Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Dieser droht auch den Göttern; denn auch sie haben eine Sühne zu leisten, Wir scheu also: die Götterlehre der altgermanischen Heiden ist nicht eine Der echte Zarathustra. Der älteste Bestandteil des Awesta, also das älteste Maßgebliches und Unmaßgebliches Dieser droht auch den Göttern; denn auch sie haben eine Sühne zu leisten, Wir scheu also: die Götterlehre der altgermanischen Heiden ist nicht eine Der echte Zarathustra. Der älteste Bestandteil des Awesta, also das älteste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297199"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_236"> Dieser droht auch den Göttern; denn auch sie haben eine Sühne zu leisten,<lb/> und zwar dafür, daß in ihnen der Ursprung des Bösen ruht und dieses eine so<lb/> unheilvolle Macht erlangt hat. Durch den Welteubrand (Muspilli) wird die ganze<lb/> Welt zerstört, aber dadurch auch geläutert, eine Kraft des Feuers, die in der<lb/> Bibel und in der Lehre der katholischen Kirche besonders betont wird. Die neu<lb/> entstandne Welt wird von Einem, neuen, heiligen Gott regiert, den man aber<lb/> nicht naher bezeichnen, höchstens mit dem Namen Alfadur benennen kann (vergl.<lb/> den „unbekannten Gott" der Griechen, Apostelgeschichte 17). Dieser Eine Gott<lb/> hat zwar anch Untergötter, aber sie sind nicht wie Thor, Ziu, Freyr und die<lb/> andern Götter und Göttinnen aus eigner Machtvollkommenheit handelnde höhere<lb/> Wesen, sondern nur Diener des Einen, des Allesbeherrschenden, und dieser erhabne<lb/> Gedanke ist eine Vorahnung des Monotheismus, also eine Vorbereitung auf das<lb/> Christentum, das die Germanen spater mit heftigem Widerstreben, aber dann auch<lb/> um so tiefer und inniger aufgenommen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_237"> Wir scheu also: die Götterlehre der altgermanischen Heiden ist nicht eine<lb/> Zusammenstellung wüster Phantasiegebilde und unklarer, nur von Furcht und<lb/> Schrecken eingegebner Vorstellungen, nicht ein oberflächliches anthropomorphisches<lb/> Gebilde, ähnlich der griechischen Mythologie; die Welt ist ihnen nicht das Spiel<lb/> eines blinden Zufalls oder das Werk willkürlich waltender Götter und Dämonen,<lb/> sondern eine wirkliche Weltordnung, und diese beruht auf sittlichen Grundlagen,<lb/> di<note type="byline"> L. S.</note> e als unverletzlich und heilig gelten. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der echte Zarathustra.</head> <p xml:id="ID_238" next="#ID_239"> Der älteste Bestandteil des Awesta, also das älteste<lb/> von allen iranischen Schriftdenkmälern sind siebzehn Gathas, das heißt Lieder,<lb/> Zarathustras. Christian Bartholomae hat sie schon früher übersetzt und die<lb/> einzelnen Strophen an den passenden Stellen seinem Altiranischen Wörterbuch ein¬<lb/> gefügt, jetzt aber hat er eine Sonderaufgabe davou herausgegeben, deren Er¬<lb/> läuterungen den Inhalt jedermann verständlich machen: „Die Gnthas des Awesta.<lb/> Zarathustras Verspredigten" (Straßbnrg. Karl I. Trübner, 1905). Bartholomae<lb/> nimmt an, „daß die Verspredigt entweder durch Prosavorträgc unterbrochen war,<lb/> in denen die dort nur angedeuteten Dinge ausführlicher behandelt wurden, oder<lb/> aber daß sie den Schluß einer Predigt bildete, worin der zuvor in Prosa vorgc-<lb/> tragne Stoff in gebuudner und darum leichter behältlicher Form zusammengefaßt<lb/> war." Schade, daß das Büchlein nicht schon vor zwanzig Jahren erschienen ist!<lb/> Man würde daraus sofort erkannt haben, daß Nietzsche gar keinen unpassendem<lb/> Namen wählen konnte für das Gespenst, in das er sich verkleidet, um in gekünstelter<lb/> und orakelhaft dunkler Rede der Welt zu verkünden, daß es keinen Gott und kein<lb/> Jenseits, keinen Unterschied von Gut und Böse gebe, daß alle seine Zeitgenossen<lb/> Trottel und Hanswurste seien, und daß Welt und Menschheit erst etwas wert<lb/> wären, wenn Zarathustra den Übermenschen zustande gebracht haben würde. Man<lb/> kann sich gar keinen schärfern Gegensatz vorstellen als den zwischen dem über¬<lb/> spannten hysterischen Propheten „der Moderne" mit seinen eingebildeten Schmerzen<lb/> und dem hcmsbacknen altiranischen Banernpropheten mit seinem robusten Götter-<lb/> und Jenseitsglauben, seiner schroffen Unterscheidung von Gut und Böse und seinem<lb/> engbegrenzten, klaren und praktischen Rcformplan. Zarathustra, aus angesehenen<lb/> priesterlichem Geschlecht, aber, wie er klagt, nicht reich und mächtig genug, seinen<lb/> Worten Nachdruck zu verleihen, fühlt sich zur Verbreitung der wahren Religion<lb/> Amisen und wird durch Visionen in seiner Überzeugung bestärkt. Die wahre<lb/> ^eligion besteht in der Verehrung der Ahuras, der Lichtgötter, deren vornehmster<lb/> °er Weltschöpfer Mazdah ist, durch gute Gesinnung, Übung der Wahrheit, Acker¬<lb/> bau und vor allem Pflege des Rindes, das eine hochwichtige Person — wirklich<lb/> eine Person — ist und sein Idealbild als Vertreter bei den Göttern im Himmel<lb/> hat. Alle frommen Bauern sind Mazdahverehrer, Pfleger des Asa, das ist des<lb/> Rechts und der Wahrheit. Ihnen stehn gegenüber die Druggeuossen — Drug ist</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Dieser droht auch den Göttern; denn auch sie haben eine Sühne zu leisten,
und zwar dafür, daß in ihnen der Ursprung des Bösen ruht und dieses eine so
unheilvolle Macht erlangt hat. Durch den Welteubrand (Muspilli) wird die ganze
Welt zerstört, aber dadurch auch geläutert, eine Kraft des Feuers, die in der
Bibel und in der Lehre der katholischen Kirche besonders betont wird. Die neu
entstandne Welt wird von Einem, neuen, heiligen Gott regiert, den man aber
nicht naher bezeichnen, höchstens mit dem Namen Alfadur benennen kann (vergl.
den „unbekannten Gott" der Griechen, Apostelgeschichte 17). Dieser Eine Gott
hat zwar anch Untergötter, aber sie sind nicht wie Thor, Ziu, Freyr und die
andern Götter und Göttinnen aus eigner Machtvollkommenheit handelnde höhere
Wesen, sondern nur Diener des Einen, des Allesbeherrschenden, und dieser erhabne
Gedanke ist eine Vorahnung des Monotheismus, also eine Vorbereitung auf das
Christentum, das die Germanen spater mit heftigem Widerstreben, aber dann auch
um so tiefer und inniger aufgenommen haben.
Wir scheu also: die Götterlehre der altgermanischen Heiden ist nicht eine
Zusammenstellung wüster Phantasiegebilde und unklarer, nur von Furcht und
Schrecken eingegebner Vorstellungen, nicht ein oberflächliches anthropomorphisches
Gebilde, ähnlich der griechischen Mythologie; die Welt ist ihnen nicht das Spiel
eines blinden Zufalls oder das Werk willkürlich waltender Götter und Dämonen,
sondern eine wirkliche Weltordnung, und diese beruht auf sittlichen Grundlagen,
di L. S. e als unverletzlich und heilig gelten.
Der echte Zarathustra. Der älteste Bestandteil des Awesta, also das älteste
von allen iranischen Schriftdenkmälern sind siebzehn Gathas, das heißt Lieder,
Zarathustras. Christian Bartholomae hat sie schon früher übersetzt und die
einzelnen Strophen an den passenden Stellen seinem Altiranischen Wörterbuch ein¬
gefügt, jetzt aber hat er eine Sonderaufgabe davou herausgegeben, deren Er¬
läuterungen den Inhalt jedermann verständlich machen: „Die Gnthas des Awesta.
Zarathustras Verspredigten" (Straßbnrg. Karl I. Trübner, 1905). Bartholomae
nimmt an, „daß die Verspredigt entweder durch Prosavorträgc unterbrochen war,
in denen die dort nur angedeuteten Dinge ausführlicher behandelt wurden, oder
aber daß sie den Schluß einer Predigt bildete, worin der zuvor in Prosa vorgc-
tragne Stoff in gebuudner und darum leichter behältlicher Form zusammengefaßt
war." Schade, daß das Büchlein nicht schon vor zwanzig Jahren erschienen ist!
Man würde daraus sofort erkannt haben, daß Nietzsche gar keinen unpassendem
Namen wählen konnte für das Gespenst, in das er sich verkleidet, um in gekünstelter
und orakelhaft dunkler Rede der Welt zu verkünden, daß es keinen Gott und kein
Jenseits, keinen Unterschied von Gut und Böse gebe, daß alle seine Zeitgenossen
Trottel und Hanswurste seien, und daß Welt und Menschheit erst etwas wert
wären, wenn Zarathustra den Übermenschen zustande gebracht haben würde. Man
kann sich gar keinen schärfern Gegensatz vorstellen als den zwischen dem über¬
spannten hysterischen Propheten „der Moderne" mit seinen eingebildeten Schmerzen
und dem hcmsbacknen altiranischen Banernpropheten mit seinem robusten Götter-
und Jenseitsglauben, seiner schroffen Unterscheidung von Gut und Böse und seinem
engbegrenzten, klaren und praktischen Rcformplan. Zarathustra, aus angesehenen
priesterlichem Geschlecht, aber, wie er klagt, nicht reich und mächtig genug, seinen
Worten Nachdruck zu verleihen, fühlt sich zur Verbreitung der wahren Religion
Amisen und wird durch Visionen in seiner Überzeugung bestärkt. Die wahre
^eligion besteht in der Verehrung der Ahuras, der Lichtgötter, deren vornehmster
°er Weltschöpfer Mazdah ist, durch gute Gesinnung, Übung der Wahrheit, Acker¬
bau und vor allem Pflege des Rindes, das eine hochwichtige Person — wirklich
eine Person — ist und sein Idealbild als Vertreter bei den Göttern im Himmel
hat. Alle frommen Bauern sind Mazdahverehrer, Pfleger des Asa, das ist des
Rechts und der Wahrheit. Ihnen stehn gegenüber die Druggeuossen — Drug ist
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