alle bildeten und bilden noch heute einen
sogenannten Pook mit gemeinsamer Verrechnung der Einnahmen, wobei Ver¬
kehrsleistung und Gewinn nach einem bestimmten Prozentsatz geteilt werden.
Außerhalb des Pools stand nur die amerikanische Commercial Cable Co., die
im Besitz dreier atlantischer Verbindungen erst nach schwerem Tarifkampf ihre
Selbständigkeit behauptet hatte. Im übrigen aber lag die gesamte Kabel-
telegraphie tatsächlich in den Händen des Pools und der Easterngruppe, die
ihr Monopol dadurch vor allem zu stärken suchte, daß sie und die ihr ver¬
bündeten Gesellschaften in den meisten Staaten das ausschließliche Landungs¬
recht für ihre Kabel erwarben.

Unter diesen Umstünden war die Neichspostverwaltung, als sie sich,
durch die gewaltige kommerzielle Entwicklung Deutschlands bewogen, zum
Bau eigner Linien entschloß, den mächtigen englischen Gesellschaften gegenüber
in einer äußerst schwierigen Lage und war von vornherein auf deren Wohl¬
wollen angewiesen. Durch nichts wird das Verhältnis besser gekennzeichnet
als dadurch, daß die beiden längsten überseeischen Linien in deutschem Besitz,
Emden-Valentia und Emden-Vigo, nur Zubringer waren, die den deutschen
Depeschenverkehr auf die Linien des Pools und der Eastern zu leiten be¬
stimmt waren. Im Laufe der neunziger Jahre nun begannen die Pläne der
Neichspostverwaltung bestimmtere Gestalt anzunehmen, und da der ungeheure
Depeschenverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten eine
glänzende Rentabilität zu sichern schien, so richtete sie vor allem ihr Augen¬
merk auf die Herstellung einer direkten Verbindung zwischen Deutschland und
Nordamerika. Der gewiesne Weg waren natürlich Verhandlungen mit dem
Pook und vor allem mit der Ungko-American Tel. Co., die bis dahin kraft
eines noch bis Ende 1899 laufenden Abkommens den deutschen Verkehr nach
den Vereinigten Staaten über Emden-Valentia besorgt hatte. Aber nach einem
anfänglich günstigen Verlaufe scheiterten die Verhandlungen daran, daß der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/86>, abgerufen am 05.02.2025.