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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zoscu in Cochinchina oder den Amerikanern auf den Philippinen unbequem werden
können, und da diesen beiden Mächten vorläufig nichts an ostasiatischen Konflikten
liegen kann, so werden sie sich bis auf weiteres wohl oder übel zum mindesten
in ihrer asiatischen Politik dementsprechend einrichten.

Immerhin liegt hier der Keim zu den möglichen Koalitionen der Zukunft, in
denen mich Deutschland seineu Platz einzunehmen haben wird. Gibt es in England
Staatsmänner und Admiräle, die meinen, es sei hohe Zeit, uus niederzukämpfen,
so hat die deutsche Politik -- genau wie in der Situation von 1867 -- jedes neue
Friedeusjahr als einen Gewinn zu betrachten und auszunutzen. Wenn zu der Zeit
der Luxemburger Frage schließlich die Erwägung den Ausschlag gab, daß Luxemburg
keines Krieges wert sei, daß aber jedes neue Friedensjahr Deutschland um hundert¬
tausend Mann stärker mache, so müssen wir auch jetzt jedes neue Friedensjahr dahin
ausnutzen, dem planmäßigen Ausbau unsrer Flotte so nahe wie möglich zu kommen.
Jedes neue Linienschiff fällt zugunsten des Friedens in die Wage, je stärker wir
sein werden, um so mehr und um so schneller wird im Auslande die Neigung
abnehmen, Deutschland anzugreifen. Den hohen Grad der Unangreifbarkeit, den
wir zu Lande erreicht haben, werden zur See erst spätere Generationen erreichen
können, dazu sind die modernen Flotten zu kostspielig. Aber nachdem uns die Eng¬
länder den großen Dienst erwiesen haben, die Gefahr mit beredten Worten in nächster
Nähe zu zeige" und immer wieder darauf hinzuweisen, dürfen sie versichert sein, daß
sie nicht tauben Ohren gepredigt haben, und daß wir die Liebenswürdigkeit eines
solchen Dienstes nicht besser bewerten können, als indem wir ihm Rechnung tragen.

Das Alles wird uns nicht hindern, die englischen Gäste, die gegenwärtig auf
deutschem Boden weilen, um unser Städtewesen zu studieren, auf das herzlichste
aufzunehmen und ihnen durch Wort und Tat zu beweisen, daß bei uns in Deutsch¬
land keinerlei Feindschaft gegen England besteht, wenigstens nicht gegen ein solches,
das mit uus in Frieden, Freundschaft und guter Nachbarschaft leben will. Einer
der bedeutendsten Staatsmänner unsrer Zeit soll, als ein britischer Diplomat den
Versuch machte, ihm zu beweisen, daß England ernstlich mit der Gefahr einer deutschen
Invasion rechnen müsse, lächelnd erwidert haben, ob man denu in England einen
zweiten Normcumenzug im zwanzigsten Jahrhundert tatsächlich für möglich halte,
und ob das seemächtige Großbritannien in? Ernst der Ansicht sein könne, hiergegen
eines Schutzes oder gar der Bündnisse zu bedürfen? Diese Frage soll ans den
britischen Diplomaten, der die Gegnerschaft gegen Deutschland zu schüren als seine
besondre Aufgabe ansieht, doch etwas deprimierend gewirkt haben. Hoffentlich
nehmen seine Landsleute, die sich gegenwärtig von der Blüte des deutschen Städte¬
wesens unter den Eindrücken einer zuvorkommender Gastfreundschaft überzeugen,
die Gewißheit mit nach Hause, daß eine britische Politik ein Unsinn, ja eigentlich
ein Verbrechen ist, die es unternimmt, die in Deutschland lebendigen freundlichen
Gesinnungen für England gewaltsam in ihr Gegenteil zu Verkehren, und die Kraft
des Deutschen Reichs unnötig auf die Seite der Gegner Englands zu drängen.
Mag Deutschland auch manchen politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Gro߬
britanniens in China und an andern Punkten der Erde unbequem werden -- die
Welt ist groß genug, den Angehörigen beider Nationen eine friedliche Betätigung
und Verwertung ihrer Arbeit zu ermöglichen. Der Weltfriede würde viel mehr
gesichert sein, wenn die Möglichkeit eines deutsch-englischen Gegensatzes ans der
Rechnung der friedenstörenden Kräfte endgiltig ausscheiden müßte.

Nach dem Friedensschluß zwischen Rußland und Japan werden die Verhält¬
nisse in Ostasien sehr viel mehr in den Vordergrund treten. Japan wird zu be¬
weisen haben, ob es sich die Früchte seiner Kriegserfolge mich durch Friedensarbeit
zu sichern versteht. Die eigentlichen Ziele der japanischen Politik werden dann
klarer werden. Nach Lage der Verhältnisse wird sie unvermeidlich einen expansiven
Charakter annehmen. Zunächst kommt die Wirkung all dieser Ereignisse auf China
in Frage. Die europäischen Mächte und Nordamerika haben an der Integrität
Chinas ein gemeinsames Interesse, andrerseits wird Japan schwerlich die Russen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zoscu in Cochinchina oder den Amerikanern auf den Philippinen unbequem werden
können, und da diesen beiden Mächten vorläufig nichts an ostasiatischen Konflikten
liegen kann, so werden sie sich bis auf weiteres wohl oder übel zum mindesten
in ihrer asiatischen Politik dementsprechend einrichten.

Immerhin liegt hier der Keim zu den möglichen Koalitionen der Zukunft, in
denen mich Deutschland seineu Platz einzunehmen haben wird. Gibt es in England
Staatsmänner und Admiräle, die meinen, es sei hohe Zeit, uus niederzukämpfen,
so hat die deutsche Politik — genau wie in der Situation von 1867 — jedes neue
Friedeusjahr als einen Gewinn zu betrachten und auszunutzen. Wenn zu der Zeit
der Luxemburger Frage schließlich die Erwägung den Ausschlag gab, daß Luxemburg
keines Krieges wert sei, daß aber jedes neue Friedensjahr Deutschland um hundert¬
tausend Mann stärker mache, so müssen wir auch jetzt jedes neue Friedensjahr dahin
ausnutzen, dem planmäßigen Ausbau unsrer Flotte so nahe wie möglich zu kommen.
Jedes neue Linienschiff fällt zugunsten des Friedens in die Wage, je stärker wir
sein werden, um so mehr und um so schneller wird im Auslande die Neigung
abnehmen, Deutschland anzugreifen. Den hohen Grad der Unangreifbarkeit, den
wir zu Lande erreicht haben, werden zur See erst spätere Generationen erreichen
können, dazu sind die modernen Flotten zu kostspielig. Aber nachdem uns die Eng¬
länder den großen Dienst erwiesen haben, die Gefahr mit beredten Worten in nächster
Nähe zu zeige» und immer wieder darauf hinzuweisen, dürfen sie versichert sein, daß
sie nicht tauben Ohren gepredigt haben, und daß wir die Liebenswürdigkeit eines
solchen Dienstes nicht besser bewerten können, als indem wir ihm Rechnung tragen.

Das Alles wird uns nicht hindern, die englischen Gäste, die gegenwärtig auf
deutschem Boden weilen, um unser Städtewesen zu studieren, auf das herzlichste
aufzunehmen und ihnen durch Wort und Tat zu beweisen, daß bei uns in Deutsch¬
land keinerlei Feindschaft gegen England besteht, wenigstens nicht gegen ein solches,
das mit uus in Frieden, Freundschaft und guter Nachbarschaft leben will. Einer
der bedeutendsten Staatsmänner unsrer Zeit soll, als ein britischer Diplomat den
Versuch machte, ihm zu beweisen, daß England ernstlich mit der Gefahr einer deutschen
Invasion rechnen müsse, lächelnd erwidert haben, ob man denu in England einen
zweiten Normcumenzug im zwanzigsten Jahrhundert tatsächlich für möglich halte,
und ob das seemächtige Großbritannien in? Ernst der Ansicht sein könne, hiergegen
eines Schutzes oder gar der Bündnisse zu bedürfen? Diese Frage soll ans den
britischen Diplomaten, der die Gegnerschaft gegen Deutschland zu schüren als seine
besondre Aufgabe ansieht, doch etwas deprimierend gewirkt haben. Hoffentlich
nehmen seine Landsleute, die sich gegenwärtig von der Blüte des deutschen Städte¬
wesens unter den Eindrücken einer zuvorkommender Gastfreundschaft überzeugen,
die Gewißheit mit nach Hause, daß eine britische Politik ein Unsinn, ja eigentlich
ein Verbrechen ist, die es unternimmt, die in Deutschland lebendigen freundlichen
Gesinnungen für England gewaltsam in ihr Gegenteil zu Verkehren, und die Kraft
des Deutschen Reichs unnötig auf die Seite der Gegner Englands zu drängen.
Mag Deutschland auch manchen politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Gro߬
britanniens in China und an andern Punkten der Erde unbequem werden — die
Welt ist groß genug, den Angehörigen beider Nationen eine friedliche Betätigung
und Verwertung ihrer Arbeit zu ermöglichen. Der Weltfriede würde viel mehr
gesichert sein, wenn die Möglichkeit eines deutsch-englischen Gegensatzes ans der
Rechnung der friedenstörenden Kräfte endgiltig ausscheiden müßte.

Nach dem Friedensschluß zwischen Rußland und Japan werden die Verhält¬
nisse in Ostasien sehr viel mehr in den Vordergrund treten. Japan wird zu be¬
weisen haben, ob es sich die Früchte seiner Kriegserfolge mich durch Friedensarbeit
zu sichern versteht. Die eigentlichen Ziele der japanischen Politik werden dann
klarer werden. Nach Lage der Verhältnisse wird sie unvermeidlich einen expansiven
Charakter annehmen. Zunächst kommt die Wirkung all dieser Ereignisse auf China
in Frage. Die europäischen Mächte und Nordamerika haben an der Integrität
Chinas ein gemeinsames Interesse, andrerseits wird Japan schwerlich die Russen


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[0691] Maßgebliches und Unmaßgebliches zoscu in Cochinchina oder den Amerikanern auf den Philippinen unbequem werden können, und da diesen beiden Mächten vorläufig nichts an ostasiatischen Konflikten liegen kann, so werden sie sich bis auf weiteres wohl oder übel zum mindesten in ihrer asiatischen Politik dementsprechend einrichten. Immerhin liegt hier der Keim zu den möglichen Koalitionen der Zukunft, in denen mich Deutschland seineu Platz einzunehmen haben wird. Gibt es in England Staatsmänner und Admiräle, die meinen, es sei hohe Zeit, uus niederzukämpfen, so hat die deutsche Politik — genau wie in der Situation von 1867 — jedes neue Friedeusjahr als einen Gewinn zu betrachten und auszunutzen. Wenn zu der Zeit der Luxemburger Frage schließlich die Erwägung den Ausschlag gab, daß Luxemburg keines Krieges wert sei, daß aber jedes neue Friedensjahr Deutschland um hundert¬ tausend Mann stärker mache, so müssen wir auch jetzt jedes neue Friedensjahr dahin ausnutzen, dem planmäßigen Ausbau unsrer Flotte so nahe wie möglich zu kommen. Jedes neue Linienschiff fällt zugunsten des Friedens in die Wage, je stärker wir sein werden, um so mehr und um so schneller wird im Auslande die Neigung abnehmen, Deutschland anzugreifen. Den hohen Grad der Unangreifbarkeit, den wir zu Lande erreicht haben, werden zur See erst spätere Generationen erreichen können, dazu sind die modernen Flotten zu kostspielig. Aber nachdem uns die Eng¬ länder den großen Dienst erwiesen haben, die Gefahr mit beredten Worten in nächster Nähe zu zeige» und immer wieder darauf hinzuweisen, dürfen sie versichert sein, daß sie nicht tauben Ohren gepredigt haben, und daß wir die Liebenswürdigkeit eines solchen Dienstes nicht besser bewerten können, als indem wir ihm Rechnung tragen. Das Alles wird uns nicht hindern, die englischen Gäste, die gegenwärtig auf deutschem Boden weilen, um unser Städtewesen zu studieren, auf das herzlichste aufzunehmen und ihnen durch Wort und Tat zu beweisen, daß bei uns in Deutsch¬ land keinerlei Feindschaft gegen England besteht, wenigstens nicht gegen ein solches, das mit uus in Frieden, Freundschaft und guter Nachbarschaft leben will. Einer der bedeutendsten Staatsmänner unsrer Zeit soll, als ein britischer Diplomat den Versuch machte, ihm zu beweisen, daß England ernstlich mit der Gefahr einer deutschen Invasion rechnen müsse, lächelnd erwidert haben, ob man denu in England einen zweiten Normcumenzug im zwanzigsten Jahrhundert tatsächlich für möglich halte, und ob das seemächtige Großbritannien in? Ernst der Ansicht sein könne, hiergegen eines Schutzes oder gar der Bündnisse zu bedürfen? Diese Frage soll ans den britischen Diplomaten, der die Gegnerschaft gegen Deutschland zu schüren als seine besondre Aufgabe ansieht, doch etwas deprimierend gewirkt haben. Hoffentlich nehmen seine Landsleute, die sich gegenwärtig von der Blüte des deutschen Städte¬ wesens unter den Eindrücken einer zuvorkommender Gastfreundschaft überzeugen, die Gewißheit mit nach Hause, daß eine britische Politik ein Unsinn, ja eigentlich ein Verbrechen ist, die es unternimmt, die in Deutschland lebendigen freundlichen Gesinnungen für England gewaltsam in ihr Gegenteil zu Verkehren, und die Kraft des Deutschen Reichs unnötig auf die Seite der Gegner Englands zu drängen. Mag Deutschland auch manchen politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Gro߬ britanniens in China und an andern Punkten der Erde unbequem werden — die Welt ist groß genug, den Angehörigen beider Nationen eine friedliche Betätigung und Verwertung ihrer Arbeit zu ermöglichen. Der Weltfriede würde viel mehr gesichert sein, wenn die Möglichkeit eines deutsch-englischen Gegensatzes ans der Rechnung der friedenstörenden Kräfte endgiltig ausscheiden müßte. Nach dem Friedensschluß zwischen Rußland und Japan werden die Verhält¬ nisse in Ostasien sehr viel mehr in den Vordergrund treten. Japan wird zu be¬ weisen haben, ob es sich die Früchte seiner Kriegserfolge mich durch Friedensarbeit zu sichern versteht. Die eigentlichen Ziele der japanischen Politik werden dann klarer werden. Nach Lage der Verhältnisse wird sie unvermeidlich einen expansiven Charakter annehmen. Zunächst kommt die Wirkung all dieser Ereignisse auf China in Frage. Die europäischen Mächte und Nordamerika haben an der Integrität Chinas ein gemeinsames Interesse, andrerseits wird Japan schwerlich die Russen

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/691>, abgerufen am 05.02.2025.