Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Zur Frage der großstädtischen personalsteuer Von den Geographen ist darauf hingewiesen worden, daß wir in Deutsch¬ Die hierin liegende Gefahr für unser gesamtes Wirtschaftsleben ist offenbar Die Wirtschaftsbewegung, die die Konzentration der Bevölkerung und Die Großstadtbewohner müßten nach Art der Aankees von einer Millionen¬ Die von der großstädtischen Presse abgegebnen Urteile werden von den Zur Frage der großstädtischen personalsteuer Von den Geographen ist darauf hingewiesen worden, daß wir in Deutsch¬ Die hierin liegende Gefahr für unser gesamtes Wirtschaftsleben ist offenbar Die Wirtschaftsbewegung, die die Konzentration der Bevölkerung und Die Großstadtbewohner müßten nach Art der Aankees von einer Millionen¬ Die von der großstädtischen Presse abgegebnen Urteile werden von den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0698" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297077"/> <fw type="header" place="top"> Zur Frage der großstädtischen personalsteuer</fw><lb/> <p xml:id="ID_3225"> Von den Geographen ist darauf hingewiesen worden, daß wir in Deutsch¬<lb/> land drei große städtearme Gebiete haben. Das erste umfaßt die östlichen<lb/> Provinzen Preußens, das zweite bildet Hannover mit den angrenzenden Teilen<lb/> von Schleswig-Holstein und Mecklenburg, das dritte die bayrische Donauebne.<lb/> Die Städtearmut dieser drei Gebiete ist offenbar auf die Anziehungskraft der<lb/> drei Großstädte Berlin, Hamburg und München zurückzuführen, die aus diesen<lb/> Gebieten vornehmlich ihre Menschen- und Kapitalkraft geschöpft haben. Falls<lb/> die Anziehungskraft der Großstädte nicht etwas eingeschränkt wird, müssen sich<lb/> diese Gebiete immer weiter ausdehnen und immer mehr verarmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3226"> Die hierin liegende Gefahr für unser gesamtes Wirtschaftsleben ist offenbar<lb/> schon seit langem von den Staatsbehörden erkannt worden. Darauf deuten<lb/> die Miquelsche Steuerreform und alle die Maßregeln, die in der Presse als<lb/> „Liebesgaben für die Landwirtschaft" bezeichnet werden. Dennoch muß man<lb/> fürchten, daß alle diese Mittel versagen werden, da sie viel zu unbedeutend<lb/> sind gegenüber den ungeheuern Vorteilen, die den Großstädten aus ihrer wirt¬<lb/> schaftlichen Begünstigung zufließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3227"> Die Wirtschaftsbewegung, die die Konzentration der Bevölkerung und<lb/> des Kapitals in den Großstädten zur Folge hat, würde gerechtfertigt erscheinen,<lb/> wenn die im übrigen Landesgebiete hierdurch bewirkten Nachteile durch gleich¬<lb/> wertige Vorteile in den Großstädten ausgeglichen würden. Aber dies ist<lb/> keineswegs der Fall. Das rapide Anwachsen der Großstädte nötigt diese zu<lb/> verhältnismäßig großen Ausgaben. Die Verwaltung einer Stadt scheint relativ<lb/> um so teurer zu werden, je größer sie wird. Für zehn Städte von je<lb/> 100000 Einwohnern stellt sie sich billiger als für eine Millionenstadt, da sich<lb/> alle städtischen Anlagen bei der Erweiterung über eine gewisse Größe hinaus<lb/> für den Kopf der Bevölkerung mehr und mehr verteuern. Eine Folge des<lb/> überraschen Anwachsens sind für die Großstädte die steigenden Gemeindesteuern<lb/> und die anschwellende Verschuldung. Auch die Stadt Berlin, die sich solange<lb/> einer glüuzenden wirtschaftlichen Lage erfreute, sieht sich schon einer Finanz¬<lb/> kalamität gegenüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_3228"> Die Großstadtbewohner müßten nach Art der Aankees von einer Millionen¬<lb/> manie besessen sein, wenn sie mit einer Einschränkung der Zuwanderung, die<lb/> ihnen von wenig Ausnahmen abgesehen nur Nachteile bringt, nicht einver¬<lb/> standen sein wollten. Gleichwohl haben sich die großstädtischen Zeitungen fast<lb/> ausnahmlos gegen meinen Vorschlag ausgesprochen. Diese Erscheinung läßt<lb/> sich teilweise wohl durch den Einfluß der großstädtischen Bodenspekulation auf<lb/> die Presse erklären. Von Paul Voigt werden in seinem Werke „Grundrente<lb/> und Wohnungsfrage in Berlin" die Privatpersonen ihrem Berufe nach nam¬<lb/> haft gemacht, die neben den großen Terraingesellschaften an den Gewinnen<lb/> aus der Bodenspekulation in Charlottenburg und den westlichen Berliner Vor¬<lb/> orten teilgenommen haben. Hierzu gehört auch „ein bekannter Zeitungsverleger."<lb/> Daß ein solcher seinen Einfluß auf die Presse zur Förderung seiner mit der<lb/> Bodenspekulation verknüpften persönlichen Interessen benutzt, ist begreiflich.</p><lb/> <p xml:id="ID_3229" next="#ID_3230"> Die von der großstädtischen Presse abgegebnen Urteile werden von den<lb/> Zeitungen in der Provinz kritiklos nachgedruckt. So kommt es denn, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0698]
Zur Frage der großstädtischen personalsteuer
Von den Geographen ist darauf hingewiesen worden, daß wir in Deutsch¬
land drei große städtearme Gebiete haben. Das erste umfaßt die östlichen
Provinzen Preußens, das zweite bildet Hannover mit den angrenzenden Teilen
von Schleswig-Holstein und Mecklenburg, das dritte die bayrische Donauebne.
Die Städtearmut dieser drei Gebiete ist offenbar auf die Anziehungskraft der
drei Großstädte Berlin, Hamburg und München zurückzuführen, die aus diesen
Gebieten vornehmlich ihre Menschen- und Kapitalkraft geschöpft haben. Falls
die Anziehungskraft der Großstädte nicht etwas eingeschränkt wird, müssen sich
diese Gebiete immer weiter ausdehnen und immer mehr verarmen.
Die hierin liegende Gefahr für unser gesamtes Wirtschaftsleben ist offenbar
schon seit langem von den Staatsbehörden erkannt worden. Darauf deuten
die Miquelsche Steuerreform und alle die Maßregeln, die in der Presse als
„Liebesgaben für die Landwirtschaft" bezeichnet werden. Dennoch muß man
fürchten, daß alle diese Mittel versagen werden, da sie viel zu unbedeutend
sind gegenüber den ungeheuern Vorteilen, die den Großstädten aus ihrer wirt¬
schaftlichen Begünstigung zufließen.
Die Wirtschaftsbewegung, die die Konzentration der Bevölkerung und
des Kapitals in den Großstädten zur Folge hat, würde gerechtfertigt erscheinen,
wenn die im übrigen Landesgebiete hierdurch bewirkten Nachteile durch gleich¬
wertige Vorteile in den Großstädten ausgeglichen würden. Aber dies ist
keineswegs der Fall. Das rapide Anwachsen der Großstädte nötigt diese zu
verhältnismäßig großen Ausgaben. Die Verwaltung einer Stadt scheint relativ
um so teurer zu werden, je größer sie wird. Für zehn Städte von je
100000 Einwohnern stellt sie sich billiger als für eine Millionenstadt, da sich
alle städtischen Anlagen bei der Erweiterung über eine gewisse Größe hinaus
für den Kopf der Bevölkerung mehr und mehr verteuern. Eine Folge des
überraschen Anwachsens sind für die Großstädte die steigenden Gemeindesteuern
und die anschwellende Verschuldung. Auch die Stadt Berlin, die sich solange
einer glüuzenden wirtschaftlichen Lage erfreute, sieht sich schon einer Finanz¬
kalamität gegenüber.
Die Großstadtbewohner müßten nach Art der Aankees von einer Millionen¬
manie besessen sein, wenn sie mit einer Einschränkung der Zuwanderung, die
ihnen von wenig Ausnahmen abgesehen nur Nachteile bringt, nicht einver¬
standen sein wollten. Gleichwohl haben sich die großstädtischen Zeitungen fast
ausnahmlos gegen meinen Vorschlag ausgesprochen. Diese Erscheinung läßt
sich teilweise wohl durch den Einfluß der großstädtischen Bodenspekulation auf
die Presse erklären. Von Paul Voigt werden in seinem Werke „Grundrente
und Wohnungsfrage in Berlin" die Privatpersonen ihrem Berufe nach nam¬
haft gemacht, die neben den großen Terraingesellschaften an den Gewinnen
aus der Bodenspekulation in Charlottenburg und den westlichen Berliner Vor¬
orten teilgenommen haben. Hierzu gehört auch „ein bekannter Zeitungsverleger."
Daß ein solcher seinen Einfluß auf die Presse zur Förderung seiner mit der
Bodenspekulation verknüpften persönlichen Interessen benutzt, ist begreiflich.
Die von der großstädtischen Presse abgegebnen Urteile werden von den
Zeitungen in der Provinz kritiklos nachgedruckt. So kommt es denn, daß
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